Anhand einer Wasserprobe bestimmen, welche Lebewesen in Flüssen anzutreffen sind – was zunächst nach Zukunftsmusik klingt, ist durch die Untersuchung der sogenannten „Umwelt-DNA“ (eDNA von engl. environmental DNA) möglich. Die eDNA wird in geringen Mengen von Organismen in die Umwelt abgegeben. Dank der neuen Analysemethode konnte in der Lippe sogar der Steinbeißer nachgewiesen werden – eine nachtaktive und seltene Fischart mit hohen Ansprüchen an die Wasserqualität.
Die Bewirtschaftung von Wasser ist ein wichtiger Faktor beim Erhalt der Artenvielfalt, das zeigen die Maßnahmen des Lippeverbands zur Renaturierung des Gewässers. Durch das Programm „Lebendige Lippe“ soll sich der längste Fluss in NRW natürlicher entwickeln. Die Veränderungen nach abgeschlossenen Maßnahmen erfasst der Wasserwirtschaftsverband anhand von Probenahmen entlang der Lippe und ihrer Nebenläufe. Neben den klassischen Methoden wie der „Elektrobefischung“ helfen inzwischen auch molekulare Untersuchungsmethoden bei der „Inventarisierung“ der Fische.
Spurensuche wie im Krimi
Unterstützt wird der Lippeverband dabei durch die Arbeitsgruppe „Aquatische Ökosystemforschung“ der Universität Duisburg-Essen. Unter Leitung von Prof. Dr. Florian Leese analysiert das Experten-Team anhand von Umwelt-DNA, wie erfolgreich die Wiederbesiedlung der renaturierten Lippe an verschiedenen Stellen verläuft. Es funktioniert wie in jedem guten Krimi: Alle Organismen wie Fische, Schnecken oder Insekten geben eine artspezifische DNA in die Umwelt ab zum Beispiel über Hautpartikel, Schleim, Kot oder Urin. In Wasserproben weisen Fachleute dann mit modernen Untersuchungsmethoden die eDNA nach. So bestimmen sie verschiedene Arten durch den Abgleich mit vorliegenden Erbinformationen und belegen das Vorkommen im Gewässer.
eDNA-Beweis: Europaweit geschützte Fischart lebt in der Lippe
Die Ergebnisse sind beeindrucken, denn in der Lippe leben nachweislich zahlreiche Fischarten. Eine davon ist der längliche, 8 bis 10 Zentimeter große Steinbeißer (Cobitis taenia). Diese wenig häufige und sogar europaweit geschützte Fischart bevorzugt langsam fließende Gewässer mit klarem sauerstoffreichem Wasser und sandigem Sohlsubstrat. „Dass dieser seltene Fisch mit seinen hohen Lebensraumansprüchen bereits in einigen renaturierten Abschnitten der Lippe festgestellt werden konnte, ist ein tolles Ergebnis und Qualitätsmerkmal unserer Arbeit“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender des Lippeverbandes.
Tagsüber lebt der Steinbeißer sehr versteckt und gräbt sich gerne in den Grund ein, wobei dann nur noch Kopf und Schwanz herausragen. Die Nahrungssuche erfolgt nachts: Dann durchkaut der Fisch Sand auf der Suche nach Kleintieren und organischem Material – daher wohl auch der Name Steinbeißer. Die nicht verwertbaren Teile des Bodenmaterials stößt er durch die Kiemen wieder aus.
Mit der konsequenten Modernisierung der Kläranlagen im Lippegebiet und der Fortsetzung der Renaturierungsmaßnahmen entlang der Lippe wird sich der Lebensraum des Steinbeißers weiter vergrößern. Das bestätigten auch die Molekular-Experten der Universität Duisburg-Essen, die die Umwelt-DNA des Fisches bereits in verschiedenen Proben aus renaturierten Abschnitten der Lippe fanden.
Das Programm „Lebendige Lippe“
Der Lippeverband übernimmt im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen neben der allgemeinen Pflicht der Gewässerunterhaltung auch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an der Lippe. Hierzu hat das Land im Jahre 2013 das Programm „Lebendige Lippe“ für seinen Zuständigkeitsbereich aufgelegt, das der Lippeverband umsetzt. Neben der Fortsetzung bestehender Projekte wurden mehrere neue Projekte begonnen. Der Zuständigkeitsbereich des Lippeverbandes erstreckt sich von Lippborg über rund 147 Kilometer Flusslauf bis zur Mündung in den Rhein bei Wesel und umfasst etwa 110 Quadratkilometer Auenfläche. Das übergeordnete Ziel des Programms „Lebendige Lippe“ ist die langfristige Verbesserung und Wiederherstellung eines intakten Fluss-Auen-Ökosystems mit einer Erhaltung und Entwicklung von fluss- und auentypischen Strukturen und Lebensgemeinschaften. Für das Landesgewässer Lippe werden zu 100 Prozent Landesmittel eingesetzt.