
Unter großer Beteiligung fand am Donnerstag, den 11. September in der VHS Bergkamen, eine Fachveranstaltung zum Thema „Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftat“ (ASS) statt. Eingeladen hatte die Arbeitsgruppe ASS des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt des Kreises Unna. Ziel der Veranstaltung war es, Fachkräften aus psychosozialen Arbeitsfeldern sowie weiteren Interessierten einen umfassenden Einblick in die Bedeutung und Herausforderungen der Anonymen Spurensicherung zu geben. Durch die Veranstaltung führte die fast 100 Teilnehmenden Britta Buschfeld, Geschäftsführerin des Frauenforums im Kreis Unna e.V.
Den Einstieg in die Vorträge machte Silvia Gosewinkel, Mitglied des Landtags NRW. Sie hob die Wichtigkeit der Anonymen Spurensicherung als Teil des Hilfesystems hervor und betonte, dass jede dritte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt. Eine standardisierte Spurensicherung mit anschließender Vermittlung weiterführender Hilfen ist derzeit jedoch nur nach Erstattung einer Anzeige möglich. Gosewinkel forderte einheitliche Standards sowie eine breitere Bekanntmachung der Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung.
Ariane Raichle vom Frauenforum im Kreis Unna e.V. stellte im Anschluss das Modell der Anonymen Spurensicherung vor. Sie informierte über aktuelle Entwicklungen und den Stand im Kreis Unna und ging auch auf bestehende Herausforderungen ein. Ziel der ASS sei es, Betroffenen sexualisierter Gewalt die Möglichkeit zu geben, gerichtsverwertbare Spuren sichern zu lassen – ohne sich sofort zu einer polizeilichen Anzeige entscheiden zu müssen. Dies verschaffe den Betroffenen Zeit, um über weitere Schritte nachzudenken, ohne dass wichtige Spuren verloren gehen. Raichle betonte, dass ASS keine Konkurrenz zur anzeigeabhängigen Spurensicherung sei, sondern eine wichtige Ergänzung im Hilfesystem, insbesondere für Frauen, die (noch) keine Anzeige erstatten möchten.
Elina Jaques, Fachberaterin im Frauenforum Unna, erläuterte eindrücklich die psychosozialen Aspekte der Unterstützung nach sexualisierter Gewalt. Viele Betroffene seien nach einer solchen Erfahrung zunächst ohnmächtig, hätten keine Worte und seien kaum handlungsfähig. Der massive Kontrollverlust stelle eine große Belastung dar. Daher sei es essenziell, im Beratungsgespräch Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und die Selbstbestimmung der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen. „Es geht darum, die Kontrolle zurückzugeben – nicht darum, sie zu etwas zu drängen“, betonte Jaques.
Abschließend beleuchtete Rechtsanwältin Gesine Ickert in ihrem Fachvortrag die Chancen der Anonymen Spurensicherung aus rechtlicher Perspektive. Aus ihrer langjährigen Erfahrung als Opferanwältin berichtete sie von der hohen Zahl an Verfahrenseinstellungen in Fällen sexualisierter Gewalt – rund 80 Prozent, wie auch mehrere anwesende Juristinnen bestätigten. Ickert wies darauf hin, welche weitreichenden und auch belastenden Konsequenzen eine Strafanzeige für Betroffene haben kann sowie, dass eine einmal gestellte Anzeige nicht rücknehmbar sei. Trotz bestehender Herausforderungen zog Ickert ein positives Fazit: Opferschutz und effektive Strafverfolgung schließen sich nicht aus – im Gegenteil: Für manche Betroffene könne eine Anzeige ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung des Geschehenen sein.
Die Veranstaltung zeigte eindrücklich, dass die Anonyme Spurensicherung ein bedeutendes Instrument im Umgang mit sexualisierter Gewalt ist – jedoch nur in Kombination mit guter Beratung, rechtlicher Unterstützung und politischem Rückhalt seine volle Wirksamkeit entfalten kann. Trotz vorhandener Strukturen seien weiterhin umfassende Informationsarbeit und strukturelle Verbesserungen notwendig, um Betroffenen wirklich gerecht zu werden.
Britta Buschfeld zog für die Veranstalter ein positives Fazit: „Die große Resonanz auf die Veranstaltung zeigt, wie hoch das Interesse ist, Betroffenen nach sexualisierter Gewalt zeitnah und professionell helfen zu können. Mit unserem gemeinsamen Engagement können wir das Bewusstsein weiter schärfen, Hürden abbauen und Betroffenen mehr Sicherheit und Perspektiven geben.“
Weitere Informationen zur Anonymen Spurensicherung gibt das Frauenforum im Kreis Unna unter Telefon 0 23 03 / 82 202 oder per E-Mail an a.spurensicherung@frauenforum-unna.de
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