Wie kann Sozialbetrug verhindert werden? Mit dieser Frage beschäftigten sich Ende letzter Woche im Haus Opherdicke in Holzwickede auf Einladung des Jobcenters Kreis Unna Verantwortliche aus den regionalen Verwaltungen, Familienkasse, AOK, Hauptzollamt, Ausländer- sowie Polizeibehörde.
Die starke Präsenz der rund zwanzig Akteure beim ersten regionalen Netzwerktreffen dieser Art zeigt die Aktualität des Themas, denn für alle Beteiligten stellt der Zuzug von EU-Bürgern aus Osteuropa seit einigen Jahren eine Herausforderung dar. Christian Scholz, stellvertretender Geschäftsführer des Jobcenters Kreis Unna brachte es auf den Punkt: „Hier geht es um ein wichtiges Thema, das uns noch viele Jahre begleiten wird. Uns geht es vorrangig nicht darum, die Einreise von EU-Bürgern aus Osteuropa in Frage zu stellen. Aber in den vergangenen Jahren manifestierte sich immer mehr der Eindruck, dass die Einreise durch kriminelle Drahtzieher im Hintergrund gesteuert wird. Leider traten seitdem gehäuft Fälle in Erscheinung, die diesen Eindruck bestätigten.“
Seit Anfang Dezember 2017 leiten nun Jobcenter-Bereichsleiterin Anke Ulmer und ihr Teamleiter-Kollege Stefan Freudhofen ein entsprechendes Projekt zur Vermeidung und Reduzierung von Sozialbetrug im Jobcenter Kreis Unna. Stefan Freudhofen beschreibt die Hintergründe: „Die wirtschaftliche Not in den Herkunftsländern führt dazu, dass viele Menschen ihre Heimat verlassen. Sie kommen oftmals unter Vortäuschung falscher Tatsachen nach Deutschland, beantragen mit Hilfe von fadenscheinigen Unterstützern Sozialleistungen und werden im schlimmsten Fall als billige Arbeitskräfte ausgenutzt. Hier müssen wir durch eine enge Kooperation mit anderen betroffenen Institutionen Wege finden, um diesen organisierten kriminellen Banden, die Menschenhandel betreiben, das Handwerk zu legen.“
Der Austausch mit den Anwesenden beim Netzwerktreffen zeigte, dass die Handlungsoptionen höchst unterschiedlich sind. Daher vereinbarten alle eine engere Vernetzung untereinander, um im Verdachtsfall schnell reagieren zu können. Regelmäßige Netzwerktreffen mit Vertretern der jeweiligen operativen Bereiche werden daher ab Anfang des kommenden Jahres im sechs- bis achtwöchigen Rhythmus stattfinden. Beim nächsten Treffen wird es hauptsächlich um Fragen der datenschutzrechtlichen Möglichkeiten im Rahmen eines konformen Informationsaustauschs zwischen den Netzwerkpartnern gehen.
Hintergrund
Überregionale polizeiliche Ermittlungen haben das Problem schon seit geraumer Zeit erkannt und gehen gezielt gegen diese Art von Kriminalität vor. Seit einigen Jahren steigt die Anzahl der zugezogenen osteuropäischen EU-Bürger, die sich schon bei Antragstellung im Jobcenter in einem aufstockenden Leistungsbezug befinden (geringfügige oder unwirtschaftliche Beschäftigung). Weitere unten beschriebene Fallkonstellationen fielen im Jobcenter Kreis Unna besonders auf und waren der Auslöser für das seit Anfang Dezember laufende Projekt:
Der vorsprechende osteuropäische EU-Bürger legt:
- trotz fehlender Sprachkenntnisse sehr gut ausgefüllte Leistungsanträge bei Vorsprache in Behörde vor,
- falsche oder veränderte echte Ausweisdokumente vor, lebt tatsächlich im Ausland und reist nur für die Vorsprache bei der Behörde an,
- einen Scheinarbeitsvertrag ohne zugrundeliegendes Arbeitsverhältnis vor oder die im Arbeitsvertrag angegebene Vergütung, Arbeitszeit/-bedingungen entsprechen nicht dem tatsächlichen Arbeitsverhältnis.
Weitere Auffälligkeiten
Organisierte Tätergruppen treten in der Rolle des Arbeitgebers und/oder Vermieters des vorsprechenden EU-Bürgers auf.
Arbeitgeber/Vermieter profitieren von (rechtswidrigen) Zahlungen für verwahrloste Immobilien (teilweise mehrfache Vermietung derselben Wohnung).
Arbeitgeber/Vermieter zahlen dem leistungsberechtigten EU-Bürger die ihnen vertraglich geschuldeten Leistungen nicht oder nicht vollständig aus.