Praktikum im Seniorenzentrum: „Es ist zu wenig Zeit für die gute Betreuung und Pflege da“

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Schon mehrfach besuchte die SPD-Landtagsabgeordnete Silvia Gosewinkel das Hermann-Görlitz-Seniorenzentrum der AWO. Dabei ist in ihr der Wunsch gewachsen, einen tieferen Einblick in die Altenpflege und die Arbeit der Einrichtung zu nehmen. In der vergangenen Woche war es so weit. Angeleitet von der Pflegefachkraft Marion Lonke lernte Gosewinkel von der Übergabe von der Nachtschicht auf den Frühdienst bis zur Übergabe vom Spätdienst an die Nachtschicht am nächsten Tag alle anfallenden Aufgaben im Wohnbereich 2 mit 27 Bewohnerinnen und Bewohnern kennen. „Es ist unglaublich, mit wie viel Wissen über den Einzelnen und einem großen Einfühlungs-vermögen Frau Lonke auf jede Bewohnerin individuell eingeht. Trotz der vielen Anforderungen und Aufgaben gibt sie durch ihre ruhige Herangehensweise, ihre hilfsbereite Zuwendung jedem Bewohner mit freundlichen Worten, kleinen Gesten und Berührungen die erforderliche Aufmerksamkeit“, schildert die Abgeordnete ihre Eindrücke.

Beeindruckend fand sie auch den Umgang der Bewohner*innen mit ihrer gesundheitlichen Situation. „Mit Geduld und Gleichmut werden körperliche Einschränkungen ertragen und die meisten können sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. Sie schwelgen in Erinnerungen, erzählen gerne von früher, bekommen leuchtende Augen, wenn sie von ihren Kindern erzählen und freuen sich auf die bevorstehenden Veranstaltungen im Heim“, stellt Silvia Gosewinkel fest. Alle berichten, dass es schwer war, ihr Zuhause aufzugeben und sich von vielen liebgewonnenen Dingen zu trennen. Doch mit der Zeit erkennen viele, dass es Zuhause einfach nicht mehr gegangen wäre.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Silvia Gosewinkel absolvierte ein viertägiges Praktikum im Seniorenheim. Foto: AWO

„Wir kennen diese Zeit der tiefen Traurigkeit und begleiten unsere Bewohner*innen in der Anfangsphase sehr intensiv und motivieren sie, sich auf ihre neuen Nachbarn einzulassen und an unseren Veranstaltungen teilzunehmen“, erklärt Einrichtungsleiter Ludger Moor diese Phase. „Die meisten schaffen es jedoch sehr schnell, die neuen Möglichkeiten auch als Chance für sich zu begreifen. Besonders die Menschen, die auf Grund ihrer körperlichen Einschränkungen viele Jahre, ja viele Jahrzehnte kaum noch aus der Wohnung im 2 oder 3 Stock herausgekommen sind, blühen wieder auf und gewinnen Spaß am Leben.“

Vier Tage mit vielen persönlichen Kontakten aber auch Gesprächen mit den wichtigen Gruppen im Haus mit Bewohnerkaffeetrinken, Angehörigengespräch, Betriebsrat, Leitungsteam und den Mitgliedern des Bergkamener Netzwerkes Demenz haben den Blick bei der SPD-Abgeordneten für die Altenpflege geschärft.

Angeleitet von der Pflegefachkraft Marion Lonke lernte Gosewinkel alle anfallenden Aufgaben kennen. Foto: AWO

Doch was nimmt Silvia Gosewinkel konkret mit nach Düsseldorf? „Wenn man mit Menschen arbeitet, dann gehört da Motivation und Liebe zum Menschen zu“, sagt sie. „Ich habe in der kurzen Zeit viele engagierte Pflegerinnen kennengelernt. Es war für mich wichtig, den Spagat zwischen guter Pflege der Bewohner und den wirtschaftlichen Anforderungen eines Seniorenzentrums zu erfahren. Durch den Austausch mit den Mitarbeitern, den Bewohnern selbst oder deren Angehörigen und dem Betriebsrat hat sich ein Eindruck bei mir vervollständigt: Es ist zu wenig Zeit für die gute Betreuung und Pflege da, wie sie die Mitarbeiterinnen gelernt und sich für ihre Bewohnerinnen wünschen. Pflege kann nicht getaktet und auf Knopfdruck geplant werden. Mein Respekt gilt allen, die zur Zeit in der Altenpflege arbeiten und nach wie vor Motivation ausstrahlen – genau das habe ich in meinem Praktikum erlebt.“

Genau das sei die Herausforderung: den Bewohner in den Mittelpunkt zu stellen. Um neben Fachkräftemangel und Finanzierungsherausforderungen die Wertschätzung zu erhalten, seit Politik verantwortlich, zukünftige Weichen zu stellen, so Gosewinkle. Es müssten mehr Stellen geschaffen und finanziert werden, die Ausbildung der Altenpflege müsse aufgewertet werden, die Arbeitsbedingungen seien z.B. durch Entbürokratisierung, Erleichterungen in der Dokumentation und mehr Mut zum Pragmatismus so zu verbessern, dass alle Mitarbeiterinnen lange gesund und mit Freude im Beruf bleiben könnten.