Betrunken über die „Lünener“: Mildes Urteil für Muster-Angeklagten

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von Andreas Milk
Es sah so aus, als würde Torben T. (30, Name geändert) seinen Führerschein noch im Verhandlungssaal zurückbekommen. Der Bergkamener trat vor der Kamener Strafrichterin nach einer Trunkenheitsfahrt über die Lünener Straße als Muster-Angeklagter auf – und zwar glaubhaft. Auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft war der Ansicht, das Verfahren könne gegen Zahlung einer Buße an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt werden. Aber sie durfte als Referendarin nicht darüber entscheiden. Das tat ihr Ausbilder in Dortmund nach telefonischer Rücksprache. Er sagte: Nein.

12. Juli 2023, morgens gegen zwei Uhr. Torben T. wird in seinem Wagen von einer Polizeistreife gestoppt. Ein Bluttest ergibt später 1,18 Promille. Dazu kommt: Statt mit den erlaubten 70 Kilometern pro Stunde soll T. zeitweise mit Tempo 130 gefahren sein.

Das ist übel, keine Frage. Der Richterin erklärte er, dass er in jener Nacht mit Arbeitskollegen Bier getrunken habe. Ihm sei nicht bewusst gewesen, wie viel. Ungewöhnlich und mustergültig ist, was T. im Anschluss tat. Er holte sich psychologische Hilfe, trank keinen Tropfen Alkohol mehr, belegte das auch mit Screening-Nachweisen. Alkoholkonsum habe für ihn heute „nichts Positives mehr“, sagt er. Einen „bereichernden Kurs“ habe er absolviert und viel über sich gelernt – etwa, dass sich Unruhe und überschüssige Energie sinnvoll in Sport kanalisieren lassen.

Und natürlich sind das Vorstrafen- und das Verkehrssündenregister leer. Die Richterin sprach – da nun mal die Verfahrenseinstellung am Nein aus Dortmund gescheitert war – das denkbar mildeste Urteil: eine „Geldstrafe auf Bewährung“ in Höhe von 30 Tagessätzen à 70 Euro, zu zahlen nur, wenn wieder was passiert. Wovon bei Torben T. wohl niemand ausgeht.

Lässt die Staatsanwaltschaft sieben Tage nichts von sich hören, wird das Urteil rechtskräftig. Und dann kann Torben T. auch seinen Führerschein wiederhaben. Der Ingenieur wartet dringend drauf: Mobilität wird in seinem Job von ihm erwartet.