Musikalische Liebes-Eskapaden mit Lucy van Kuhl gehen unter die Haut

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Ein Trio, dass perfekt zueinender passt: Lucy van Kuhl und die Es-Chord-Band.

Es muss nicht immer die aufgeregte Bühnenshow mit Salven aus inhaltsschweren Denkaufgaben sein. Kabarett darf auch mal ganz „kuhl“ mit 3 Instrumenten daherkommen. Am Freitag präsentierte sich Lucy van Kuhl genau so: Als Trio, das dem schreiend Plakativen elegant aus dem Weg ging und lieber pointiert genauer hinschaute. Alles andere als zahm und leise. Wer genauer hinhörte, konnte sich aus dem bunten Angebot einiges Kritische, Boshafte, Liebliche, Melancholische und Ernsthafte herauspicken.

Lucy von Kuhl am Flügel.

Den erhobenen Zeigefinger präsentierte die Berliner Liedermacherin, Chansoniere und Kabarettistin dabei eher als Ausrufezeichen denn als mahnenden Aufruf. Mit der Es-Chord-Band im Schlepptau setzte sie alles auf „Liebe“. Sie selbst ließ mit vielsagender Mimik am Flügel die Worte sprechen. Lorenzo Riessler und Nenad Uskokovic untermalten das gekonnt mit dem Schlagzeug und Cello. Die hingebungsvollen musikalischen Akzente wuchsen sich dabei zu mitreißenden Solo-Einlagen aus, die Begeisterungspfiffe und Jubelrufe aus dem zunächst noch reservierten Publikum hervorlockten.

In voller Aktion: Nenad am Cello.

Wie sich Mundorgel-Elemente mit Jazz-, Klassik-, Pop- und Rap-Akzenten zu anspruchsvollen Musikstücken vermengten, die verbal beiläufig in Dolch-Massakern, Botox-Vergiftungen, Traumhaus-Verwüstungen und Knopfdruck-Exzessen oder Ausflügen ins Traumtanztaumelland ausarteten, war gekonnt. Unvermittelt ging es von der beschaulichen Liebes-Aufzählerei in allen Sprachen zur Eröffnung des Liebeskontos mit klebrigen Küssen bei Tiffanys und bösen Detox-Erfahrungen mit schreienden Kuchen über. Manches davon war wohlgemerkt eine Auftragsarbeit für Dermatologen-Kongresse. Liebe als 2. Wahl beim Ausverkauf mit empathischer Akkupunktur ging jedenfalls unter die Haut. Auch wenn man in die Haut des Rentners schlüpfte, der den Liebenden im Park einfach nur beim Leben zuschaute.

Gerade noch so optisch zu erwischen: Die Drum Sticks von Lorenzo beim mitreißenden Solo.

Das Lucy van Kuhl den Schlagzeuger einst als seine Babysitterin kennenlernte, wollte niemand so recht glauben. Ihr „Zögling“ kam nach Küssen ohne Kaviar, bitterbösem Kreuzfahrt-Hollahi mit tödlichem Ende und verschlungenen Navigationswegen nach Rom urplötzlich aus sich heraus und bearbeitete sein Schlagzeug derart beeindruckend, dass das Publikum vor Begeisterung regelrecht aufsprang. Da hatte der Song, der das plötzliche Verschwinden der Nachbarin beweinte, schon längt nicht weniger Gänsehaut verursacht.

Unter den Zugaben waren dann gleich mehrere Premieren. Darunter ein waschechter Rap-Song. Und Ein bislang noch nicht live gesungener Bahn-Song, der mit Stakkato-Aufzählungen aller bekannten DB-Unarten und Mitmach-Einheiten richtig gute Laune verbreite. Drei Zugaben musste Lucy van Kuhl mit ihrer „Es-Chorde“ geben. Dann erst konnten sich die restlos hingerissenen Bergkamener von ihr trennen.