von Andreas Milk
Knapp fasste der Kamener Jugendrichter ein wichtiges Ergebnis der Beweisaufnahme zusammen: „Sie waren hackenstramm.“ Vor ihm saß als Angeklagter der 20-jährige Bergkamener Marvin G. (alle Namen geändert). Bei dem gelernten Elektriker brannten am 26. Februar 2023 sozusagen die Sicherungen durch.
Er attackierte ausgerechnet seinen Kumpel Tobias T., mit dem er vorher ausgiebig getrunken hatte: Nach dem gemeinsamen Kneipenbesuch gab es eine Keilerei auf der Oberadener Jahnstraße. Marvin G. schlug und trat auf Tobias T. ein. T. erlitt unter anderem zwei Fingerbrüche, einen Biss in den Oberschenkel, wurde am Ende bewusstlos. Es war noch ein dritter junger Mann dabei. Er wollte schlichten, scheiterte aber und rief die Polizei. Ein Autofahrer auf dem nächtlichen Heimweg nach Lünen hielt an, stieg zusammen mit einem Beifahrer aus, wollte sich Marvin G. vornehmen. Aber G. war nicht zu stoppen. Er biss dem Mann in den Finger, schlug ihm gegen den Kopf, demolierte anschließend dessen Auto – Sachschaden: rund 8.000 Euro. Kurz danach, erzählte der Mann, „fing er an zu weinen“.
Marvin G. – nüchtern – wirkt ganz und gar nicht wie einer, vor dem jemand Angst haben müsste. Eine Erinnerung an das Geschehen in Oberaden habe er nicht, sagt er. Eine Blutprobe zwei Stunden nach dem Ausraster ergab 1,68 Promille. Bier und Schnaps habe er intus gehabt, erklärte er. Der Hauptgeschädigte Tobias T. war nicht beim Prozess: Er ist derzeit bei der Bundeswehr unabkömmlich. Der Richter merkte an, mit ein bisschen Pech hätten ihn die Ereignisse vor knapp einem Jahr auch in den Rollstuhl bringen können.
Marvin G. versicherte, er sei bei der Suchtberatung gewesen. Seinen Alkoholkonsum habe er reduziert. Dringender Rat vom Richter: die Schnäpse weglassen! Ein Urteil gab es natürlich auch: 80 Stunden Freizeitarbeit wegen fahrlässigen Vollrausches. Dieser Straftatbestand schließt eine zumindest teilweise Schuldunfähigkeit ein. Alternative wäre eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gewesen. Marvin G. muss außerdem an einem Präventionskurs gegen Gewalt teilnehmen. Kommt er dem nicht nach, droht Arrest.