von Andreas Milk
Um zu einer hohen Geldstrafe verurteilt zu werden, braucht ein Angeklagter nicht unbedingt selbst vor dem Richter zu erscheinen. Der 30-jährige Bergkamener Tobias M. (Name geändert) hatte im vergangenen Mai einem Jungen auf der Hochstraße mehrfach mit der Faust gegen die Brust geschlagen. Dafür erließ ein Richter in Kamen heute einen Strafbefehl über 120 Tagessätze à 15 Euro – macht 1.800 Euro.
Tobias M. hatte schon oft mit dem Gericht zu tun, unter anderem wegen Gewaltdelikten. Mehrere Bewährungsstrafen sind noch offen, „gesessen“ hat er aber auch schon. Die Sache an der Hochstraße war noch vergleichsweise harmlos. M. soll am 15. Mai 2019 mitbekommen haben, dass ein paar Jungs – alle um die elf, zwölf Jahre – herumgealbert und sich gegenseitig auf die Fahrbahn geschubst haben, sodass eine Radfahrerin stoppen musste. M., selbst mit dem Rad auf der Gegenseite unterwegs, hielt an und glaubte wohl, für „Ordnung“ sorgen zu müssen.
Der Junge, den er sich vornahm, hat einen türkischen Migrationshintergrund. Zusammen mit seinem Vater saß er nun als Zeuge im Gerichtssaal. Zu einer förmlichen Vernehmung kam es nicht – es gab ja keinen „richtigen“ Prozess, weil Tobias M. nicht da war. Der Junge erzählte kurz von den Faustschlägen. Sie seien schmerzhaft, aber nicht so schlimm gewesen, dass er Verletzungen erlitten oder zum Arzt gemusst hätte.
Der Vater des Jungen sprach von der Notwendigkeit, geltendes Recht zu respektieren. Er fand befremdlich, dass Tobias M. trotz etlicher Vorstrafen mit einer Geldstrafe davon kommen soll. Der Richter erklärte den Hintergrund: In Abwesenheit hätte M. allenfalls zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt werden können – was ihm vermutlich egal gewesen wäre. Für eine Haftstrafe ohne Bewährung bräuchte es einen neuen, aufwendigen Termin.
Die Geldstrafe in Abwesenheit dagegen kann dazu führen, dass M. letztlich doch ins Gefängnis geht – und zwar, wenn er die Strafe nicht bezahlen kann oder will. Aus 120 Tagessätzen würden vier Monate Knast. Weitere Möglichkeit: M. legt gegen die Geldstrafe Einspruch ein. Dann macht das Gericht einen neuen Termin. Kommt M. wieder nicht, wird die Geldstrafe rechtskräftig.