Zum dritten Mal ist am Montag der Aktionskünstler Gunter Demnig nach Bergkamen gekommen, um weitere Stolpersteine gegen das Vergessen zu verlegen. Sie sollen an die Opfer der Nazi-Herrschaft erinnern. Platziert werden sie jeweils vor den zuletzt bekannten Wohnadressen von Menschen, die von den Nazis drangsaliert, in Konzentrationslagern und Zuchthäusern weggesperrt oder ermordet wurden. Diese aktuelle Stolperstein-Aktion reihe sich unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ in die landesweiten Proteste gegen Rechts und insbesondere gegen die AFD ein, erklärte Bürgermeister Bernd Schäfer.
Demnig hat das Erinnerungsprojekt vor 30 Jahren ins Leben gerufen. Mittlerweile hat er in mehr als 20 Ländern über 100.000 Stolpersteine verlegt, die den Verfolgten der NS-Diktatur gewidmet sind. Die dritte Auflage der Stolperstein-Aktion in Bergkamen konzentrierte sich auf den Stadtteil Rünthe. Bei den ersten beiden von insgesamt sieben Stationen gab es doch einen großen Kreis interessierter Bürgerinnen und Bürger. Ein Grund ist sicherlich, dass Wilhelm Lichtenberg und Paul Prinzler nach dem Ende der NS-Herrschaft in der Rünther Kommunalpolitik wichtige Rollen gespielt hatte. Lichtenberg war für die CDU-Mitglied des Gemeinderats, Prinzler (SPD) sogar Bürgermeister.
Manuel Izdebski vom Arbeitskreis Bergkamener Stolpersteine berichtete über das Leben und die Inhaftierung von Wilhelm Lichtenberg. Diese Aufgabe hatten bei Paul Prinzler drei Schüler des Städtischen Gymnasiums übernommen. Die Verlegung der Stolpersteine für Reinhold und Agnes Knull gestalteten Schülerinnen und Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule. Erstmals war mit dem SuS Rünthe ein Sportverein an der Stolperstein-Aktion in Bergkamen beteiligt gewesen. Der SuS-Vorstand würdigte die Verdienste von Franz Magalowski.
Am Montagabend hatte der „Arbeitskreis Bergkamener Stolpersteine“ zu einer Veranstaltung mit dem Künstler Gunter Demnig ins Stadtmuseum eingeladen.
Für folgende Personen verlegt Gunter Demnig Stolpersteine:
Wilhelm Lichtenberg sen., Kanalstr. 11
Wilhelm Lichtenberg war Mitglied der KPD und befand sich im Widerstand gegen die Nazis. Vom 12. Juni bis 23. Dezember 1933 wurde er in Schutzhaft genommen und in den Konzentrationslagern Schönhausen und Neusustrum interniert. Er wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt und saß vom 12. Juni 1934 bis 3. August 1935 eine Gefängnisstrafe in Hamm ab. Er überlebte seine Verfolgung, wurde nach Krieg und Diktatur ein Mitglied der CDU und gehörte dem Gemeinderat von Rünthe an.
Paul Prinzler, Kanalstr. 13
Paul Prinzler war Sozialdemokrat und zog 1929 erstmals in den Gemeinderat von Rünthe ein. Zu dieser Zeit wurde er auch Vorsitzender der SPD-Ortsgruppe Rünthe. Am 15. April 1933 verlor Prinzler aus politischen Gründen seinen Beruf als Hauer auf der Zeche Grimberg. Bis zum 30. September 1936 blieb er mit einem Berufsverbot belegt. Am 18. April 1933 wurde Prinzler in Schutzhaft genommen und im KZ Schönhausen eingesperrt, wo er bis zum 3. Mai 1933 inhaftiert blieb. Am Tag seiner Freilassung musste er im Gemeinderat von Rünthe die Auflösung des SPD-Ortsvereins verkünden. Nach der Diktatur wurde er Bürgermeister der Gemeinde Rünthe und Amtsbürgermeister des Amtes Pelkum.
Eheleute Reinhold und Agnes Knull, Platz von Hettstedt
Die Eheleute Reinhold und Agnes Knull waren Mitglied der KPD und befanden sich aktiv im Widerstand. In ihrer Wohnung in der damaligen Schulstraße (heute Rünther Str.) befand sich eine kleine Druckerpresse, um illegale Schriften herzustellen. Reinhold Knull wurde bei einer Verhaftungswelle am 12. April 1933 in Schutzhaft genommen, seine Frau Agnes am 18. April 1933. Beide wurden zunächst im KZ Schönhausen und dann im KZ- Brauweiler gefangen gehalten. Agnes Knull wurde am 5. August 1933 aus der KZ-Haft entlassen, blieb aber mit einem Berufsverbot belegt. Ihr Ehemann Reinhold blieb bis zum 19. August 1933 eingesperrt. Die Familie musste ihre Wohnung aufgeben und sie einem Mitglied der NSDAP überlassen. Nach der Diktatur lebten die Eheleute in der Schlägelstraße.
Frieda Mehring, Schlägelstr. 13
Frieda Mehring wurde am 15. September 1943 von einem Sondergericht in Hamm wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Ihr Verbrechen bestand darin, ausgehungerten russischen Kriegsgefangenen am Schacht III etwas Brot gegeben zu haben. Ihre Haftstrafe saß sie in den Gefängnissen von Hamm, Essen und Schwelm ab. Am 14. März 1944 wurde sie wieder entlassen.
Franz Magalowski, Taubenstr. 24
Franz Magalowski war Vorsitzender der „Freien Elternvereinigung“ in Rünthe und Mitglied im Vorstand der Spielvereinigung Rünthe, einem Vorläufer des heutigen SuS Rünthe. Er gehörte keiner Partei an, engagierte sich aber für die Errichtung einer weltlichen Schule in der Gemeinde. Vom Lehrer Ernst Schwanitz, zugleich stellvertretender Stützpunktleiter der NSDAP in Rünthe, wurde er deshalb denunziert. Magalowski wurde am 6. Mai 1933 wegen Beleidigung vom Strafgericht in Dortmund zu einer zweimonatigen Gefängisstrafe verurteilt, die er im Gefängnis „Lübecker Hof“ in Dortmund absitzen musste.
Albert Klinge, Westfalenstr. 48
Albert Klinge war von Beruf Hauer. Nach einem Schlaganfall blieb er körperbehindert und wurde deshalb am 2. November 1936 in die Heilanstalt Warstein eingewiesen. Am 26. Juli 1943 erfolgte seine Verlegung in die Heilanstalt Weilmünster, von dort ging es für ihn im September 1944 in die Heilanstalt nach Hadamar, wo er Opfer der NS-Euthanasie wurde. Albert Klinge wurde am 7. November 1944 ermordet. Seine Witwe lebte später in der Kettelersiedlung.