Von Rittern bis Gänsen: Hansemarkt lässt das Mittelalter wieder aufleben

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Die Gänse baden im Brunnen. Die Ziegen lecken Kinderhände. Nebenan schärft der Schleifer die Messer, schmiedet der Schmied Schmuck und backt der Bäcker duftenden Spekulatius. Der Alte Markt verwandelt sich beim Hansemarkt zwei Tage lang zurück ins Mittelalter. Nur die Ritter, die dürften sich hier zur Zeiten der Hanse wohl nicht mit Schwert und Axt um einen funkelnden Schatz geprügelt haben.

Ganz schön heftig: Bei den Rittern geht es auf dem Hansemarkt zur Sache.
Ganz schön heftig: Bei den Rittern geht es auf dem Hansemarkt zur Sache.
Filigran: Klöppeln ist eine uralte Kunst.
Filigran: Klöppeln ist eine uralte Kunst.

Auch der Korbflechter kam wahrscheinlich nicht aus Holland. Gert Molenvield biegt schon seit 35 Jahren Weidenzweige zu schmucken Körben. Gelernt hat er seine Kunst auf einer richtigen Korbflechterschule in Friesland. „Die Deutschen schätzen alte Handwerkskunst viel mehr als die Holländer“, sagt er. Deshalb packt er immer häufiger seine Holzschuhe und Körbe und fährt über die Grenze. Auch Ehefrau Hermien ist dann mit dabei. Sie lässt eine unübersichtliche Anzahl von Klöppeln in Windeseile rund um Hunderte von Nadeln fliegen.

Von Lebenslinien, Musikanten und der Pest

Die Zukunft aus den Karten lesen: Die Wahrsagerin weiß, wie's geht.
Die Zukunft aus den Karten lesen: Die Wahrsagerin weiß, wie’s geht.

Eigens nach Indien ist Cara, die Wahrsagerin, gereist. Dort hat sie von einer Amerikanerin das Geheimnis gelernt, aus Händen und Karten zu lesen. Inzwischen sitzt sie nicht nur in ihrem orientalischen Zelt auf mittelalterlichen Märkten, sondern auch im Fernsehen. Denn: „Die Menschen interessieren sich wieder mehr für diese Dinge – viele sind auf der Suche nach sich selbst.“ Das eigene Ich verbirgt sich in den Linien, die sich über die Handinnenflächen ziehen, ist sie überzeugt. Dort lässt sich vieles über die Gene, die Persönlichkeit, die innere Entwicklung ablesen. Die Karten dagegen verraten etwas über andere Menschen und die Einflüsse von außen.

Auch der Bauchtanz faszinierte die Besucher.
Auch der Bauchtanz faszinierte die Besucher.

Auch zwischen den Ständen macht sich mittelalterliches Leben breit. Ein Mann mit Schlapphut trägt eine ausgestopfte Ratte am riesigen Wanderstock. „Als Zeichen, dass ich die Pest überlebt habe“, ruft er mit einem schauderlichen Grinsen. Das dudelsackähnliche Instrument der Musikanten im Hintergrund ist originalgetreu – die zotigen Texte und handfesten Lautsprecher eher nicht. Die Ritter, die ihre Rüstungen anlegen, sprechen eine slawische Sprache. Wenn sie ihre Schwerter kreuzen, Fackeln und Äxte auf Schilde niedersausen lassen, spielt die Herkunft keine Rolle – die Ritterbewegung war schließlich schon im Mittelalter international.

Seinen Traumberuf hat der gebürtige Kamener Christian Wert gleich um die Ecke in Unna gefunden, als Kunstschmied. Sein zweites Leben im historischen Gewand ist seit 25 Jahren Hobby. Mit Glückshufeisen und Lederbeuteln hat es angefangen. Jetzt hat er seit drei Jahren seinen eigenen Stand und schmiedet mit Hammer, Amboss und mobilem Ofen samt Tretblasebalg schmucke Anhänger aus Edelstahl.

Alte Handwerkskunst und feurige Unterhaltung

Lehmwurf: So funktioniert altehrwürdiger Hausbau.
Lehmwurf: So funktioniert altehrwürdiger Hausbau.

Auch Harald Vidrik kommt ganz aus der Nähe. In Holzwickede hat er sich auf die traditionelle Fachwerktechnik spezialisiert, „weil ich eigentlich weniger arbeiten wollte“. Jetzt hat er Aufträge noch und nöcher. „Mit jedem Umweltskandal werden es mehr“, sagt er. Gefache mit Haselnuss-Geflecht und Strohlehm, den heute mal die Kinder mit Wucht im wahrsten Sinne an die Wand werfen dürfen: Die Menschen besinnen sich auch beim Hausbau wieder auf das, was seit Jahrhunderten hält.

 

Feurig und schaurig schön der Abschluss am Samstagabend.
Feurig und schaurig schön der Abschluss am Samstagabend.

Als am Abend die Bauchtänzerin ihren letzten aufreizenden Runden gedreht hat, packt auch Bernd Ranke seine Ringe ein, die er aus alten Löffeln und Kuchengabeln anfertigt. Die filigranen Gebilde, die Horst Klischat mit der Dekopiersäge das Jahr über in Form von dreidimensionalen Oldtimern aus dem Holz zaubert, sind schon überwiegend verkauft. Jetzt fliegen Fackeln durch die Luft, stoben Wolken aus Feuer aus Mündern. Auch das dürfte den mittelalterlichen Marktbesuchern Tausch, Handel und Kauf versüßt haben. Zusammen mit dem deftigen Met und süffigen Wein.