Sich schon mehr als 30 Tage vorher eine ordentliche Weihnachtspackung abholen, kann funktionieren. Vor allem, wenn so viele Überraschungen drinstecken wie an diesem Comedy-Abend mit Lars Redlich. Allein die Parkplatzsuche war bei ungeplant verschlossenen Schranken ein kabarettistisches Erlebnis für sich. Dann hatte sich auch noch die Brandschutzwand im studio theater unwiederbringlich direkt vor dem Bühnenrand herabgesenkt. Statt Vorhängen gab es also auf einen schmalen Bühnenstreifen komprimierte Weihnachtsaction vom Feinsten – direkt zum Anfassen.
Denn die Bewegungsfreiheit ließ sich das hyperaktive Multitalent der Nachwuchs-Comedy-Szene nicht nehmen. Da sprang er mit seinem musikalischen Partner eben auch spontan ins Publikum hinein, rannte durch das gesamte Theater zur Bühne oder zog eine kleine Weihnachtsprozession vor der ersten Reihe durch. Der Flügel wurde irgendwie auf die Mikro-Bühnen-Spalte gequetscht. Da passten auch noch ein Weihnachtsbaum und unzählige Instrumente drauf. Drehen und wenden konnte sich da eigentlich niemand mehr so richtig. Nicht aber der Gast aus Berlin. Er zwängte sich an allen Unwegbarkeiten vorbei und lieferte ab – vom Feinsten.
Wie viele Varianten es vom inzwischen arg überstrapazierten „Last Christmas“-Hit von Wham! gibt, hätte sich vor diesem Abend wohl niemand träumen lassen. Von der Opern-Version in Mozart-Manier ging es frech in die Rap-Version über, und auch das bayerische Pendant durfte nicht fehlen. Das bildete aber nur den Rahmen für ein Musik-Comedy-Programm, das wohltuend frei von allen Tagesaktualitäten war. Mit Zuckerstange am Piano schraubte sich Lars Redlich problemlos in die Mariah Carey-Höhe, um nahtlos das Publikum in seinen Weihnachtschor beim Weihnachtslied-Level-Contest zu verwandeln. Die Bergkamener bestanden auch diese Lernpädagogik-Einheit, nahmen dankbar „Schweinkram“ in Strapsen in Empfang und ließen sich vom Wunschzettel-Song inspirieren.
Bergkamen Philharmonie und Blockflötenkonzert
Den größten Spaß hatten die Gäste aber als Bergkamen-Hintergrund-Philharmonie einer mehr als abstrakten Schlager-Umwandlung. Loriot wurde rezitiert, dann mussten das Publikum wieder als Dirty-Dancing-Chor ran. Menschenverachtende Tinnitus-Blockflötenkonzerte durfte ebenso wenig fehlen wie der knapp verpasste Klezmer-Rekord mit der Klarinette. Vivaldi vierhändig am Piano und Blockflöten-Melodica-Einzug in direkter Folge: Für Lars Redlich und seinen Partner Bijan Azadian kein Problem.
Das Christmas-Feuerwerk ging unaufhaltsam weiter – mit dem Traum des Schneemanns vom Sommer und der Wahrheit über die unverkauften Schoko-Nikoläuse, auferstanden als verzartbitterte Osterhasen. Das Lukas-Evangelium gab es auf berlinerisch und auf den Influencer-Jesus mit seinen zwölf Followern folgte ein ernsthaft beeindruckendes Ave Maria mit einem ernstgemeinten John-Lennon-Appell zum Abschluss. Mit Leonhard Cohen verabschiedete sich das erstklassige Duo in einem Halleluja-Lichtermeer und in eine endlose Zugabenrunde. So macht Weihnachten richtig Spaß!