?Stalking-Fall am Supermarkt: Freispruch nach drei Strafanzeigen

image_pdfimage_print

von Andreas Milk

Er ließ sich deutlich anmerken, dass er den Angeklagten gern verurteilt hätte – wegen Nachstellung, also Stalking. Vielleicht auch wegen fahrlässiger Körperverletzung. Aber der Kamener Amtsrichter Martin Klopsch sah am Ende nur einen Freispruch als angemessen an. Etwas Anderes gebe der Gesetzestext nicht her.

Der Fall: Im Februar 2015 erstattete die Verkäuferin eines Bergkamener Supermarktes Strafanzeige gegen einen heute 75 Jahre alten Mann. Der lauere ihr in seinem Auto regelmäßig auf, verfolge ihren Wagen ein Stück auf dem Nachhauseweg, um schließlich abzubiegen und zu verschwinden. Bis zum nächsten Mal. Es war die dritte Anzeige der Verkäuferin gegen den Rentner seit dem Jahr 2012. Zwei Verfahren waren eingestellt worden. Diesmal nun wollte die Staatsanwaltschaft die Sache durchziehen.

Dass das Verhalten des Rentners – milde ausgedrückt – merkwürdig und lästig war: Darüber herrschte Einigkeit unter den übrigen Prozessbeteiligten. Bloß: Der entscheidende Paragraph im Strafgesetzbuch sagt, strafbar sei ein solches Verhalten erst, wenn das Opfer in seiner Lebensgestaltung beeinträchtigt wird. Die Verkäuferin allerdings gab an, das treffe auf sie nicht zu: Sie habe weder ihre Gewohnheiten noch die Route ihres Heimwegs geändert. Dass eine solche Standhaftigkeit des Opfers vor Gericht dem Täter nutzt: kurios, aber gesetzmäßig. In einem ärztlichen Attest ist zwar von einer psychischen Belastung der Supermarkt-Mitarbeiterin die Rede. Aber auch das brachte letztlich nichts: 1997 hatte die Frau einen Schlaganfall erlitten, nimmt seitdem ein stimmungsaufhellendes Medikament.

Dass es ihr ohne den Stalker inzwischen besser ginge, lässt sich vermuten – aber kaum beweisen.
Der Angeklagte übrigens hatte dem Richter gesagt, die Begegnungen mit der Verkäuferin seien durchweg Zufälle gewesen. Dass es so häufig passiert sei, liege eben daran, dass er seine Einkäufe nahezu täglich erledige, statt sich auf Vorrat einzudecken. Er habe als Ruheständler ja reichlich Zeit.
Seine Verteidigerin redete ihm nach Verhandlungsende zu, sein Verhalten zu ändern.

Richter Klopsch empfahl der Verkäuferin, notfalls einen Anwalt einzuschalten und zivilrechtliche Schritte zu prüfen. „Es tut mir ein bisschen leid, dass es heute so ausgeht.“