Die Friedenstaube darf nicht fehlen. Ebenso wenig wie das Tänzchen zum Gesang, die Predigt und der böse Reim. Ein Abend mit Wilfried Schmickler spielt sich jenseits von flüchtigem Standup und leicht verdaulicher Comedy ab. Er packt schonungslos das altmodische Kabarett aus, das den Finger exakt in die Wunde legt. Stets mit Anstand und Respekt, gern auch im atemlosen Aufzähl-Marathon.
Deshalb entschuldigte er sich auch zuvorderst für die krankheitsbedingte Verschiebung. Aber selbst mit einer halbkurierten Bronchitis konnte er tempomäßig in seinem „Lieblingsbergkamen“ und „liebsten studiotheater“ noch jedem Newcomer locker abhängen. Denn wenn er für die Selbsttherapie auf die Bühne steigt, dann mit einer Mission: Licht ins Dunkel der Unwissenheit bringen, auch wenn er selbst „immer weniger versteht“ von dem, was da jenseits seines „analogen Neandertals“ zwischen dem hilflosen Offline-Dasein und dem Gefühl, etwas zu verpassen, genau passiert.
Von Welteroberern zum Merzias
Da sind digitale Welteroberer am Werk, das steigt unerklärliche Wut gereimt wie die Flut. Und Schmickler verspricht unerschütterlich: „Ich kümmere mich drum!“ Auch wenn er gegen das Schrumpfen des Volkes der Malocher auf die 400 verbliebenen wirklich noch Arbeitenden im Saal angesichts von Work-Live-Balance-Philosophie und den „Merzias“ als Erlöser ebenso wenig ausrichten kann wie gegen den Niedergang der Sozialdemokratie und der katholischen Kirche.
Eine seiner Botschaften und Sätze, von denen er sich nicht trennen kann: „Ohne rigorose Eingriffe in die destruktiven Lebensweisen gibt es keine Rettung der Welt“, fasst er sein Mitleid für die Kehrtwende der abgestraften Grünen zusammen und kündigt die Ankündigung der Verbotspartei an. Inklusive Zwangsverschickung einiger Träger von Ungemach vom Nazi bis zum Raser und Abgesang auf den freundlichen Faschisten-Nachbarn. Was ihn nahtlos zum AfD und zur Aktivierung seines Schmähzentrums führt, zur Wut der verbitterten Kreatur und Vertrauenskrise der Demokratie.
Festhalten an Sätzen mit Nachhaltigkeit
Noch so ein Satz, von dem sich Wilfried Schmickler nicht trennen kann: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“. Wenn auch gequält mit Dringlichkeits-SMS der datenauslesenden Krankenkasse, im kollektiven Vorwärtskomm-Gerangel und der Konfrontation von Geist und Kreatur im Jugendwahnstress. Vom Finanzberatungsexkurs geht es atemlos weiter zum Gier-Tier, das sich mit Neid und Hass ins Küchenmaschinen-Gemetzel steigert, in die Konjunktur-Expertenhölle mit Pech und Schwafel absteigt und im Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes mündet.
Ob die Widerstandsgruppe gegen den Jugendwahn und für den zivilen Ungehorsam, für Anstand und Respekt mit Leviten-Lesung am Ende ans Ziel führ? Wilfried Schmickler bleibt immer optimistisch, auch wenn die Bilanz noch so hoffnungslos anmutet. Als „realitätsferner Träumer“ hält er fast am Glauben an den Frieden, Respekt, Solidarität und Antworten auf die vielen offenen Fragen in einer entgötterten Welt. Zum Glück mit Dauerapplaus und mehreren Zugaben.






Hinterlasse jetzt einen Kommentar