Italien hat nicht nur geologische Vulkane. Es gibt auch kabarettistische, die mit einer Prise Ruhrgebiet mindestens genauso gefährlich werden, wenn sie auf die Bühne kommen. Am Freitag brodelte es im studio theater nicht nur. Die Lachsalven explodierten. Dabei stand dort nur eine kleine Frau mit Haarnetz, Friedhofsoutfit und Akkordeon „Allein unter Geiern“.
Von „La Signora“ hatten wohl die wenigsten vorher gehört. Das war ein Fehler. Denn den meisten, die sich im inzidenzerweiterten Abstand unerschrocken in die „Spuckgrenze“ begaben, sollte Hören und Sehen vergehen. Die Signora stand nur ganz kurz still und sinnierte über Nacktschnecken für Professionelle. Umgehend fiel sie über die ersten Reihen her und sezierte die „gebrauchten Paare“ inklusive Bürgermeister A. D. Mit den „Irren“ von der Insel ging es zweisprachig-kreativ durch den Hit-Shanty. Schon wuchsen ihr schlaffe Winkeflügel beim wilden Vogeltanz und im Zeitraffer jagten alle zusammen johlend durch den „Straßenstrich der Nation“ mit lustigem Werbelieder-Raten.
Da konnte sich jeder gut vorstellen, dass sich der Gasometer dereinst ehrfurchtsvoll nach Pisa verneigen wird. Wer sich derart intensiv mit neapolitanischen Wurzeln der Mundorgel hingeben kann und das Publikum geschlossen zu euphorischen „Falleris“ und „Falleras“ treibt, hat genau das verdient. Da wird selbst der atemlose Ritt durch die deutsche Schlagerlandschaft zu Kultur. Und weltweite Hits offenbaren Ungeahntes „Unter nem Cordrock“. Alle machten begeistert mit, denn das befreite Lachen war schlichtweg lang vermisst und heiß ersehnt.
Es hätte ein harmloser Schenkelklopferabend bleiben können, wenn da nicht auch die nachdenklichen Momente gewesen wären. Ticitoc für einsame Social-Seelen war ein kleiner Vorgeschmack auf das Projekt Corona, das die Signora lieber vorher mal kurz ausprobiert hätte, um es sofort abzusagen. Kurz war das Publikum mutterseelenallein mit der Frau, „die nicht nur Gehirn und Besserwisserei“ zu bieten hat, sondern auch reichlich „Stauraum für Enttäuschungen“. Wenn sie von Always Ultra zu Always Uralt mutierte, die Natur Inventur machte und die „Kacheln meines Erfolgs“ in den Ritzen auf dem Damenklo verborgen lagen.
„Ich bin keine Lady, ich nur eine Frau“, charmierte sie hingebungsvoll und setzte zum nächsten Tanz mit bewunderungswürdiger Beweglichkeit an. Nicht ohne noch eine gehörige Portion Misstrauen unter den Paaren in der Spuckgrenze zu verbreiten, über die sie nach gut zwei Stunden vom Flirtverhalten unter Weineinfluss und 42 Ehejahren inklusive Unterwasserradeln einfach alles wusste.
Die Bergkamener hätten gern noch mehr als nur eine Zugabe gehabt. „Das war wirklich eine Überraschung“, meinte der eine oder andere heiser vom Lachen und fehlenden Pausentrunk am Ausgang. Dort standen viele noch lange an, um sich hinter dem Spuckschutz das versprochene Foto von der Signora inklusive Autogramm abzuholen. Beim nächsten Mal gibt es dann hoffentlich wieder eine offene Mensa und Getränke zur Erholung. Am 1.10. kommt „Longjohn“ und schafft ausgleichenden Gerechtigkeit für die Männer.