von Andreas Milk
Der Mann, der wohl sehr viel dringender auf die Anklagebank gehört hätte, fehlte: ein Vermögensberater, der dem gelernten Bergkamener Garten- und Landschaftsbauer Ramazan M. (45, Name geändert) eine Unfallversicherung vermittelt hatte – und zwar nach (!) einem schweren Unfall. Nun saß Ramazan M. allein da; der Versicherungsmakler hatte die Ladung des Amtsgerichts Kamen ignoriert.
Anfang Januar 2020 stürzte Ramazan M. beim Säubern einer Dachrinne ab. Er erlitt üble Verletzungen, hat eine Vielzahl von Krankenhausaufenthalten, Operationen und Therapien hinter sich. Im Krankenzimmer unterschrieb er am 12. Januar 2020 den Versicherungsantrag. Da war der Unfall schon rund eine Woche her. Der Antrag trug das Datum: 1. Januar.
Dass das Formular in der EDV der Versicherung erst am 12. Januar erzeugt wurde, steht fest. Es lässt sich laut Angabe eines Mitarbeiters aus der IT-Abteilung klar belegen. Eine weitere Merkwürdigkeit: Eingereicht wurde der Schaden – also der Absturz am Dach – erst im Spätsommer 2020, etwa acht Monate danach. 23.360 Euro wurden ausgezahlt.
Nach umfangreicher Beweisaufnahme deutet sich an, dass ein dubioser Versicherungsmakler ein krummes Ding abgezogen hat. Ramazan M. versicherte glaubhaft, er habe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht viel von der Welt mitbekommen: Starke Schmerzen, starke Schmerzmittel inklusive Morphin, da könne es gut sein, dass er etwas unterschrieben habe, ohne zu begreifen, was. Und seine Frau, die damals mit dem Makler in Kontakt stand, spricht kein Deutsch. Drum war sie auch kaum in der Lage zu verstehen, was Gegenstand des Versicherungsvertrags gewesen sein könnte. Der Makler kassierte von ihr laut Ramazan M. 3.500 Euro Gebühr.
Von den erhaltenen 23.360 Euro zahlte das Ehepaar M. schon rund die Hälfte zurück, der Rest wird in Monatsraten abgestottert. Im April gibt es nun einen neuen Gerichtstermin. Bis dahin soll die Polizei einen WhatsApp-Chatverlauf zwischen Ramazan M. und dem Makler gesichert haben. Und besagter Makler soll als Mitangeklagter neben M. Platz nehmen: Der Richter lässt ihn polizeilich vorführen.
Was ist es denn nun? Ist es ein Vermögensberater – diesen Begriff gibt es eigentlich nur bei den Strukkies der DVAG – oder ist es ein zugelassener Makler? Leider wirft die Presse diese Begriffe gern einmal durcheinander was dazu führt, dass alle Vermittler in einen Topf geworfen werden. Aber was tut man nicht alles, um die Branche zu diskreditieren 😉 Also Herr Andreas Milk – seriöse Berichterstattung hat auch etwas mit ordentlicher Recherche zu tun!