„Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“, skandieren die gut vier Dutzend Gegner der Coronamaßnahmen. Impfen, Masken, Abstände – das bedeutet in ihren Augen Einschnitte in die Grundrechte und noch viel mehr. Sie marschieren ohne all das geschlossen los zu einem der aktuell beliebten „Spaziergänge“. Auf der anderen Seite des Busbahnhofs haben sich drei Mal so viele Menschen mit Masken versammelt. Sie drehen sich demonstrativ um, als die Spaziergänger vorbeiziehen. Ein Schauspiel, das gerade in einigen Städten den so viel propagierten Frieden stört.
Die meisten, die dem Aufruf des Bergkamener Arbeitskreises Demokratie zur „Gegendemo“ am Sonntag gefolgt sind, haben nichts gegen andere Meinungen zur Corona- und Impfpolitik. Sie sind vor allem wütend darüber, dass der „Spaziergang“ inzwischen zum zweiten Mal „von einem Bürger aus Lünen mit rechtsextremistischem Hintergrund“ angemeldet wurde. Dass auf diese Weise nachvollziehbare Sorgen und Ängste mit einer bedenklichen Ideologie vermischt werden, kann nicht angehen. „Wir in Bergkamen sind Vielfalt – Null Toleranz gegen Rechts“, betonte Bürgermeister Bernd Schäfer. Demokratieverständnis auf der Basis unseres Grundgesetzes wollten die Gegendemonstranten zeigen.
Vermischt wurde vor dem Rathaus einiges. Mitglieder der AfD wurden unter den Gegnern der aktuellen Coronapolitik gesichtet. Fahrzeuge anderer basisdemokratischer Parteien mit Nähe zu weniger demokratischen Kreisen waren zu sehen, ebenso auffällig viele Autos mit weit entfernt beheimateten Kennzeichen. Verbal lieferten sich beide Seiten lautstarke Duelle ihrer Argumente über die eskortierenden Polizeifahrzeuge hinweg. Die Gegendemonstranten warteten geduldig bis zur Rückkehr der Spaziergänger und das Schauspiel wiederholte sich. Alles blieb friedlich, immerhin fand sich das Wort „Friede“ in verschiedenen Varianten auf den Bannern beider Seiten.
„Wir wollen zeigen, was die meisten Bergkamener denken: Uns ist eine Gesellschaft wichtig, die für Obacht, Fürsorge und Verantwortung steht. Wir sind bunt und halten zusammen“, betont Manuela Veit als Vorsitzende des Arbeitskreises Demokratie, der alle Bereiche der zivilen Gesellschaft mit Vertretern von Vereinen, Verbänden, Parteien, Gruppen und Kirchen widerspiegelt. „Jeder darf seine Meinung sagen“, sagt sie, „aber wir müssen dabei aufeinander achten“. Sie und alle anderen Teilnehmer wollten am Sonntag, „dass das gesehen wird und dass wir uns mit dieser Überzeugung zeigen“. Bürgermeister Bernd Schäfer war außerdem ein Appell an die Gegenseite wichtig: „Hinterfragen Sie sich, warum Sie sich durch den Initiator auf diese Weise instrumentalisieren lassen!“
Bemerkenswert war außerdem die große Anzahl junger Menschen unter den ca. 50 Teilnehmern des Spaziergangs.