Am Ende beklatschten alle begeistert die eigenen Gesundheitssünden. So mancher soll direkt im Anschluss bei der Entsorgung von Tiefkühlpizza-Stapeln beobachtet worden sein. Andere wurden am nächsten Tag beim Metzger und beim Kauf von frischem Sauerkraut ertappt. Keine Frage: Doc Esser brauchte im studio theater nur knapp drei Stunden, um die Gesundheitsgewohnheiten der Bergkamener elementar zu wandeln. Mit viel Musik, Mitklatsch-Gymnastik und stehenden Ovationen.
Schließlich ging es hier unter dem Motto „Gesund gestorben ist trotzdem tot“ um nichts Geringeres als das eigene Ableben. Als Jahresauftakt ein perfekter Coup, auch für die guten Vorsätze und das schlechte Gewissen. Ausnahmslos jeder fühlte sich ertappt und entlarvt: Zu wenig Sport, zu viel schlechtes Essen, zu großer Glaube an Werbung, Studien und Gesundheitsmärchen – und Großeltern, die es auch nicht besser wussten. Heinz-Wilhelm Esser ging allem an die Substanz, worin sich der Normalsterbliche gemütlich eingerichtet hatte.
Konzentriert mit kompletter Band im Rücken.Dass er dazu mit der „Magnum“-Titelmelodie Einzug im studio theater hielt, war gleichsam Programm. Unerbittlich fahndete er nach den Mängeln und Makeln im allgemeinen Gesundheitsgefüge. Seine Verbündete war die vierköpfige Band aus hochkarätigen Musikern, die gut gelaunt das Loblied auf den Privatpatienten anstimmten. Immerhin war hier eine First-Line-Behandlung versprochen jenseits vom siechenden Gesundheitssystem mit garantiertem Facharzttermin und schaffbaren Wegen zum nächsten Krankenhaus.
Die alten weißen Männer der Medizin von Prof. Brinkmann bis Dr. Best und Dr. Sommer wurden beerdigt und Galilei samt Paracelsus als Vorreiter der Studien gefeiert, „in einer Zeit, wo viele Männer Behauptungen von sich geben“. Aber es gibt noch Hoffnung: Sport macht schlau, auch wenn viele Fußballer-Zitate eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen. Das Loblied auf das Grugabad feierte die letzten verbliebenen einer hinweggekürzten Sportstättenkultur. Finger weg vom Rotwein, auch wenn es beim Hausarzt noch nicht angekommen ist. Dafür ist Kaffee wieder erlaubt, selbst wenn fast keine Studie dazu irgendeine Basis erlaubt.
Richtig Spaß machte das Gesundheitsquiz, bei dem sich die Zuschauerinnen auf der Bühne zwar gut schlugen, aber ebenso oft beim Raten um das richtige Oma-Gesundheitsrezept daneben lagen. Besser nicht Luft an die Wunde und kaltes Wasser auf die Verbrennung lassen. Vitamin C-Vorräte nützen gar nichts bei Grippe und mit nassem Haar sollte man tatsächlich lieber nicht in den eiskalten Winter marschieren. Auch dem Superfood bereitete Doc Esser einen gründlichen Garaus: Chiasamen sind randvoll mit todbringenden Bioziden, wenn sie erschwinglich um den halben Erdball hierher gekarrt werden. Dann doch lieber Leinsamen und frisches Sauerkraut vom Metzger, die sind auch viel gesünder.
Und: Immer schön auf die Seele achten, sonst hat alle Resilienz und Selbstwirksamkeit samt Ambiguitätstoleranz in der neurogenen Plastizität keine Chance. Wem das nicht gelingt: Einfach mal lachen. So wie am Freitag mit Doc Esser. Gern bald wieder!
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