Ausstieg aus der IGA 2027: CDU kritisiert den Bürgermeister scharf

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Ehemalige IGA-Baustelle auf dem Kanalband. Foto: Stadt Bergkamen

In fünf Tagesordnungspunkten wird sich der Bergkamener Stadtrat am kommenden Donnerstag in seiner letzten regulären Sitzung in dieser Legislaturperiode mit der Abwicklung der Internationalen Gartenbauausstellung 2027 beschäftigen. Den größten Diskussionsbedarf wird es aller Voraussicht nach ganz zum Schluss geben. Hier hat die CDU eine fünfseitige Anfrage zum Ausstieg der Stadt Bergkamen aus dem IGA-Projekt gestellt.

Hier erwartet die CDU-Fraktion eine Stellungnahme von Bürgermeister Bernd Schäfer. Allerdings ist offensichtlich für die Christdemokraten schon jetzt klar, dass die Hauptverantwortung für das „IGA-Debakel“ bei Schäfer liegt. Hier nun der größte Teil der Anfrage. Es wird sicherlich eine hitzige Debatte geben, nicht nur weil der Donnerstag laut Wetterprognosen verspricht, der bisher heißeste Tag des Jahres in Bergkamen zu werden.

Die CDU-Anfrage:

„Irreführung des Rates durch eine haltlose 5-Millionen-Euro­ Forderung

Im Vorfeld der Ratssitzung am 14. September 2023 wurde dem Rat eine angebliche Regressforderung der RAG von über 5 Millionen Euro als finanzielles Hauptrisiko eines IGA-Ausstiegs präsentiert. Diese Summe war ausschlaggebend dafür, dass der Antrag der CDU-Fraktion auf Ausstieg aus der IGA van der Mehrheit des Rates abgelehnt und das Projekt fortgeführt wurde.

In der Antwort vom 10. Februar 2025 räumt Ihre Verwaltung nun ein, dass für diese Forderung zu keinem Zeitpunkt eine vertragliche Grundlage bestand. Die Annahme basierte lediglich auf der Einschätzung eines ,,konkludenten Handelns“. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine derart vage Annahme ohne juristische Prüfung zur Grundlage einer weitreichenden politischen Entscheidung gemacht wurde. Bemerkenswert ist, dass der damals als Kammerer und Volljurist in den Prozess eingebundene Beigeordnete diese Forderung offenbar nicht in Zweifel zog.

Es ist bezeichnend, dass eine fundierte juristische Prüfung offenbar erst dann veranlasst wurde, als die Verwaltungsspitze im Herbst 2024 selbst den Ausstieg forcierte – und diese Prüfung die angebliche Regress­ Forderung entkräftete. Dieses Vorgehen legt den Schluss nahe, dass die Darstellung von Risiken instrumentalisiert wurde, um eine gewünschte politische Entscheidung herbeizuführen.

Späte Information über den Wegfall von Fördermitteln

 Ihre Verwaltung bestätigt, dass die finalen Absagen für zentrale Förderprogramme (BBSR, EFRE) über ca. 7 Millionen Euro bereits am 12. Juni und 8. Juli 2024 vorlagen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der im September 2023 vom Rat mehrheitlich beschlossene Kostendeckel von 15,9 Mio. € Eigenanteil faktisch gesprengt und das Projekt unter den gegebenen Prämissen finanziell gescheitert.

Doch statt den Rat der Stadt Bergkamen unverzüglich zu informieren, wurde diese entscheidende Information monatelang zurückgehalten. Mehr noch: Laut Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung, Strukturwandel und Wirtschaftsforderung vom 10. September 2024 berichtete der Technische Beigeordnete über den Sachstand, verlor jedoch kein Wort über den Ausfall der fest eingeplanten Millionen­ Forderung. Die nachträgliche Begründung eines ,,intensiven Prüfprozesses“ über die Sommerferien rechtfertigt dieses Vorgehen nicht. Der Wegfall tragender Säulen der Finanzierung ist keine Detailfrage für interne Prüfungen, sondern eine wesentliche Entwicklung, die der sofortigen Mitteilung an den Rat bedarf, demgegenüber Sie als Burgermeister gem.§ 62 Abs. 4 GO NRW eine Unterrichtungspflicht haben.

Anstatt das Projekt nach dem Ausfall wesentlicher Fördermittel zu stoppen und die notwendige politische Neubewertung durch den Rat abzuwarten, arbeitete die Verwaltung monatelang weiter, als wäre nichts geschehen: In Kenntnis der Hinfälligkeit des Finanzierungsplans vergab sie weiter Auftrage und verursachte Kosten.

Organisationsversagen bei der Projektsteuerung

 Ein ähnliches Muster offenbart die Chronologie rund um den Bauzeitenplan:

Am Montag, den 09. September 2024 ging im zuständigen Dezernat per E-Mail der neue Bauzeitenplan der RAG ein, der das endgültige Aus für eine fristgerechte Fertigstellung bedeutete. Nur einen Tag später, am Dienstag, den 10. September 2024, berichtete der Technische Beigeordnete im Stadtentwicklungsausschuss über den IGA-Sachstand – ohne diese für das Projekt entscheidende Information zu erwähnen.

Die Erklärung, die E-Mail der RAG sei aufgrund von ,,Urlaub und Krankheit“ unbearbeitet geblieben, ist keine Entschuldigung, sondern das Eingeständnis eines Organisationsversagens. Die weitere Kette der Ereignisse belegt dies eindrücklich:

Erst am Montag, den 16. September, eine volle Woche nach Eingang der E-Mail, informierte die aus dem Urlaub zurückgekehrte Bauleitung den Technischen Beigeordneten und die Projektsteuerung über den neuen Bauzeitenplan.

Die interne Prüfung der Konsequenzen dauerte bis zum 19. September.

