Von der Lehre bis zur Rente in ein und demselben Unternehmen arbeiten – das gelingt den wenigsten. Bayer-Mitarbeiter Manfred Thamm ist auf dem besten Wege, diese seltene Leistung zu vollbringen. Am 1. August 1967 begann der damals 14-Jährige seine Ausbildung. „Als Chemiefacharbeiter, das sind die heutigen Chemikanten“, erklärt der Jubilar. Damals war der frühe Schritt ins Berufsleben üblich. „Man sollte ja möglichst schnell Geld verdienen“, erzählt das Kamener Bergarbeiterkind, dessen erste Bewerbung sofort zum Erfolg führte und daher bis heute die letzte blieb.
Wenn Manfred Thamm auf 50 Berufsjahre zurückblickt, bemerkt er Veränderungen: „Vor allem die Einstellung der Menschen ist eine andere geworden.“ Hilfe und Respekt seien zwar auch heute noch üblich, aber früher sei der Betrieb eine zweite Familie gewesen. „Die Vorgesetzten waren Vaterersatz.“ Auch die Arbeitsintensität sei nicht mehr dieselbe. „Stillstand ist Rückschritt“, beschreibt Thamm die höheren Anforderungen. „Wenn ich mich in einem Jahr in die Rente verabschiede, wird mit Sicherheit Wehmut dabei sein, aber dann ist es auch gut so.“
Die Vorgesetzten waren Vaterersatz.“ (Manfred Thamm über die Veränderungen im Werk)
Gleichaltrige Kollegen sind schon lange nicht mehr da. Die hätten sich beruflich verändert oder früher aufgehört. „Viele verstehen nicht, warum ich so lange bleibe“, verrät Thamm. „Doch das Werk ist ein Stück von mir. Und trotz der Veränderungen war es für mich eine schöne Zeit.“ Dass er angesichts dieser Einstellung als konservativ gelte, stört ihn nicht.
Sein Werdegang war zum Teil eine Folge äußerer Einflüsse: Während der Ausbildung, die im Lehrlabor begann, durchlief er alle Ausbildungszweige. Jeweils drei Monate lang war er in den Fachbetrieben, lernte von der Schlosserei bis zur Elektrotechnik alles kennen. Angetan hatte es ihm speziell die Mikrobiologie. „Das war interessant, weil es damals nicht berechenbar war und man viel forschen konnte“, erklärt Thamm. „Kein Tag verlief wie der vorherige.“
1977 hatte er dann die Möglichkeit, eine Weiterbildung zum Industriemeister Chemie zu machen. „Auf dem zweiten Bildungsweg, neben den Wechselschichten. Das ging nur, weil mich die Kollegen wahnsinnig toll unterstützt und mir Freiräume geschaffen haben“, ist Thamm ihnen bis heute dankbar. Mit der Meisterprüfung wurde er zum Schichtmeister, zehn Jahre später dann sogar zum Obermeister ernannt. „Da trug ich Verantwortung für alles und spürte die Luft dünner werden“, sagt Thamm. „Aber dafür es gab ja auch das entsprechende Gehalt.“
Von der Mikrobiologie wechselte Thamm später in die technische Sachbearbeitung und Beratung im Anlagenbau. Als dann eine neue Stelle ausgeschrieben wurde, bewarb er sich. Seit 2007 ist er nun der Herr über die Pumpen. Geht es um die Beschaffung neuer Pumpen oder die Beratung der Betriebe, ist Manfred Thamm als Steuermann an Bord. „Ob Kläranlage, Kraftwerk, Destillation oder Produktionsbetrieb – ich habe einen guten Blick über den ganzen Standort“, sagt Thamm. Deshalb kennt er auch viele Kolleginnen und Kollegen auf dem Bayer-Werksgelände und hat im Laufe der 50 Jahre überall Freunde gefunden.