Hier hat Wolfgang Wieland völlig recht: Die NSU-Morde, das Versagen der Strafverfolgungsbehörden und der Verfassungsschutzämter und deren Bewertung durch den Untersuchungsausschuss des Bundestags sind kein Wahlkampfthema. Das ist nicht nur eine Frage des Mitgefühls den Opfern und deren Angehörigen gegenüber.
Zu nah sind alle Bundestagsfraktionen in ihren Beurteilungen und ihre Konsequenzen aus diesem Desaster für die Demokratie, als dass sich daraus Honig für einen Parteienstreit saugen ließe. Zu gering ist aber offensichtlich auch das Interesse der Bergkamener an diesem Thema. Als am Donnerstagabend der Obmann der Bündnis-Grünen in diesem Untersuchungsausschuss, Wolfgang Wieland, im Treffpunkt über dessen Arbeit berichtete, waren die Grünen praktisch unter sich.
Die Terminwahl orientierte sich vor allem an Wielands Terminkalender. Sie fiel letztlich glücklich. Der Untersuchungsausschuss legte am vergangenen Montag dem Deutschen Bundestag seinen 1300 Seiten umfassenden Abschlussbericht vor. Bundestagspräsident Norbert Lammert entschuldigte sich bei den Familien der Opfer, für die Fehler und Pannen bei den Ermittlungen und für den Generalverdacht, ihre getöteten Männer und Väter und vielleicht auch sie selber gehörten irgendwie kriminelle Vereinigungen an.
20 Minuten wollte Wolfgang Wieland berichten. Es wurde dann über eine. An keiner Stelle kam das Gefühl auf, der 65-Jährige, die sich nach der Wahl aus dem Bundestag verabschiedet, hätte ein Wort zu viel gesagt. Und die Zuhörer wurden eingefangen von den unglaublichen Details der Ermittlungskatastrophe, die mit dem ersten Mord im Jahr 2000 begann. Nur durch einen Zufall wurden der Polizei 2011 klar, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht nur Bankräuber waren. Sie hatten sich in einem Wohnmobil in die Luft gesprengt, um ihrer Verhaftung zu entgehen. In den Trümmern fand sich ein Bekennervideo, das zynische „Paulchen Panther-Video“, das ihre Taten glorifiziert. Erst hier sei den Behörden bewusst geworden, dass sie nicht nur Kriminelle, sondern Rechtsterroristen seien. Ob noch mehr Morde auf ihr Konto gehen, könne allein Beate Zschäpe beantworten. „Doch sie schweigt“, so Wieland. Ihr wird zurzeit in München der Prozess gemacht.
Diese große Einigkeit im Untersuchungsausschuss macht Wolfgang Wieland optimistisch, dass das neue Parlament dessen Forderungen unter anderem nach einer Reform des Verfassungsschutzes und der Polizeiausbildung in die Tat umsetzen werden. „Wenn es nicht in den Koalitionsvertrag für die Bundesregierung steht, wird des eine Gesetzesinitiative des Bundestags geben.“ Doch ebenso überzeugt ist der Grünen-Politiker, dass sich Rechtsextremismus nicht mit polizeilichen Mitteln bekämpfen lässt. Hier seien vielmehr die Politik und die Gesellschaft gefordert.
Der Bericht des Untersuchungsausschusses umfasst in allen Teilen rund 1300 Seiten. Auf der Homepage des Bundestags steht er als PDF-Datei zum Download bereit, und zwar hier.
Die Debatte des Bundestags zum Zwischenbericht am vergangenen Montag kann im Internet in der Mediathek der Homepage des Bundestags in volle Länge verfügt werden, und zwar hier.