Riesige begehbare Blechdosen hat er am Nordberg aufgestellt. Lumpenvögel flatterten schon in den 70er-Jahren durch Bergkamen und führten drastisch die Umweltzerstörung vor Augen. Monströse Nägel bohrten sich durch Metall und erinnerten an die harten Seiten des Bergbaus. Wolfgang Fräger war seiner Zeit voraus, hatte viele künstlerische Facetten und einen europaweiten Ruf. Er war ein Bergkamener Original und wäre am 6. August 100 Jahre geworden. Dafür hat er nun gleich zum wiederholten Mal einen Raum mit seinem Namen bekommen.
Im Stadtmuseum gab es schon einmal sein Namensschild an der Tür. Schon zu Lebzeiten hatte er seinen eigenen ständigen Ausstellungsraum. „Wolfgang Fräger ist in diesem Hause zuhause“, formulierte es Dieter Treeck, ohne den es weder das Stadtmuseum noch die Galerie, noch die Bergkamener Kunstlandschaft gäbe. Zudem war er es, der Fräger zurück in die Heimatstadt holte. Das illustrierte er zur offiziellen Namensgebung des neuen Wolfgang-Fräger-Raums im neuen Stadtmuseum mit dem ersten Brief, den er 1971 an den Künstler schrieb. Und mit ganz persönlichen Erinnerungen, die alle mit 71 Jahren zu tun haben. Denn: „Meine Biografie ist eng mit seiner verbunden.“
Vor 71 Jahren erlebte Treeck als Schuljunge und ausgebombter Flüchtling in Hamm die künstlerische Initiation mit Werken von Fräger. Es war seine erste Kunstausstellung überhaupt. Mit der Passionsgeschichte beschäftigten sich die Werke Frägers, die er zu sehen bekam. „Eine magische Begegnung, die mich nicht mehr losließ.“ Bis heute nicht. 1971 schaffte er es, Fräger für den ersten und noch weitere der berühmten Bilderbasare zu gewinnen. Fortan machte der Bildhauer, Radierer, Lithograph und Holzschnitzer nicht nur in Bergkamen mit neuen Themen provokativ von sich reden – und kritisch. Als gelernter Bergmann gab er dem Bergbau und der Industrialisierung ein künstlerisches Gesicht – und dem, was man heute Klimawandel nennt.
Symbolisches und Symbolkraft nicht nur mit Zahlen
„Du, Alter“, sprach er Treeck nach vielen Jahren Freundschaft in einem seiner letzten Briefe an. Er wollte ihn zu einer gemeinsamen Arbeit zu Thema Waldsterben überreden – „mit Argumenten und Lockrufen, die mich platt machten.“ Dazu kam es nur noch indirekt, denn Wolfgang Fräger starb überraschend 1983 in Bönen. Geblieben ist eine Wertschätzung, „die schwer beeindruckt“, so seine älteste Tochter Barbara Duka. Sie war mit ihren beiden Schwestern zur Raumeinweihung gekommen. Im Gepäck eine Dauerleihgabe, die nicht gerade typisch war für Fräger: Ein großformatiges gemaltes Bild mit scharfen, eckigen, bunten „Zeichen aus dem Ruhrgebiet“. Dieses Werk entstand 1971: „In einem Jahr mit symbolischer Bedeutung für die Beziehung zwischen Bergkamen und Wolfgang Fräger“, so Duka, die auch Vorsitzende der Wolfgang-Fräger-Gesellschaft ist. Zusätzlich brachte sie viele Fotos von den Bilderbasaren mit – und einige Programme.
Symbolische Kraft hatte auch die Musik, die Buck Wolters und Nina Dahlmannn beeindruckend interpretierten. Die Lieder von Ella Fitzgerald und Django Reinhardt gefielen Wolfgang Fräger zeitlebens besonders gut. Symbolisch wirken kann Fräger jetzt in einem Raum, der vor allem für Veranstaltungen gedacht ist, besonders gut. Mit einem Zeitgeist, „der mehr als zeitgemäß ist“, so Kulturdezernent Marc Alexander Ulrich. Der kann sich in Zukunft noch weitere Namensgebungen im Stadtmuseum vorstellen, das im kommenden Jahr teilweise wieder renovierte Räume für alle vorzeigen wird.