In einer Ecke geht es ganz schön kriegerisch zu. Schwerter und Schilde stehen an den Zeltwänden, der Bogen ist gespannt, die Pfeile sind akkurat im Köcher verstaut. Ein Helm, Kettenhemd, Messer, Fibeln, Dolche: Alle Zeichen stehen hier auf Krieg. Vor der Holz-Erde-Mauer geht es friedlicher zu. Jemand flickt mit Nadel Leinen und Faden sein buntes Beinkleid. Eine adrett gekleidete Frau schlürft aus einem tönernen Becher ein heißes Gebräu. Ein paar Meter weiter wird gemauert: Ein Stroh-Lehm-Gemisch ist zu Ziegeln geformt, mit einem ähnlichen Material in matschiger Form werden sie miteinander verbunden.
Die Epochen passen nicht immer zusammen. Die Holz-Erde-Mauer ist römisch und stammt aus dem 1. Jahrhundert. Das Empfangshaus, das gerade entsteht, ist aus derselben Zeit. Die friedlichen Wegelagerer kommen aus Schweden und aus dem Kaukasus aus dem 8./9. und aus dem 10. Jahrhundert. Ins 5. Jahrhundert gehören manche Requisiten der kriegerischen Experten. Mittendrin läuft jemand aus der Steinzeit herum. Vor allem das Frühmittelalter hatte zur Saisoneröffnung am Wochenende im Römerpark das Sagen. Die Darsteller trotzten den mächtigen Regenschauern am Freitag, bauten ihre Zelte auf und zeigten, was alle in akribischer Kleinstarbeit in vielen Stunden originalgetreu geschaffen hatten.
Steffi ist eigentlich Psychologin und interessiert sich schon immer für Fantasy und Mittelalter. Während des Studiums zog sie in eine neue Stadt und wollte Leute kennen lernen. Die Szene war der beste und schnellste Weg. Jetzt ist sie hier festgesetzt und hat alles, was sie am Leib trägt, detailgetreu an die unvollständigen Funde eines ganz bestimmten Fundorts in Schweden angelehnt. „Gerade das Fundorientierte finde ich spannend, denn wir sind ja schließlich alle irgendwie auch Wissenschaftler“, sagt sie. Wie ihr Begleiter. Der ist eigentlich Physiker und Datenanalyst. Jetzt flickt er gerade ein Loch in seiner bunten schwedischen Hose, die irgendjemand im 10. Jahrhundert tatsächlich genauso getragen hat.
Multikulturelle Gesellschaften schon im Frühmittelalter
Knallbunt ist die spitze Mütze, die ein Khazare nebenan auf dem Kopf trägt. Sie ist kunstvoll aus Seide gewebt. Die kam im 8./9. Jahrhundert über die Seidenstraße in den Kaukasus. Händel, wie er noch heute die globalisierte Welt prägt. Überhaupt: Die Ur-Schweden mit ihren spitzen blauen Mützen sind immerhin im Rheinland nachgewiesen. Menschen aus dem Osten zog es immer schon in die hiesigen Gefilde. Völkerwanderungen waren im gesamten Mittelalter global unterwegs und sorgten für multikulturelle und durchmischte Gesellschaften. Das, worüber heute so heftig diskutiert wird, ist auch seit Jahrhunderten Fakt.
So war die Saisoneröffnung eigentlich auch ein Stückweit topaktuell – und politisch. Das frühe Mittelalter hat jedenfalls auch in Bergkamen neben den allgegenwärtigen Römern Spuren hinterlassen. Mit einem prächtigen Merowingergrab, das vor einigen Jahren entdeckt wurde. Und mit der Bumannsburg sterben den Konflikt zwischen Sachsen und Franken veranschaulicht und schon lange bekannt ist.
Auch am Sonntag können die Besucher den Akteuren noch auf die Finger und in die Behausungen schauen. Nach dieser Eröffnung ist der Römerpark an jedem Wochenende samstags und sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet und lädt zu weiteren Zeitreisen ein. Übrigens durchgängig betreut von Ehrenamtlern des Museumsfördervereins.