Er schlägt mit solcher Wucht zu, dass es laut durch den Wald knallt. Die Kinder auf dem Spielplatz nebenan hören alle gleichzeitig auf zu spielen und drehen die Köpfe zum Römerpark. „Guck doch mal, was der da macht“, rufen einige und laufen mit noch mehr Neugierigen durch das Tor. Das haben die meisten von ihnen noch nie gesehen. Einen bärenstarken Mann in Lederschuhen und Leinenhosen, der einen ganzen Baumklotz mit einem Beil in die Luft wuchtet.
Was Steven Mizushima dort am Osterwochenende hinter der Holz-Erde-Mauer trieb, war keine Show. Holzklötze zerteilen, aus Scheiten mit dem Schindeleisen hauchdünne Scheiben schälen, das Ganze auf der Ziehbank hobeln: Schindeln entstanden hier. Tausende. 4.000 Schindeln genau braucht es, um die Behausung für die Handwerker, die kontinuierlich am Wachstum der römischen Lagerbefestigung bauen, wetterfest zu machen. Ganz so wie vor mehr als 2.000 Jahren.
Anhaltspunkte dafür liefert die Erde, auf der sich allein am Ostersonntag fast 200 Besucher das uralte Handwerk anschauten. Auch Holzschindeln aus der Zeit der römischen Besatzung haben die Archäologen hier gefunden. Ebenso Werkzeuge. Steven Mizushima weiß aber auch aus anderen Gründen ganz genau, was er tut. Er ist gelernter Forstwirt und kennt die Bäume mit ihrem Holz in- und auswendig. Wie hölzerne Dachschindeln gemacht werden, dass hat er von Meistern ihres Fachs in Norddeutschland gelernt. Dort gibt es noch einige wenige Vertreter der längst ausgestorbenen Berufe wie Möillenhauer. „Da lernt man alles, was man braucht, um solche fast vergessene Handwerkskunst wieder aufleben zu lassen.“
Zeigen, „was niemand mehr macht“
Genau das macht ihm Spaß. Etwas zeigen, „was niemand mehr macht“. Seit acht Jahren geht er jetzt in dieser Leidenschaft auf. Dafür übernachtete er auch am Wochenende in den spartanischen Zelten auf dem Gelände des Römerparks, umgeben von unzähligen antiken Werkzeugen und selbst im benachbarten Wald gefällten Bäumen. Archäotechniker nennt sich das aus Sicht der Wissenschaft. Jemand, der längst vergessene Kunstfertigkeiten wieder originalgetreu zum Leben erweckt. Schindelhauer hieß mal der Beruf, den er hier zeigt.
Für eine Holzschindel braucht er nur wenige Handgriffe. Ein Ungeübter würde sich ungleich länger mit den ungewohnten Werkzeugen abmühen. Mancher will es nicht glauben und überprüft staunend die Klingen der Beile, Äxte und Hobel und versucht sich daran, den gewaltigen Holzhammer hoch über den Kopf zu wuchten. In den Händen von Steven Mizushima klafft schon die eine oder andere frische Wunde. Manches Gerät ist so scharf, dass eine leichte Berührung bereits Spuren hinterlässt. Alle ließen sich zeigen, wie die Schindeln am Ende auf den Dächern befestigt werden: Versetzt, fast genauso wie moderne Dachziegel und übereinander: Das Holz wölbt sich mit der Zeit und hinterlässt Lücken.
Ein spannendes Wochenende, das für Steven Mizushima schon früher anfing als formell gedacht. Die Besucher standen bereits um acht Uhr früh am Eingang und schauten neugierig hinein. In den nächsten Wochen kommen die nagelneuen und schweißtreibend hergestellten Schindeln übrigens auf das erste Dach. Da gibt es dann noch mehr zu sehen.