Wenn sich in der lettischen Hauptstadt Riga in wenigen Monaten die Veranstaltungen im Rahmen der „Kulturhauptstadt Europas 2014″ einem Ende zuneigen, dann werden gleich zwei Kamener der Stadt ihren Stempel aufgedrückt haben. Zum einen ist da Jonas Büchel. In der Sesekestadt aufgewachsen, lebt er inzwischen seit fast 15 Jahren in Lettland. Dort hat er eine Familie gegründet und ist seit vielen Jahren in Riga aktiv. Von Hause aus Sozialarbeiter, hat er sich zu einem der führenden Ansprechpartner in Sachen Urbanismus in Nord-Osteuropa entwickelt. Das von ihm mitgegründete Urban Institute ist in vielen Bereichen von sozialer und kultureller Stadtentwicklung bis hin zu Aspekten des Quartiersmanagements aktiv.
Darüber hinaus ist Büchel Co-Kurator diverser Ausstellungen und Teilnehmer und Mitorganisator des „Survival Kit“, einem unabhängigen Kunst- und Kulturfestival, das in diesem Jahr unter dem Motto „Utopian City“ in die sechste Auflage gegangen ist.
Es war keine Frage, ob ich mitmachen würde.
Und hier kommt der zweite Kamener ins Spiel: Guido Muermann. Der Grafiker und Künstler hat in diesem Jahr eine Einladung erhalten, Teil des Survival Kits und damit des Großereignisses Kulturhauptstadt zu werden. „Ich war letztes Jahr zum ersten Mal in Riga und mir hat die Stadt total gut gefallen. Da war es überhaupt keine Frage, ob ich mitmachen würde, als Jonas mich gefragt hat“, erzählt er. Und so hat sich Muermann Anfang September auf ins Baltikum gemacht. Ohne genauen Überblick über die zu bespielenden Lokalitäten, dafür aber mit einer Idee im Kopf. Ein „entzündeter Sonnenstrahl“ sollte es werden, ein Motiv, das ihn in seiner freien Arbeit seit Jahren immer wieder beschäftigt.
Sein „Atelier auf Zeit“ war das Preses Nams, ein gigantisches ehemaliges Pressehaus – nahe der Altstadt und seit Jahren leer stehend. Perfekte Voraussetzungen also für ausgiebige künstlerische Auseinandersetzungen. Und so schuf Muermann in weniger als einer Woche das beeindruckende Objekt „Infected Sunstream“, eine sechs Meter lange Version seiner Sonnenstrahlen. Frei im Raum hängend wird es von einem Kreis aus alten Holzmöbeln eingerahmt – alles Fundstücke aus dem leerstehenden Pressegebäude. „Das Werk versinnbildlicht aus meiner Sicht die Neugliederung alter Raumnutzungsstrukturen und steht so im direkten Zusammenhang zum Festival- und Syposiumsthema“, so der Künstler über seine Arbeit.
Wie durchschossen wirken die alten Tische, Stühle, Schubladen. Das von innen beleuchtete Plastikelement erscheint da wie ein Zeichen des Aufbruchs und Neuanfangs innerhalb der alten Strukturen.
Letzten Samstag fand im Preses Nams die Vernissage statt, auf der Muermanns Sonnenstrahl und die Arbeiten anderer Künstler der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Der Kamener ist inzwischen wieder in der Heimat, doch sein Werk wird wohl ein Teil Rigas bleiben: Die Organisatoren planen, das Objekt und seinen Standort in Führungen zur zeitgenössischen Kunst einzubeziehen und es so der Allgemeinheit längerfristig zugänglich zu machen.