Wer will schon bei dieser Hitze ein Museum besuchen? Diese bange Frage stellten sich alle, die an der Ausstellung „Aleppo Bergkamen – Unterwegs von A nach B“ mitgewirkt hatten. Sie wurde am Freitagabend in der städt. Galerie „sohle 1“ durch Bürgermeister Roland Schäfer eröffnet.
Die Sorge, die Außentemperatur von 36 Grad und mehr, könnte sich negativ auf den Besuch der Eröffnungsveranstaltung auswirken, stellte sich als unbegründet heraus. Die Bilder von den kriegerischen Auseinandersetzungen um die Oberhoheit über die syrische, Jahrtausende alte Kulturmetropole Aleppo beherrschen zurzeit die Nachrichten der Fernsehsender. Sie haben das Interesse an dieser bemerkenswerten Kunstausstellung mit Arbeiten des Künstlers Houssam Ayoub aus Aleppo, der Künstlerin Rita Viehoff und des Holzbildhauers Holger Hülsmeyer zusätzlich geweckt.
Größter Teil der syrischen Flüchtlinge will zurück in die Heimat
Fast 600 Flüchtlinge leben zurzeit in Bergkamen und werden durch Mitarbeiter des Sozialamts betreut. Die größte Gruppe stammt aus Syrien. „Die meisten wollen nach dem Ende des Kriegs in ihre Heimat zurückkehren“, berichtete Bürgermeister Roland Schäfer in seiner Begrüßungsrede. Nach der Auflösung der Landeseinrichtung am Wellenbad rechnet er damit, dass ab der Jahreswende weitere 220 Flüchtlinge aufgenommen werden.
In einer Gesprächsrunde mit der Journalistin Claudia Berlemann erklärten die Künstler die Motive für ihre Kunstwerke, die bis zum 7. Oktober in der „sohle 1“ zu sehen sind. Übereinstimmend betonten sie, dass die beiden Workshops am Donnertag und Freitag im Kaufland-Leerstand mit Schulklassen, in den auch Flüchtlingskinder unterrichtet werden, ihnen sehr viel Spaß gemacht haben. Einige der in den Workshops entstandenen gemalten „Selfies“ wurden in der „sohle 1“ in natura gezeigt. Dazu gab es eine Beamer-Präsentation über diese Workshops. Die syrische Fotografin Roshan Chehadeh, die auch als Flüchtling in Bergkamen lebt, hatte diese Kunstaktion dokumentiert.
Houssam Ayoub
Bei dieser Vernissage spielt die Gruppe „Akustik“ traditionelle und moderne orientalische Musik. In der Pause konnten die Ausstellungsbesucher traditionelles syrisches Gebäck und Torten probieren, die Houssam Ayoub vorher gebacken hatte. Houssam Ayoub floh zusammen mit seiner achtjährigen Tochter Lin und seiner Mutter aus Aleppo. Sie nahmen den lebensgefährlichen Weg über das Mittel und über die Balkanroute. Seit elf Monaten lebt er in Bergkamen.
Mitarbeiter des Bergkamener Sozialamts entdeckten seine künstlerischen Fähigkeiten. Er hatte in Aleppo nicht nur Informatik, sondern anschließend Grafikdesign an der Universität studiert. Dass Sozialamt nahm Kontakt auf zu Kulturdezernentin Simone Schmidt-Apel. Daraus entstand die Idee zu dieser besonderen Gemeinschaftsausstellung mit der Künstlerin Rita Viehoff und dem Bildhauer Holger Hülsmeyer. In seinen Bildern verarbeitet er die Schrecken des Krieges und die der Flucht über viele tausend Kilometer. Doch zur Ruhe kommt er nicht: Er musste seine Frau und seine beiden anderen fünf- und zehnjährigen Kinder zurücklassen. Nach der Verschärfung der Flüchtlingsgesetze durch die Bundesregierung sieht er die Hoffnungen schwinden, das sie bald nachfolgen könnten. Die Sehnsucht nach ihnen wird auch nicht durch die täglichen Telefonanrufe gestillt.
Rita Viehoff
Mit dem Flüchtlingselend und dem Massensterben auf dem Mittelmeer wurde Rita Viehoff vor zwei Jahren während eines Marokko-Aufenthalts konfrontiert. Sie sah dort, wie Tausende von Flüchtlingen die Zäune der spanischen Enklaven in diesem nordafrikanischen Land belagerten. Oft vergeblich versuchten sie diese Absperrungen als ersten Schritt zum rettenden Europa zu überwinden. Was bleibt, ist der gefährliche Weg übers Mittelmeer. Unzählige kamen während der Überfahrt um. An sie, die vielen namenlosen Fluchtopfer, will sie mit ihren Arbeiten, die in der Galerie „sohle 1“, uns erinnern.
Holger Hülsmeyer
Die Holzskulpturen von Holger Hülsmeyer sind nicht extra für diese Ausstellung entstanden. Der Künstler arbeitet mit der eher grobschlächtig anmutenden Kettensäge seine Figuren aus den Holzstämmen. Auch sie zeigen Not und Elend, aber auch, dass Menschen in solchen Situationen eine Würde haben.