Es geht vorbei an Ahnengalerien, die weit in die letzten Jahrhunderte zurückreichen. Fotografien aus 40 Jahren Angola hängen an der Wand. Daneben Gemälde von Orten, die mit einer lebensgefährlichen Flucht mitten im Krieg verlassen werden mussten. Man ahnt: Hier steckt viel Geschichte an, in und zwischen den Wänden. Das ist wohl einer der Gründe, warum der Blick aus dem Fenster ganz oben auf eine wahre Menschenmenge im Innenhof von Haus Heeren fällt. Der Weihnachtsmarkt ist längst ein Großereignis geworden.
Zum 4. Mal lud der Rotary Club Kamen zusammen mit den Schlossbesitzern von Plettenberg und den Heerener Frohsinn-Chören zum weihnachtlichen Trubel ein. „Eigentlich hatten wir schon fest mit heftigem Regen gerechnet“, meint Dorothea von Plettenberg schmunzelnd mit Blick auf die letzten Jahre. „Es ist toll, dass es anders gekommen ist.“ Deshalb riss der Strom von Besuchern auch nie ab. Im gesamten Dorf herrschte Parkplatznotstand. In langen Schlangen ging es teilweise nur im Entenmarsch an den Ständen vorbei. Kein Wunder, schließlich ist das Ambiente zwischen den historischen Gebäuden einmalig.
Nicht nur das. Auch die Menschen, die den Weihnachtsmarkt gestalten, sind eine Klasse für sich. Die Keramik, die Karin Steuber seit fast 30 Jahren auf ihrer Töpferscheibe zaubert, hat fast jeder Heerener in seinen Schränken stehen. „Mit Ton arbeiten kann zur Sucht werden“, sagt sie, die 1983 vom Tonvirus infiziert wurde, 1985 das erste Mal auf der Tonscheibe drehte und 1987 mit der Keramikmalerei begann. Ihre Kannen, Töpfe, Schüsseln, Tassen und Schalen sind kleine Kunstwerke. Bienen, Vögel, Blumen, Hummeln: Das alles entsteht in ihrer eigenen Werkstatt.
Von Wildschweinen bis zur Popcorn-Maschine
Einen eigenen Arbeitsbereich hat sich auch Peter Beck zugelegt. Eigentlich ist der Südkamener gelernter Orthopädietechniker. „Jetzt arbeite ich in einem Bereich, in dem weniger Handwerk gefragt ist – das hole ich mir jetzt in meinem Hobby.“ Aus dem Holz, dass er im gepachteten eigenen Jagdrevier im Sauerland zuhauf findet, schafft er alles, was mit Weihnachten und darüber hinaus zu tun hat. Die Jagd inspiriert ihn zu humorvollen Nachbildungen von Wildschweinen, die zusammen mit Holzkrippen und Schlüsselanhängern aus Reh-Geweihen eine interessante Symbiose eingehen. Er war am Samstag zum ersten Mal mit einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt vertreten und war schlicht erschlagen vom Andrang.
Schmetterlinge aus Tiffany, selbstgestrickte Mützen, Bücher, der Weihnachtsschmuck aus dem gerade aufgelösten Fachgeschäft: Hier gab es viel zu entdecken. Zum historischen Charme kommt ein ganz anderer Reiz hinzu: Hier ist fast alles selbstgemacht an den Ständen der Chöre, der Rotarier und der Hobbybastler. Popcorn ploppt geräuschvoll in einer Maschine, aus dem Waffeleisen riecht es verführerisch, die Glühweinkessel laufen mit Hochleistung. Mitten drin der Gesang der Chöre, von talentierten Sängerinnen aus der Musikschule und die Bescherung durch den Weihnachtsmann.
Wer noch Platz zum Umdrehen hatte, der entdeckte die versteckten Schönheiten. Uralte Lampen, die blaue Stunde über Schloss und Gräfte, das strahlende Kirchenfenster auf dem Heimweg. Einmal mehr ein ganz besonderes Erlebnis, das aus dem weihnachtlichen Stress wohltuend hervorsticht. Schade, dass der nächtliche Sturm den Standbesitzern am nächsten Morgen eine Überraschung bescherte, denn fast kein Zelt stand noch aufrecht. Dafür dürfen sich die Heerener Chöre sowie Kinder- und Jugendprojekte freuen: Die Erlöse kommen ihnen zugute.