Das Projekt „Keep on Dancing – Anders ist normal“ hat den Sonderpreis „Vorbild Inklusion“ des LWL-Inklusionsamts Arbeit gewonnen. Der LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) verlieh den mit 8.000 Euro dotierten Preis am Dienstag (24. August) im AWO Familienzentrum Villa Kunterbunt in Bergkamen, coronabedingt im kleinen Rahmen. Einrichtungsleiterin Anja Wagner und ihr Team hatten sich mit diesem Tanz- und Theater-Projekt beworben. Bei Veranstaltungen der Kita und bei Festen in Bergkamen haben die Kinder hier die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Das Besondere – und eigentlich Normale: Annika Schmidt, eine Mitarbeiterin mit Handicap, ist Teil des Teams und Tanztrainerin der Kita-Kinder.
Die 26-Jährige wohnt inzwischen in Unna, stammt aber aus Bergkamen und arbeitet seit 2015 in der Villa Kunterbunt, 15 Stunden pro Woche: „Ich spiele mit den Kindern und helfe in der Küche und im Garten mit“, erzählt sie. Und ist leidenschaftliche Tänzerin. Und diese Begabung führte jetzt zur Auszeichnung des Familienzentrums Villa Kunterbunt durch den LWL, weil die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen damit vorbildlich gefördert wird.
Hier im AWO Familienzentrum an der August-Bebel-Straße betreuen 14 Mitarbeitende – Fachkräfte und Auszubildende sowie Hauswirtschaftskräfte – bis zu 60 Kinder mit und ohne Behinderung, von zwei bis sechs Jahren. Einrichtungsleiterin Anja Wagner sagte: „Wir sind glücklich, dass Frau Schmidt hier ist, sie bereichert das Team, ist ein vollwertiges Team-Mitglied. Inklusion sollte normal sein – und es ist schön, dass es für uns so normal ist.“
Tänzerische Leichtigkeit
Eva Jäger-Kuhlmann vom LWL-Inklusionsamt Arbeit und Helmut Etzkorn, Vorsitzender des Beratenden Ausschusses beim LWL- Inklusionsamt Arbeit, waren extra aus Münster angereist. Dieser übergab den Preis und sagte zu Annika Schmidt: „Sie sind seit vielen Jahren eine treibende Kraft und haben Ihre Leidenschaft, das Tanzen, in den Arbeitsalltag der Villa Kunterbunt eingebracht. Ihre selbst ausgedachten Tänze haben dabei über die Kita hinaus für Furore gesorgt.“ Schnell sei der Funke bei Aufführungen mit Kindern mit und ohne Behinderung übergesprungen, beispielsweise beim großen Bergkamener Theaterfestival, wo das Publikum vom Auftritt des Kita-Teams begeistert war. Helmut Etzkorn betonte: „Integration ist für die AWO kein Lippenbekenntnis, sie wird gelebt und praktiziert. Das ist leider nicht selbstverständlich in unserer Arbeitswelt. Das hier ist ein Leuchtturmprojekt, von dem Andere lernen können.“ Mit der unbefristeten Anstellung beweise die AWO, wie Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können. Im Fall von Annika Schmidt „mit tänzerischer Leichtigkeit“, sagte er augenzwinkernd.
Wolfram Kuschke, Vorsitzender des AWO Unterbezirksvorstands Ruhr-Lippe-Ems, beglückwünschte Anja Wagner und ihr Team, auch im Namen von AWO-Geschäftsführer Rainer Goepfert: „Wir unterstützen Menschen dabei, ein selbstständiges Leben zu führen. Gleichberechtigt dazu gehören, gesellschaftliche Teilhabe, das steht nicht nur in unserer Leistungsbilanz. Durch dieses Beispiel hier in der Villa Kunterbunt wird das lebendig.“ Und zu Anja Wagner und Annika Schmidt gewandt, fügte er hinzu: „Wir freuen uns außerordentlich, dass Ihre Arbeit heute durch den LWL so gewürdigt wird.“
Was ist normal?
Christine Busch fragte: „Was ist denn eigentlich normal?“ Die Beigeordnete und Sozialdezernentin der Stadt Bergkamen gab die Antwort gleich selbst: „Jede Abweichung ist doch genau das, was uns ausmacht. Unsere verschiedenen Hobbys, unsere Begabungen und Talente, unser Humor oder unsere Schlagfertigkeit. Das macht uns aus, unseren Charakter, unser Wesen, das ist das Besondere an uns.“ Sie überbrachte ein Geschenk und Grüße des Bürgermeisters. Busch freute sich, dass es hier in der Kita ganz normal sei zu sagen: „Jeder und jede ist bei uns herzlich willkommen – so, wie er oder sie ist, mit dem, was er oder sie mitbringt an Persönlichkeit. Hier gelingt Inklusion. Raus aus der Besonderheit, rein in: Anders ist normal.“ Sie schloss mit dem Appell und dem Bekenntnis: „Unsere Stadt Bergkamen soll für alle sein.“
Annika Schmidt führte mit „ihren“ Kindern nach der Preisverleihung natürlich auch einen Tanz auf: den Superhelden-Tanz, mit passenden „Kitahelden“-Umhängen. Das Team kann besonders stolz sein: In diesem Jahr ist kein anderes Unternehmen oder Projekt im LWL-Gebiet mit dem Sonderpreis ausgezeichnet worden. Und wofür wird das Preisgeld verwendet? „Das Geld geht an das Projekt Neueinstellung“, verkündete Annika Schmidt stolz den Team-Beschluss. Durch eben dieses Projekt der AWO-Tochter Bildung+Lernen gGmbH war sie vor sechs Jahren zur Villa Kunterbunt gekommen. Schön zu sehen: Ihr damaliger Coach Marco Fußy war ebenfalls zur Preisverleihung gekommen. Und warum an das Projekt Neueinstellung? „Damit noch mehr Menschen mit Down-Syndrom oder Handicap ein Praktikum machen können“, wünscht sich Annika Schmidt – Um so vielleicht, wie sie auch, einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden.
Weitere Informationen:
– Projekt „Neueinstellung“: www.bildungundlernen.de>
– Kita Villa Kunterbunt: www.awo-rle.de/kita-villa-kunterbunt-bergkamen
Der Beratende Ausschuss ist ein gewähltes Gremium beim LWL- Inklusionsamt Arbeit, der die Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben fördert, das Inklusionsamt Arbeit bei der Durchführung der Regelungen für schwerbehinderte Menschen unterstützt und bei der Vergabe der Mittel der Ausgleichsabgabe mitwirkt. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund wirkt er bei der Inklusion schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben mit. Weitere Informationen für Arbeitgeber und Menschen mit Behinderung im Beruf: www.lwl-inklusionsamt-arbeit.de