Mit Schmäh und Dachboden-Philosophie anspruchsvolle Kabarett-Spuren hinterlassen

image_pdfimage_print
Holte Erhellendes aus dem Dachboden-Gerümpel, nicht nur mit der Taschenlampe: Stefan Waghubinger.

Ja Servus! Das war mal ein anderer kabarettistischer Abend im studio theater. Mit Taschenlampe, einer Tasse mit schlechtem Wein und einem verrümpelten Dachboden. Vor allem aber mit einem Hauch von Wiener Schmäh, viel hausgemachter Philosophie und entstaubender Selbstfindung. Gut, dass Stefan Waghubinger sein Sakko aus-, den Husten raus- und die erhellende Erkenntnis trotz Erkältung nie verließ: Sein Debüt auf der Bergkamener Kabarett-Bühne war nachhaltig. Schade, dass sich das viele am Freitagabend entgehen ließen.

Da muss sich manchmal doch aufregen über die guten Tage, die jetzt hätten kommen können.

„Den kennt man ja nicht“, sagte einer, der sich dennoch auf das Unbekannte einließ. „Das ist ja ein Österreicher, hoffentlich versteht man den überhaupt“, sorgte sich eine andere Stammbesucherin. Immerhin stapelte sich RuhrPott-Weiß in der Kulisse als Anker für die ganz Ängstlichen. Der Kontrast zu seinem Vorgänger Matze Knop hätte größer auch nicht sein können. Mit akzentuierten Denkpausen schlich Stefan Waghubinger um Tische, Stuhl, Besen und Zeitungsstapel herum und sortierte ruhig plaudernd sein Übriggebliebenes, seine (Alb-)träume und das, was hätte kommen können.

Die leeren Rahmen füllen sich immer wieder.

Von der Schwammerlsuppe ging es irgendwie fast logisch zum großen philosophischen Scrabble-Spiel mit Papst, Dalai Lama und Co., winkenden Jesuskindern made in China in der Krippe, gestrickten Captain Kirk-Jacken samt Begegnung mit dem Bild vom eigenen Ich, in Schokolade erstarrten Märtyrern zur wahrhaftigen Konfrontation mit der personifizierten nackten Wahrheit. Was ein wenig depressiv anmutete, verbarg hinter dem zerstreuten Plauderton süffisant Handfestes. „Ich weiß es vorher und es kommt doch anders“, nicht nur mit der Schwammerlsuppe. Und alles reagiert ständig unzuverlässig: „Wenn sich etwas im Leben verändert, müsste es doch lauter sein!“, sagte er und ging nahtlos zum Loslassenlernen und eingebauten Sollbruchstellen im Leben über. Wozu kaputte Toaster doch gut sein können.

Prost: Der aufgehobene Wein tut jetzt Not.

Ehemals gemoppte Minderheiten sind jedenfalls längst Mehrheiten, Zufall und Notwendigkeit wachsen sich mit der Evolution einigermaßen krankhaft aus – nicht nur zu Hamsterkäufen. Die leeren Rahmen füllen sich jedenfalls immer wieder neu mit erstaunlichen Erkenntnissen. Auch als Biene Maja zwischen Milliarden Sternen vor dem Spiegel. Wären wir doch alle auf den Bäumen geblieben, dann wäre wenigstens die globale Wohnungsnot gelöst. Und hinter den betenden Dürer-Händen steckt in Wahrheit der religionsfreie Mückenmord. Sinnfreies zum Religiösen erklären, das macht vieles erträglicher. Und es gibt noch die genialen Eichhörnchen, die einfach nur nach der Nuss suchen.

So sieht’s aus: Die Wahrheiten liegen überall auf dem Dachboden.

Paradoxe Intervention, die dennoch zum Selbstmord führt. Sozialismus, der die Ausbeutung vorantreibt. „Wo ist der Asteroid, wenn man ihn braucht?“, fragt Waghubinger. Er hat am Freitag auf jeden Fall in Bergkamen Spuren hinterlassen. Mit mehr oder weniger direkt ausgeplauderten Wahrheiten, die garantiert noch über den Abend hinaus nachwirken. Servus. Wiedersehen macht Freude! Und: Die guten Tage kommen bestimmt noch.