Ahmad Salem ist Ingenieur und Spezialist für Netzwerktechnik. Im Moment besucht der Syrer einen Deutschkurs des Multikulturellen Forums in Bergkamen und hat nur einen Wunsch: „Ich möchte gerne ein Praktikum bei Bayer machen, um die Arbeitswelt in Deutschland kennen zu lernen.“ Sein Landsmann Ramadan Jawad nickt zustimmend: „Ja, wir wollen unbedingt arbeiten.“ Ein erster Schritt dazu erfolgte in dieser Woche mit dem Besuch der Labore und Werkstätten der Bayer-Ausbildungsabteilung.
Zusammen mit fünf weiteren Flüchtlingen aus Syrien, Nigeria und Sri Lanka machten sich die beiden Männer dabei einen Eindruck von den Anforderungen in den chemischen und technischen Ausbildungsberufen, die Bayer in Bergkamen anbietet. „Ein Besuch hier und bei zwei anderen Firmen ist Bestandteil unseres berufsvorbereitenden Deutschkurses“, erläutert Hella Koch, Dozentin beim Multikulturellen Forum. „Die Geflüchteten sollen auf diese Weise Einblicke in die deutsche Arbeitswelt erhalten.“ Und so zeigten Ausbilder und Auszubildende des Pharmaunternehmens die Arbeit in der Elektro- und Metallwerkstatt sowie die Arbeitsplätze der angehenden Chemikanten und Chemielaboranten.
Auf ihrem Rundgang durch die Ausbildung konnten die Gäste an manchen Stationen kleine Aufgaben selbst ausführen, etwa bei der Metallbearbeitung oder beim Filtrieren von Wasser. Alles mit Helm, Brille und Handschuhen. Willig zogen die Besucherinnen und Besucher die Schutzkleidung an und ließen sich interessiert die Arbeitsabläufe zeigen. Probleme bei der Verständigung gab es nicht. Alle Gäste sprachen nahezu fließend Deutsch. „Doch meine Sprachkenntnisse reichen noch nicht, um wieder in meinem alten Beruf zu arbeiten“, sagt Ramadan Jawad, der seit zwei Jahren in Deutschland lebt.
In Syrien war Jawad Schulleiter und hat Französisch unterrichtet. Derzeit arbeitet er als Übersetzer und hofft, dass er in Deutschland noch einmal eine Ausbildung machen kann. Vielleicht bei Bayer. „Das Alter von Bewerbern ist für uns zweitrangig. Viel wichtiger sind der persönliche Eindruck und natürlich sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache“, machte Ausbildungsleiter Karl Heinz Grafenschäfer deutlich. Womöglich eine Chance für die junge Akademikerin Lama Abo Esmail, die in ihrer syrischen Heimat bereits als Chemikerin gearbeitet hat und ebenfalls zu den interessierten Besucherinnen gehörte.
„Viele unserer insgesamt 16 Kurs-Teilnehmer sind Akademiker und haben ein unglaubliches Know-how. Wir tun alles, damit dieses in Deutschland nicht verpufft“, sagt Dozentin Hella Koch. Daher verwundert es kaum, dass einige ihrer ehemaligen „Schüler“ bereits eine Beschäftigung gefunden haben. Nicht immer in akademischen Berufen. Gefragt sind auch einfache Hilfsjobs. „Wir betreuen auch Geflüchtete, die nur drei Jahre die Schule besucht haben und sich verstecken mussten, um nicht als Kindersoldaten missbraucht zu werden“, erzählt Hella Koch. „In solchen Fällen ist eine Ausbildung in Deutschland ein nicht sofort zu realisierender Traum. Da sind wir froh, wenn ihnen erstmal Anlernjobs angeboten werden können.“