Bücherwürmer bekommen ein Gesicht. Ganze Figuren treten aus riesigen Buchrücken ins Scheinwerferlicht. Aus Fantasie wird Realität und aus der Wirklichkeit ein Traum. Dem Ehemann wachsen Hörner, es werden Messer gezückt, die Frauen schmelzen dahin. Es waren echte Poesie und Drama, die vor der Kulisse des Wasserparks beim Theater Open Air die vielen Besucher faszinierten. Hochklassetheater, das komplett in einen Bulli passt.
„Wo kommt der denn jetzt her?“, fragte sich die Gruppe von Kindern, die das Geschehen am ganzen Leib miterlebte. Da war ein weiterer fiktiver Liebhaber wie durch Zauberhand aus den Kulissen aufgetaucht und verzauberte die liebliche Belisa. „Oh nein, jetzt ist er tot“, riefen die jüngsten Zuschauer entsetzt auf, als sich Ehemann Don Perlimplin mit dem funkelnden Messer selbst entleibte. „Es gibt aber noch einen zweiten Film, habe ich gehört!“, beruhigte ein Sechsjähriger die aufgeregte Gruppe und alle klatschten erleichtert Beifall. Einen zweiten Film gab es dann doch nicht. Dafür Applaus vom Kölner N.N. Theater für ein tolles Bergkamener Publikum, das bei diesem Theatererlebnis unter freiem Himmel mit Haut und Haar mitfieberte – „trotz dieses unerträglich schönen Sommertages!“
Weltliteratur, Surrealismus und faszinierende Mimik
„Liebe“ hieß dieses turbulente Durcheinander, das aus einer echten spanischen Edelfeder stammt. Federico Garciá Lorca ist einer der größten spanischen Dichter des 20. Jahrhunderts – auch wenn er bereits mit 38 Jahren im spanischen Bürgerkrieg von rechtsgerichteten Mördern gemeuchelt wurde. Das N.N. Theater ließ seine Werke nicht nur als riesige Buchrücken wieder aufleben und Bücherwürmer daraus hervorkriechen. Sie holten die dramatischen Figuren des Mannes, der den Sagen, Fabeln, den Träume und Fantasien seiner Heimat ein surrealistisch gefärbtes literarisches Denkmal setzte, auch leibhaftig auf die Bühne im Wasserpark.
„In seinem Garten liebt Don Perlimplin Belisa“ heißt das Original. In der sehr freien Adaption des N.N. Theaters wurde der reiche Bücherfreund, der die schöne Belisa heiratet und ihrer Leidenschaft nicht gerecht werden kann, zum tragisch-komischen Helden. Belisa träumt von feurigen Liebhabern. Don Perlimplin erfindet sich selbst als Liebhaber, um das Herz seiner Frau doch noch zu gewinnen. Am Ende tötet der ungewöhnlich gehörnte Ehemann den vermeintlichen Liebhaber und damit sich selbst in guter spanischer Mantel-und-Degen-Manier. Belisa bleiben die Trümmer von Traum und Wirklichkeit.
Kultursommer-Virus packt: Am 8. August geht’s weiter
Die Kölner Schauspieler schafften wie schon seit Jahren etwas Seltenes. Aus Szenen wurden kleine leibhaftige Gemälde, aus Gesichtern und Gesten Poesie. Dass die sechs Tanzpaare der AK-Dancers Formation der Auferstehungskirche dazu zum Auftakt einen feurigen Paso Doble auf das Bühnen-Parkett legten, setzte den passenden spanischen und dramatischen Rahmen für diesen ganz und gar leidenschaftlichen Abend. Wer sich hier nicht den Kultursommer-Virus eingefangen hat und sich den 8. August für das Klassik Open Air freihält, ist selbst schuld.