Wucher beim Schlüsseldienst: Bewährungsstrafe für 767-Euro-Rechnung

von Andreas Milk

Wegen Wuchers ist der Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes vor dem Amtsgericht Kamen zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Nach Überzeugung des Richters hatte Janis S. (Name geändert) die Notlage eines Geschwisterpaars in Bergkamen ausgenutzt. 767 Euro stellte er den beiden im März vorigen Jahres für eine halbe Stunde Arbeit in Rechnung – zahlbar sofort per EC-Karte. Später gingen die Geschwister zur Polizei.
An jenem Tag hatte es erst einen Feuerwehreinsatz gegeben: Die Wohnung vom tablettensüchtigen Bruder der beiden Geschwister musste gewaltsam geöffnet werden. Der Mann war hilflos, konnte nicht mehr selbst öffnen, brauchte medizinische Versorgung. Als die Feuerwehr weg war, stand die Wohnungstür offen und ließ sich nicht mehr schließen. Kurzes Googeln per Handy, die erstbeste 0800er-Nummer gewählt – und wenig später war Janis S. zur Stelle.

Es war ein Freitagnachmittag, etwa 16 Uhr: Kein Anlass also für besondere Wochenend- oder Nachtzuschläge. Der Bruder des Wohnungsbesitzers witzelte noch im Beisein von Janis S., die Branche der Schlüsseldienste habe ja einen miesen Ruf – mehr als 200 Euro dürfe der Einsatz nicht kosten, denn mehr habe er nicht dabei. Von Janis S. soll in dem Moment keine Reaktion gekommen sein; er machte seine Arbeit. Die Rechnung wies letztlich einen nicht näher erklärten „fallspezifischen Einsatzwert“ von 159 Euro aus sowie 217 Euro für einen Zylinder und 169 Euro für ein neues Schloss, dazu noch ein Arbeitsentgelt, das auf einen Stundenlohn von fast 160 Euro hochzurechnen ist.

Janis S.‘ Verteidiger forderte Freispruch. Begründung: Wucher sei nicht gegeben – dafür bräuchte es laut Strafrecht eine Notlage der Opfer. Die habe gefehlt – die beiden hätten sich eine Alternative überlegen können. Das sah der Richter anders – und er erklärte, wer in diesem Fall schon nicht von Wucher sprechen wolle, der müsse doch zumindest gewerbsmäßigen Betrug in dem Verhalten von Janis S. sehen. Es ist nicht das erste Mal, dass S. angeklagt war: Einige Verfahren sind schon abgeschlossen, andere laufen noch, die letzten sieben Wochen hat S. in U-Haft verbracht.

Staatsanwaltschaften in NRW, in Kiel und Frankfurt/Oder beschäftigen sich mit ihm. Seine Bergkamener Opfer hatten mit der 767-Euro-Rechnung eher noch Glück. Anderswo soll Janis S. für ähnliche Dienste 1.600 bis 1.800 Euro verlangt haben.