Neue alte Galerie sohle 1 geht zur Neueröffnung auf kuriose Wanderschaft

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Neueröffnung mit inspirierender Kunst, die nicht nur Lust auf Wandern macht.

Wandern auf der Bergehalde? Was für die meisten Bergkamener Alltag und ein schlichter Spaziergang ist, zeigt sich in der neuen Galerie sohle 1 jetzt als Kunstprojekt. Ein passendes Eröffnungsgeschenk mit Tiefsinn. Ausgerechnet hier ist die einzige junge Frau auf allen Bildern der Ausstellung zur Neueröffnung mit echten Wanderschuhen bestückt. Ausgerechnet hier ist die Umgebung klar erkennbar. Ein Zeichen der Wertschätzung des Künstlers Dirk Schmitt? Zumindest ist nicht zu übersehen, dass hier etwas anders ist.

Wandern auf der Bergehalde, während der Rest des Stadtmuseums noch umgebaut wird.

Auf anderen Bildern stehen die jungen Frauen barfuß am Abgrund und schauen auf Windräder in der dunklen, ebenfalls verdächtig bekannten Ferne. Oder sie bahnen sich in Flip-Flops und Sandalen ihren Weg durch Gebirge, Geröll, Sand und Wasser am Meer. Immer wenden sie dem Betrachter den Rücken zu, immer sind sie schick und weiblich gekleidet, immer ist der Hintergrund unscharf und verschwimmt. Immer erinnert die Szenerie an Caspar David Friedrich, den „Star“ der deutschen Romantik und seinen berühmten „Wanderer über dem Nebelmeer“. Die Romantik gegenständlich in die Moderne verpflanzen: Das gelingt Dirk Schmitt meisterhaft. Mal auch beängstigend als weiblicher Roboter, mal als Schönheit mit intelligenter Beinprothese – mal als Bildnis, das ein KI-Programm ausgeworfen zu haben scheint.

Anke Schmich geht den Bildern auf den Grund.

Er erreicht jedenfalls, was er beabsichtigt: Er feiert die Frau und die Weiblichkeit. Er lässt den Betrachter zum „unaufdringlichen Voyeur“ der zwanglosen Bewegung im Freien, der Begegnung mit der Natur und des Genusses der Freiheit werden. Sehnsucht, Erkenntnis, innere und äußere Individualität, fast schon intime Momente der „göttlichen Beseeltheit der Natur“: Hier ist wieder greifbar, was schon im 18. Jahrhundert eine große Sehnsucht war. Das beschäftigt auch Bürgermeister Bernd Schäfer, dem die Bilder das Bekenntnis hemmungsloser Wanderleidenschaft entlockte. Auch dieses Jahr ist er wieder mit Freunden unterwegs, plant diesmal die Route mit. Das harmonische Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist nicht erst für ihn seit Corona-Pandemie, Klimawandel, Energiekrise und heftigen weltweiten Konflikten als Bedürfnis aktueller denn je. Für viele andere auch, so Kunsthistorikerin Anke Schmich. Auch diese Ausstellung erlebte den Ausnahmezustand: Geplant war sie schon für November 2020.

Ein Denkmal für die junge Frau von heute

Anke Schmich mit dem Künstler Dirk Schmitt im Gespräch.

Die plauderte locker mit dem Künstler und entlockte ihm noch einiges über sein Werk. Die blaue Blume, die Novalis zum Inbegriff der Romantik erhob als Sinnbild für Sehnsucht, Liebe und Erkenntnis der Natur. Ihm hat er ein Denkmal gesetzt, dargereicht durch einen Roboterarm. Die Porträts von Freunden und Weggefährten lassen tief in das Innerste von Dirk Schmitt blicken. Seine Leidenschaft für das Stockpuppentheater, für das er Bühnenbilder erschuf. Für seine Arbeit als Entwerfer beim Kölner Rosenmontagszug. Seine Bewunderung für „einen meiner engsten Freunde“, den bekannten und unlängst verstorbenen Cartoonisten Martin Perscheid, Schulfreund und Mit-Cineast.

Der Künstler im Gespräch mit einer begeisterten Besucherin.

Realismus habe ihn immer fasziniert – schon zu einer Zeit „, als das ein schweres Los war“. Einen realistisch erfahrbaren Raum schaffen, in dem erst die Figur und dann der Hintergrund ersteht: Hier spiegelt er seine Welt aus Karneval, trauernder Witwe mit Kind, sich vor Scham wegedrehendem Mann im Business-Anzug, energischer Frau, die rigoros ein Schreiben zerreißt. Und dann immer wieder die jungen Frauen, die ihn beeindrucken. „Viele meiner Freunde haben Töchter, die inzwischen junge Frauen sind. Sie haben alle ein Sabbatical gemacht und sich selbst entdeckt – das wäre früher undenkbar gewesen“, schildert er.

Dagmar und Dietmar Neumann bei der inoffiziellen Premiere für das Museumsbistro.

Genau das hat die Galerie sohle 1 nach langem Umbau in den neuen Räumen verdient: Eine Ausstellung, die einen anderen Blick eröffnet – zeitgemäß und doch traditionell. Noch dazu mit dem offiziell ersten Kuchen im ebenfalls umgestalteten Bistrobereich. Den übernehmen Dagmar und Dieter Neumann mit viel Gastronomie-Erfahrung als Altersprojekt.

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