Wiedersehen mit alten Bekannten und neuen Herausforderungen beim Neujahrsempfang

Mit „Günna“ und viel Ruhrgebietsinterpretation ins Neue Jahr beim Neujahrsempfang.

Bürgermeister Bernd Schäfer beim traditionellen Rück- und Ausblick.

Manches glich beim Neujahrsempfang einem Déja-Vu. Die Wasserstadt Aden, der Logistikpark A2, der Museumsumbau, Internationale Gartenausstellung und Kanalband, Belebung der Marina Rünthe und Flüchtlinge sind Themen, die fast schon einen Stammplatz auf der Bergkamener Agenda haben. Gut, dass mit „Günna“ ein Comedian dabei war, der alles noch einmal mit einem Augenzwinkern zusammenfasste – vor allem in der Ruhrgebietssprache.

Stimmgewaltige Exkurse bot Jane Franklin mitten im Publikum.

Denn dass Radwege sich jetzt in „Alltagsradwege“ verwandelt haben, überall gestiegene Anforderungsprofile und Digitalisierung lauern und es neuerdings auch Klimaschutzkonzepte synchron zu Hochwasserphänomenen gibt, ist tatsächlich übersetzungsbedürftig. Neu ist auch die Freude darüber, dass es überhaupt wieder normal läuft. Zwei Jahre ist der letzte Neujahrsempfang her. Dazwischen gab es vor allem Corona, Krieg und dauernde Unwägbarkeiten. Neu ist nicht, dass der Bürgermeister meist kurz zuvor die Partnerstädte besuchte. Erst am Vortag war Bürgermeister Bernd Schäfer mit seinem Vorgänger Roland Schäfer im französischen Gennevilliers zu Gast – zum Neujahrsempfang.

Einen normalen Alltag gab es nicht mehr

Buck Wolters an der Gitarre.

Corona wirbelte alles durcheinander. Die Einarbeitung des neuen Bürgermeisters, denn „einen normalen Alltag gab es nicht“. Das gewohnte Leben: Fast alle Veranstaltungen fielen flach. Im vergangenen Jahr endlich wieder ein Hauch von Normalität. „Und 2023 wird es auch wieder ein Hafenfest geben“, ist Schäfer überzeugt. Riesig seien die Solidarität und Hilfsbereitschaft seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine bei den Bergkamenern gewesen. 420 Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet suchten Schutz in Bergkamen – 100 fanden ihn in Privatunterkünften, allein 60 in den Unterkünften in Weddinghofen. Insgesamt gab es mehr Flüchtlinge als in der Syrienkrise.

In die Schützenheide waren einmal mehr Menschen eingeladen, die das öffentliche Leben in Bergkamen in vielen Bereichen mitgestalten.

Groß auch das Engagement beim Hochwasser vor 2 Jahren. Schäfers Dank richtete sich vor allem an die Feuerwehr, das THW und den Baubetriebshof. Der Wertstoffhof ist nach juristischem Exkurs an den Hafenweg umgezogen, Bayer wird den alten Standort nutzen. Vor dem Museumsneubau wird „zeitnah“ der Vorplatz hergerichtet – die Rundumerneuerung steht weiterhin an. Wenig genutzt werden bislang die Förderanreize für die Flächenentsiegelung der neuen Stabsstelle Klimaschutz und Mobilität. In die Marina Rünthe ist gastronomisch wieder Leben eingezogen, auch im Logistikpark A2 mit einem Ikea-Fullfillmentcenter und 350 neuen Arbeitsplätzen in der verlassenen DHL-Halle. An der problembelasteten Jockenhöfer-Kreuzung soll ein Hotel aus Überseecontainern entstehen – der Bauantrag wird im Rathaus erwartete. Die Verschuldung des Kernhaushalts ist geringer als befürchtet: Gute Voraussetzungen für das, was da noch kommen mag.

Fallstricke und Neubauten

Dmitrij Telmanov an der Trompete.

Für den Neubau der Jahnschule etwa, bei dessen Umsetzung bislang „viele Fallstricke“ mit dem EU-weiten Vergabeverfahren mitgenommen wurden. Ende des Jahres werde es Bewegung auf dem Grundstück geben. Auch für das neue Feuerwehrgerätehaus in Oberaden gibt es ein Grundstück. „Verabscheuungswürdig“ sei das, was den Lebensrettern vielerorts während der Silvesternacht mit gezielten Angriffen passiert sei. Die Machbarkeitsstudie für das Rathaus mit „luftigen oberen Etagen“ steht an – und die Entscheidung für Neubau oder Sanierung. Der Adensee in der Wasserstadt soll 2023 hergestellt werden, die IGA 2027 nährt weiterhin Hoffnung für eine Neugestaltung des Kanalbands und auf dem alten Freibadgelände wird das „Häupenbad“ neu gebaut. Es steht also ein spannendes Jahr ins Haus.

„Günna“ Knust bei seiner humoristischen Interpretation der zurückliegenden Corona-Jahre.

„Günna“ Knust betrachtete das ganze launig vom kabarettistischen Blickwinkel aus. Endlich können wir alle den „westfälischen Trachtenanzug“ in Form der Jogging-Kluft mal wieder waschen: Es herrscht auch in Bergkamen wieder „Fressefreiheit“ ohne Maske. Simulierte Wege zum Arbeitsplatz mit den „Corona-Kötern“ sind passé. Die „Pöter“ bleiben aber im Sattel der kollektiv angeschafften E-Bikes – inklusive Lasten- und Amokfahrern. Ob tatsächlich der Hinweis „Iss den Teller leer“ zu Erderwärmung und dicken Kindern führte, die nur mühsam den Weg vom Porsche zum Klassenzimmern finden, sei dahingestellt. Bergkamen tue jedenfalls gut darin, wie der Nachbar Dortmund „hässliche Orte einfach zu fluten“ – schließlich ist die Vermehrungsquote trotz Corona immer noch geringer als im Vatikanstaat und es werden fast ausschließlich nur noch Alleinerben produziert.

Ein spaßiger Rück- und Ausblick, der gute Stimmung in immer noch kriegerisch bedrückten Zeiten macht. Zusammen mit den famosen musikalischen Umrahmungen von Buck Wolters an der Gitarre und Dmitrij Telmanov an der Trompete sowie der schlichtweg hinreißenden Stimme von Jane Franklin auch künstlerisch eine mehr als ermunternde Einstimmung für ein erneut schwieriges Jahr.