Selbstportraits – Kunstprojekt für junge Flüchtlinge im Pestalozzihaus

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„Selbstportraits – künstlerische Selfies“ heißt das Kunstprojekt, das die Werkstatt im Kreis Unna (WiKU) im Rahmen der internationalen Projektwoche „Gegen Gewalt und Rassismus“ organisierte und in den Räumen der Jugendkunstschule Bergkamen im Pestalozzihaus durchführte. Zehn Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten setzen sich mit Papier, Farbe, Pinsel und Linolplatten mit ihrer Biografie auseinander: Das Ergebnis ist mehr als nur ein flüchtiger Blick in den Spiegel.

Tania Mairitsch-Korte, Galina Hilla und Nasir.

Die Gruppe ist so bunt wie die entstandenen Kunstwerke: Die einen sind Teilnehmer der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme mit produktionsorientiertem Ansatz (BvB-Pro), die anderen sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in den Wohngruppen der WiKU leben. So unterschiedlich auch die jungen Menschen mit ihrer eigenen Geschichte sind, sie haben eine Gemeinsamkeit: ihre Hoffnungen und Sehnsüchte für die Zukunft.

Alle Jugendlichen wünschen sich einen Ausbildungsplatz und eine Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die minderjährigen Flüchtlinge haben sich in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf den lebensgefährlichen Weg nach Deutschland gemacht und sorgen sich um ihre Familien, die sie in der Heimat zurückgelassen haben. „Jeder von ihnen hat seine persönlichen Bewältigungsstrategien. Die Kunst bietet ihnen allen eine Möglichkeit des Ausdrucks“, erklärt Marion Velikonja, Abteilungsleiterin bei der WiKU und Mitglied der Steuerungsgruppe des Runden Tisches gegen Gewalt und Rassismus.

Unter Anleitung der Diplom-Designerin Tania Mairitsch-Korte fertigen die jungen Menschen mit verschiedenen Drucktechniken die künstlerischen Selfies an: „Ehrlich gesagt, habe ich nicht so viele Talente erwartet. Die Jugendlichen nehmen die künstlerische Arbeit und die Auseinandersetzung mit sich sehr ernst.“

Die Teilnehmer des Kunstprojektes „Selbstportraits –
künstlerische Selfies – mit den pädagogischen Bertreuern und
Mitarbeitern der Werkstatt im Kreis Unna.

Nasir aus Afghanistan zeigt seinen Schattenriss. Der 17-jährige ist seit einem Jahr in Deutschland. In sein Profil hat er in kleinen Lettern seine Lebensgeschichte geschrieben – auf Deutsch. Sie beginnt in seiner Heimatstadt Kundus und dokumentiert die dreimonatige Flucht über Pakistan, Irak, Türkei, Jordanien, Mazedonien, Kroatien, Serbien, Österreich, München, Dortmund nach Bergkamen. „Hier habe ich eine neue Familie, ein neues Zuhause in einer anderen Welt gefunden“, sagt Nasir. Das klingt erst einmal positiv, aber sein Blick ist traurig und zeigt die Sehnsucht nach seiner Familie, die noch in Afghanistan lebt. Kontakt zu ihr hat er nicht mehr. Zwar hat Nasir in Bergkamen neue Freunde gefunden, aber sein größter Wunsch ist, seine Eltern und Geschwister in Sicherheit zu wissen und wiederzusehen.

Das Kunstprojekt „Selbstportraits – künstlerische Selfies“ fördert die Integration der geflüchteten Jugendlichen und ist ebenfalls eine sinnvolle Ergänzung zum produktionsorientierten Ansatz der BvB-Pro: „Die Jugendlichen arbeiten sehr konzentriert, beschäftigen sich mit ihrer Lebensgeschichte, respektieren einander und tauschen sich aus.“, fasst Galina Hilla zusammen. Die Sozialpädagogin betreut die jungen Menschen in den Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge der Werkstatt im Kreis Unna.

Unterstützt wurde das Projekt nicht nur durch den Runden Tisch gegen Gewalt und Rassismus der Stadt Unna, sondern auch durch Gereon Kleinhubbert vom Kulturreferat der Stadt Bergkamen, der die Kunsträume im Pestalozzihaus zur Verfügung gestellt hat.

Hintergrund:

BvB-Pro ist eine durch die Bundesagentur für Arbeit geförderte berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme mit produktionsorientiertem Ansatz und entstand aus der ehemaligen Produktionsschule der Werkstatt im Kreis Unna. Ziel ist es, die arbeitslosen Jugendlichen während des Projektes in eine Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln. Während der zwölfmonatigen Berufsvorbereitung arbeiten die Beschäftigten unter fachlicher Anleitung an realen Aufträgen in Werkstätten oder im Dienstleistungsbereich und werden in den gesamten Prozess der Auftragsarbeit eingebunden. In Unna und Bergkamen können sie in den Berufsfeldern Garten- und Landschaftsbau, Holz, Metall und HoGa Erfahrung sammeln. Im Vordergrund stehen die praktischen Erfahrungen; jedoch besteht auch die Möglichkeit einen Hauptschulabschluss (HSA) nachzuholen. Lernen findet im Rahmen der Produktion statt, das heißt auf der Baustelle, an der Werkbank oder im Kundengespräch.

Betreutes Wohnen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist ein Angebot der Jugendhilfe der Werkstatt im Kreis Unna. Insgesamt bis zu 20 junge Menschen leben in Wohngruppen in Unna und Bergkamen. Viele von ihnen sind vor und während ihrer Flucht Opfer und Zeuge von Menschenrechtsverletzungen (Gewalt, Unterdrückung, Ausbeutung und Verfolgung) geworden. Sie sind häufig traumatisiert und aufgrund fehlender familiärer Unterstützung besonders schutzbedürftig. Das Ziel der Werkstatt im Kreis Unna ist es, die jungen Menschen im schützenden und unterstützenden Rahmen der Wohngruppe in einer familiären Atmosphäre Vertrauen, Sicherheit und Perspektiven zu geben sowie Hilfen zur Erziehung zu leisten Sozialpädagogen sind teilweise rund um die Uhr vor Ort. Tagsüber gehen die Jugendlichen zur Schule oder nehmen an verschiedenen Projekten der Werkstatt im Kreis Unna teil: von Sprachkursen über berufsvorbereitende Maßnahmen bis hin zu Angeboten zur Freizeitgestaltung.