Weitere fünf Tage später, am 24. September, wurde der gesamte Verwaltungsvorstand informiert.

Während die Verwaltungsspitze bereits ein Krisengespräch mit RAG und RVR für den 30. September ansetzte, wurden die Fraktionsvorsitzenden erst am 01. Oktober 2024 in Kenntnis gesetzt – ganze 22 Tage, nachdem die das Projekt beendende Nachricht im Rathaus eingegangen war.

Für das Projektmanagement wurden erhebliche personelle Ressourcen eingesetzt: Eine eigens eingerichtete IGA-Stabsstelle – besetzt mit einer Leitung, einem Projektingenieur, einer Tourismus- sowie einer Verwaltungskraft – und ein zusätzlich beauftragter externer Projektsteuerer waren für den reibungslosen Ablauf zuständig.

Kernaufgabe einer derart ausgestatteten Facheinheit ist es, den Informationsfluss bei einem Projekt dieser Größenordnung lückenlos sicherzustellen und Redundanzen für alltägliche Ausfalle zu schaffen.

Die Tatsache, dass eine E-Mail mit derartiger Tragweite zunächst eine Woche lang intern unbearbeitet bleibt und die politische Ebene anschließend erst nach weiteren zwei Wochen – also insgesamt mehr als drei Wochen nach Eingang – informiert wird, belegt ein Organisationsversagen, das durch die vorhandenen Strukturen offensichtlich nicht verhindert werden konnte. Die volle Verantwortung fur die Organisation und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung liegt gem. § 62 Abs. 1 GO NRW beim Burgermeister als Leiter der Verwaltung.

Das jahrelange Versäumnis, eine vertragliche Grundlage zu schaffen

 Uber die gesamte Projektlaufzeit blieb das größte und offensichtlichste Risiko ungelöst: Es existierte zu keinem Zeitpunkt ein von Stadt, dem RVR und – entscheidend – der RAG unterzeichneter Kooperations- oder Überlassungsvertrag für die HaIde Haus Aden 2, also der Fläche, auf der die IGA stattfinden sollte.

Die Verwaltung kannte dieses Risiko und hat wiederholt auf die Tragweite dieses Mangels hingewiesen. Bereits im Mai 2022 hatte die Verwaltung berichtet, man arbeite an einem ,,Grundlagenvertrag“, am Mai 2024 wurde im Ausschuss versichert, dessen Unterzeichnung stehe ,,in Kürze“ bevor. Auf Nachfrage im Rat am 04. Juli 2024, ob dem Vertrage mit der RAG zum 30. Juni 2024 geschlossen worden seien, hieß es erneut, dass dies ,,in Kürze erfolgen“ werde. Im Entwurf des Jahresabschlusses 2022 wurde die ,,anhaltend unklare vertragliche Situation“ als ,,erhebliches Kostenrisiko“ benannt; in der Beschlussvorlage vom 13. November 2024 schließlich wird derselbe Punkt als ,,unkalkulierbares Risiko“ deklariert – zu einem Zeitpunkt, da sich das Risiko bereits realisiert hatte.

Die Folgen dieser vertraglichen Leerstelle traten offen zutage, als die RAG am 9. September 2024 einen neuen Bauzeitenplan vorlegte, der eine fristgerechte Fertigstellung ausschloss. Ohne vertragliche Bindung konnte die Stadt weder Verzugsanspruche geltend machen noch den ursprünglichen Zeitplan durchsetzen. Gleichwohl waren bis November 2024 bereits Millionen verausgabt und weitere Millionen vertraglich gebunden – alles ohne gesicherte Eigentums- und Nutzungsrechte für die Flache.

Das Fehlen des Vertrags wurde von der Verwaltung argumentativ je nach Bedarf eingesetzt: Im September 2023, um mit einer vermeintlichen Regressgefahr vom Ausstieg abzuhalten, und im November 2024, um den nun eigenen Ausstieg als unproblematisch darzustellen. Fakt ist: Öffentliche Mittel in Millionenhohe wurden investiert, ohne dass die rechtliche Grundlage für die Nutzung der Kernflachen gesichert war. Dies stellt einen fundamentalen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht im Umgang mit Steuergeldern dar.

Fazit und offene Fragen

 Das Gesamtbild zeigt eine Projektführung, die ihrer Verantwortung in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht wurde. Die Konsequenzen sind ein erheblicher Vertrauensverlust bei den politischen Akteuren und in der Öffentlichkeit sowie ein finanzieller Schaden in Millionenhohe für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Stadt Bergkamen. Dessen genaue Hohe sowie die Verantwortlichkeiten sind Iückenlos aufzuklären.

Zum Zeitpunkt der Beantwortung unserer ersten Anfrage konnten Kosten für Aufhebungsvertrage, den Austritt aus der IGA gGmbH, Strafzinsen und weitere Positionen noch nicht abschließend beziffert werden. Wir bitten Sie daher, uns bis zur Ratssitzung am 03. Juli 2025 einen aktualisierten und detaillierten Zwischenstand oder, falls möglich, die Endabrechnung zum finanziellen Gesamtschaden vorzulegen.

Darüber hinaus erwarten wir eine Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wer übernimmt die Verantwortung für das IGA-Millionengrab?
  2. Welche Lehren zieht Ihre Verwaltung aus diesem Debakel?

 Sie haben sich öffentlich zu ,,maximaler Transparenz“ bekannt. Wir erwarten, dass Sie dieses Versprechen einlösen. Die Burgerinnen und Burger der Stadt Bergkamen haben ein Anrecht auf die vollständige Aufklarung.

Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Bergkamen bittet um Aufnahme auf die Tagesordnung in die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses und des Rates der Stadt Bergkamen am 03.07.2025.“

 

 

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