Angstattacken und Schlafstörungen durch Erschütterungen: Was kostet das dem Bergbau?

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Viele Rünthe Bürger haben sich in den Jahren 2004 bis 2010 immer wieder über die Erschütterungen beschwert, die vom Kohleabbau unter Tage ausgingen. Jetzt klagt ein Anlieger und Hauseigentümer an der Taubenstraße gegen die RAG vor dem Amtsgericht Kamen. Er fordert vom Bergbau rund 2700 Euro an Schadensersatz.

Einfach nur idyllisch: die Taubenstraße in Rünthe
Einfach nur idyllisch: die Taubenstraße in Rünthe

Nach dem ersten Termin am Montagmorgen mit Richterin Marie Rocznik sowie Rechtanwalt Michael Neupert und einem Vertreter der RAG ist klar: Der Kläger und seine Rechtsanwältin Ina Lompa werden es nicht so einfach haben, ihre Ansprüche durchzusetzen. Denn Erschütterungen müssen Menschen nach bisheriger Rechtsprechung als gegeben hinnehmen, die in einer Bergbauregion wohnen. Chancen auf einen Schadensersatz bestehen nur dann, wenn die Erschütterungen in unzumutbarer Weise über das gewohnte Maß hinausgehen.

Deshalb fordert der Anlieger der Anlieger nicht für alle Erdstöße Geld als Ausgleich, sondern beschränkt sich auf die besonders heftigen Bewegungen des Hauses. Wann es richtig gerappelt hatte und in welcher Intensität, so dass das Geschirr in den Schränken klapperte, hatte eine Messstelle an Taubenstraße genau festgehalten.

Für Erschütterungen gibt es auch eine DIN-Norm

Doch das allein reicht vor Gericht nicht aus. Es muss auch festgestellt werden, ob es sich hierbei tatsächlich um eine unzumutbare Belastung handelt. Dazu gibt es natürlich eine DIN-Norm, die aufgeschlüsselt nach der Ausweisung des Bereichs im Flächennutzungsplan die Grenzwerte festsetzt. Die Grenze, wann es nach DIN unzumutbar wird, liegt zum Beispiel in einem Mischgebiet höher als in einem reinen Wohngebiet. Den Begriff „Bergarbeitersiedlung“, den  Rechtsanwältin Ina Lompa verwendet, reicht Richterin Marie Rucznik nicht aus, weil er in der DIN-Tabelle nicht vorkommt.

Die Richterin möchte außerdem in einem Schriftsatz aufgeschrieben haben, welchen psychischen Belastungen in einem konkreten Fall der Anlieger der Rünther Taubenstraße ausgesetzt war.

Erst wenn dies vorliegt, will sie über die Einsetzung eines Gutachters entscheiden. Zudem benötigt sie noch genaue Angaben über die Wohnfläche des Hauses. Ihr Anliegen ist es offensichtlich, eine spätere Entscheidung sattelfest zu machen.

Rechtsanwältin Ina Lompa stützt sich in ihrem Schriftsatz auf ein ähnlich gelagertes Verfahren im Saarland, das, nachdem die Bergbaubetroffenen ihre Klage zurückgezogen hatten, in einem Vergleich endete. Das hätte sie vielleicht nicht tun sollen. Michael Neupert, der bei diesem Verfahren die RAG ebenfalls als Anwalt vertreten hatte, erklärte am Montag, dass die Erschütterungen, denen die Saarländer ausgesetzt waren, wesentlich höher gewesen seien als in Rünthe. Zudem hätten die höchsten gezahlten Entschädigungen gerade die Hälfte der Summe erreicht, die der Anlieger der Taubenstraße verlangt.

Ein andere Unterschied zu dem Verfahren im Saarland ist der, dass jetzt in Kamen nur eine Einzelperson klagt. Sollte sie aber erfolgreich sein, ist es gut möglich, dass das Amtsgericht noch mehr Arbeit in Sachen Bergbau bedingter Erschütterungen bekommen wird. Der nur etwas mehr als halbstündigen ersten Verhandlungen folgten sehr aufmerksam eine Reihe von Rünther Bürgerinnen und Bürgern. Die meisten sind Mitglieder des streitbaren Aktionskreises „Wohnen und Leben Bergkamen“.