von Andreas Milk
Es war nachts um halb zwei, und an der Lassallestraße lag die Studentin Marie M. (alle Namen geändert) mit einem fiesen Hustenanfall im Bett, als draußen vor dem Haus gerade ihr Auto demoliert wurde. Der Verursacher stand jetzt vor dem Kamener Strafrichter: Christoph E. soll sich der Unfallflucht schuldig gemacht haben. Doch daran gab es am Ende starke Zweifel.
Der Reihe nach: In jener Nacht im vergangenen September wollte E. sein Auto in der Lassallestraße abstellen, aber da war nichts frei – drum wollte er rückwärts wieder herausfahren. Dabei muss er wohl gegen den Wagen von Marie M. gestoßen sein. Die hörte einen Knall durchs gekippte Fenster, zog den Rolladen hoch, gestikulierte in Richtung Christoph E. – doch der, sagt sie, habe bloß erschrocken geguckt und sei weggefahren. Die Polizei klingelte ihn später aus dem Bett.
Der 22-Jährige sagt: Von dem Zusammenstoß mit dem fremden Fahrzeug habe er nichts mitbekommen. Und das sei auch glaubhaft, sagte ein Sachverständiger der Dekra. Er lieferte folgende Erklärung: Christoph E. habe rangieren müssen, um aus der engen Straße zu kommen; dabei habe er auch kräftig gebremst. Die Erschütterung beim Zusammenprall mit Marie M.s Auto könne von dem abrupten Bremsmanöver quasi verschluckt worden sein.
Auch der erschrockene Gesichtsausdruck E.s, den Marie M. schilderte, scheint damit erklärbar: E. könnte verstört und verunsichert darüber gewesen sein, durch das Abbremsen vermeintlich gerade noch eine Kollision vermieden zu haben – auch wenn es tatsächlich eine solche Kollision gab.
Als Schadenshöhe wurden knapp 1.300 Euro ermittelt. Strafrechtlich wird’s billiger: Für den Unfall als solchen – als Verstoß gegen die StVO – wurde Christoph E. zu einer Buße von 35 Euro verurteilt. Was den Vorwurf der Unfallflucht angeht, sprach der Richter ihn frei.