„Das kenne ich noch aus der Schule!“, unterhalten sich zwei Besucherinnen und zeigen aufgeregt auf die Bilder in der Galerie sohle 1. Einen Stock höher stockt ihnen bereits auf dem Treppenabsatz der Atem. „Das ist ja irre“, flüstern sie. Rundherum hämmert es, rumort es, schrillt das Signal des Förderkorbes vor der Kulisse eines Bergbaustollens, der nur auf den ersten Blick aussieht wie ein Foto.
Was Nikola Dicke geschaffen hat, ist exklusiv. Aus Kohle sind für die einst größte Bergbaustadt Europas Abbildungen seiner Vergangenheit aus exakt jenem Stoff entstanden, der sie immer noch prägt. Mit dem Finger, mit Werkzeugen, mit Nadeln hat sie Arschleder, Steigerstäbe, Grubenlampen, Fördertürme, das ganze Innenleben von Bergwerken aus Kohlenruß auf Glasplatten herausgebildet. Lichtquellen dahinter geben ihnen einen ganz neuen Ausdruck. Sie verwandeln winzige Diaformate in der Installation in raumfüllende Kunstwerke, die betreten und mit dem eigenen Schatten in Bewegung gesetzt werden können.
„Für die Bergkamener ist die Bergbauvergangenheit noch immer präsent – mit dem letzten Schachtgerüst, mit Bergsenkungen, vor allem aber mit dem ganz besonderen Zusammengehörigkeitsgefühl“, so der Beigeordnete Holger Lachmann zur Austellungseröffnung. Die Bezüge zur Stadt finden sich aber auch in der Lichtkunst, die hier eine große Rolle spielt. Auch an Aktualität mangelt es nicht, hat doch just die vorletzte Zeche im Ruhrgebiet die Förderung eingestellt.
Als sich Bergkamens Kulturreferentin Simone Schmidt-Apel und die Künstlerin Nikola Dicke auf dem Hammer Bahnhof zufällig trafen und die Idee für diese Ausstellung entstand, gaben gleich mehrere Reize den Ausschlag. „Den Boden in der Galerie fand ich sehr interessant“, sagt die gebürtige Wittenerin im Künstlergespräch mit einem Schmunzeln. „Damit lässt sich was machen!“ Im Verlauf der Arbeit entdeckte sie zudem einen „archäologische und archivierenden Aspekt“, indem sie nicht nur das Gezähe und die Fördertürme, sondern auch ganze Bergwerkspläne verewigte.
Exklusive Bergkamen-Kunst mit Ewigkeitsanspruch
Mehrdimensional ist für den Regisseur, Künstler und Ausstellungsmacher Michael Staab nicht nur die Technik, die Raumfülle, die Mitgestaltung durch die Besucher. Dimensionen erreicht die Kunst von Nikola Dicke auch mit einem der ersten künstlerischen Medien überhaupt, der Kohle, die auf Glas einen Ewigkeitsanspruch erhebt. Daher auch er Ausstellungstitel: „Ewige Teufe“. Ganze Menschen haben ihre Körperteile auf den Platten hinterlassen und zu einem kompletten Bergmann formiert. Was auf den ersten Blick täuschend fotorealistisch wirkt, ist jedoch gezeichnet, gemalt, verwischt, verschoben. Noch eine Dimension, die auf sich aufmerksam macht. Denn: „Perfekt realistisch ist langeilig“, so die Künstlerin. Sie will die Unschärfe, das Unkontrollierbare, das Unplanbare – das ihr Werk eine eigene Dynamik bekommt.
Für Nikola Dicke war es ganz nebenbei „spannend zu sehen, wo ich eigentlich herkomme“. Sie will mit ihrer Kunst aber auch eine andere Sichtweise auf die vermeintlich gewohnten Dinge hervorlocken. Was allerdings ewig zu währen scheint, könnte nach dieser Ausstellung vorbei sein. Wenn sich keine Käufer finden, werden die Glasplatten wieder geschwärzt und in neue Kunst verwandelt. So wie diese Glasplatten zuvor einen „verborgenen Garten“ beherbergten. Entsprechend laut waren die Einwürfe der Zuhörer, dass die Stadt doch die Kunstwerke erwerben möge – quasi als Geburtstagsgeschenk zum 50-jährigen Bestehen der Stadt.
Die Ausstellung ist noch bis zum 10. April in der Galerie sohle 1 zu sehen. Am 16. Februar wird Nikola Dicke ihre Kunst außerdem auf das Rathaus projizieren.