von Andreas Milk
Ein zerknirschter Angeklagter hat heute im Kamener Amtsgericht seinen enttäuschten Ex-Chef wiedergesehen. André H. (Name geändert) war bis September vorigen Jahres in einem Bergkamener Großhandel beschäftigt. Dann flog er auf – mit einem Diebstahl im großen Stil. Digitalkameras und anderes Material für 6.200 Euro hatte er aus der Firma herausgemogelt. Das war allerdings bloß die berühmte „Spitze des Eisbergs“. H. soll seit 2016 einen Schaden von insgesamt rund 70.000 Euro angerichtet haben. Er konnte das, weil er Vertrauen genoss.
Aber irgendwann schöpfte die Geschäftsleitung eben doch Verdacht. Der „Schwund“ im Warenlager war einfach zu groß. Eine Videoüberwachung lieferte die nötigen Anhaltspunkte für eine Falle. Als H. schließlich ein weiteres Paket mit geklauter Ware auf den Weg brachte – Adressat: ein Freund von ihm -, kam alles raus: Die Kripo griff zu.
Besonders bitter: In der Bergkamener Firma gehörte H. quasi zum Inventar. 1994 hatte er hier seine Ausbildung begonnen, seitdem war er dabei. Privat lief allerhand schief. Eine Scheidung brachte finanzielles und psychisches Desaster. Als es H. so richtig mies ging, kam ihn der Chef im Krankenhaus besuchen. Man ist per Du – und war es auch im Gerichtssaal. Dort betonte H., wie leid ihm alles tue. Er allein sei schuld; der Freund, an den er Kameras & Co. weitergab, habe keine Ahnung gehabt, dass was faul war. Sein Job sei es gewesen, die Sachen online zu verkaufen.
H. hat keinerlei Vorstrafen. Das Urteil jetzt: sechs Monate Haft, ausgesetzt auf Bewährung. Schadenshöhe und das besondere Vertrauensverhältnis, das H. ausgenutzt habe, spielten eine Rolle, so der Richter. Der appellierte an H., sich nicht mehr vor Gericht sehen zu lassen. Außerhalb der Justiz wollte H. bisher nicht zu seinem Tun stehen. Er habe eine Freundin und mit ihr ein Kind, erklärte er. Aber noch wisse sie nichts vom Prozess und von der Sache mit den Kameras.