Starke Übergewichtigkeit verkürzt statistisch die Lebenserwartung eines Mannes um zwölf, die einer Frau um neun Jahre – schockierende Erkenntnisse und Daten aus aktuellen Studien präsentierte Dr. Andreas Ludwig, Chefarzt im Hellmig-Krankenhaus und leitender Arzt des Adipositaszentrums Westfalen im Rahmen der Pulsschlag-Reihe. Im Vortragsraum des Kamener Krankenhauses klärte er Zuhörer aber auch darüber auf, was man tun kann gegen Adipositas.
Die Chirurgie sei da stets erst der allerletzte Schritt, betonte Ludwig. Vorher gebe es andere Therapien, die auch von Krankenkassen vorausgesetzt werden, bevor überhaupt an eine operative Lösung gedacht werden kann. Das Problem der Übergewichtigkeit sei international auf dem Vormarsch, so Dr. Ludwig. Die deutschen Männer bewegen sich auf der internationalen Skala im Mittelfeld, die Frauen sogar darunter. Dennoch gebe es in Deutschland etwa neun Millionen Menschen mit Übergewicht oder Adipositas. Ihnen drohen vielfältige Gesundheitsgefahren. Unter anderem ist nach umfassenden aktuellen Studien das Krebsrisiko bei deutlichem Übergewicht stark erhöht.
Der Körpermasseindex BMI gibt Aufschluss darüber, wo man sich einordnen muss in der Gruppe der Übergewichtigen oder der nach Schweregraden unterteilten Gruppe der Adipösen. Dr. Ludwig stellt klar: „Die Ursachen für Übergewicht sind hoch komplex.“ Sozialer Stress, das Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft, Schlafverhalten, Inaktivität und Ernährungsgewohnheiten können dabei eine Rolle spielen. Viele Betroffene seien „Abnehmweltmeister“, die es aber einfach nicht schaffen, eine einmal erkämpfte Gewichtsreduzierung auch zu halten. Ganz neue Studien zeigen auf, dass die Darmflora starken Einfluss auf das Gewicht habe.
In der Adipositassprechstunde am Hellmig-Krankenhaus werde deshalb auch erst einmal vielfältigen Fragen nachgegangen. Empfohlen werde meist eine multimodale Therapie, die Ernährungs- und Bewegungstherapie umfasse und auch eine Verhaltenstherapie einschließen kann. Sie wird in der Regel zu wesentlichen Teilen von den Krankenkassen bezahlt.
Das Problem: Dauerhaft schaffen nur weniger als 5 Prozent der Betroffenen eine erhebliche Gewichtsminderung. Als letztes Mittel bleibe dann oft eine mit chirurgischen Eingriffen verbundenen Therapie oder als zeitlich befristete Maßnahme ein Magenballon. In Deutschland verbreitet sind das Setzen eines Magenbandes, eine Schlauchmagenoperation oder ein spezieller Bypass. Wie bei jeder Operation gebe es dabei Risiken aber auch gute Erfolgsaussichten, so Dr. Ludwig. Welcher Eingriff der richtige sei, müsse individuell geprüft werden. Auch eine Gewichtsreduktion durch einen chirurgischen Eingriff müsse zudem begleitet werden von anderen Therapien.
Im Anschluss an seinen Vortrag stellte sich Dr. Ludwig einer Vielzahl von Fragen der Zuhörer, die der Einladung von VHS und Klinikum Westfalen gefolgt waren. Er ermutigte dazu, bei Bedarf professionelle Hilfe anzunehmen um Neben- und Folgeerkrankungen von Übergewicht rechtzeitig entgegenzutreten.