von Andreas Milk
Selten, dass im Kamener Amtsgericht ein Angeklagter so taff auftritt. Bis März dieses Jahres war der ehemalige Bergkamener Thomas S. (Name geändert) als Pfleger in der Notaufnahme des Krankenhauses in Kamen tätig. Dass er seine Arbeit verlor, hing mit seiner Alkoholabhängigkeit und mit einer Straftat zusammen. Vor Gericht redete er nicht viel – und schon gar nicht viel drum rum.
„Klar Schiff“ wolle er machen. Deshalb gab er auch das zu, was ihm kaum – oder gar nicht – zu beweisen gewesen wäre: Zehn Mal habe er im Krankenhaus Ampullen mit Midazolam – der Gruppe der Benzodiazepine zugehörig – für sich selbst abgezweigt. Denn im Dienst zu trinken, sei nicht in Frage gekommen. Um trotzdem „fit“ zu sein für den Job, habe er das schmerzlindernde, beruhigende Medikament eingenommen. „Falsch angewandt, kann das auch jemanden abschießen.“ Die Staatsanwaltschaft warf ihm im Prozess Unterschlagung vor. Die Beweissituation wäre laut S.‘ Verteidiger ohne das Geständnis seines Mandanten „katastrophal“ gewesen. Das Midazolam fällt nicht unters Betäubungsmittelgesetz; entsprechend sind die Dokumentationspflichten in einer Klinik weniger streng.
Leicht zu beweisen dagegen – und eher Nebensache: Anfang September fuhr S. mit 2,1 Promille im Blut in seinem Auto über die Münsterstraße. Er wurde geschnappt.
Thomas S. hat schon einmal einen Alkoholentzug gemacht. Danach war er acht Jahre trocken. Als seine Ehe kaputt ging, ging auch das Trinken wieder los. Zwei Tage nach seiner Trunkenheitsfahrt meldete sich S. zur Entgiftung. Selten, so sein Anwalt, habe er jemanden kennengelernt, der so effektiv gegen eine Sucht angegangen sei.
Das Urteil: eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 10 Euro. Damit gilt S. nicht als vorbestraft. Das polizeiliche Führungszeugnis bleibt leer. Und so geht das Ganze weiter: Gleich an diesem Mittwoch – dem Tag nach dem Gerichtstermin – tritt Thomas S. aufs neue eine stationäre Therapie zum Alkoholentzug an. Er hat alles schon geregelt, während er übergangsweise wieder bei seiner Frau wohnte. Minimum der Therapie: 15 Wochen.