Weddinghofens erster Bürgermeister nach dem 2. Weltkrieg war „ein toller Kerl“

Christel Flüß mit einem Zeitungsartikel zum 100. Geburtstags ihres Schwiegervaters.

Der Platz an der Ecke Schulstraße/Goekenheide, auf dem das Mahnmal für die Opfer der beiden Weltkriege steht, heißt nun Ernst-Flüß-Platz. Das beschloss der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig. Eine entsprechende Tafel wird im Laufe des Jahres angebracht.

Doch wer war dieser Ernst Flüß? Seine Schwiegertochter Christel, heute 84 Jahre alt, erinnert sich: „Das war ein toller Kerl. Er war grundehrlich, meinte es mit allen gut und hat geholfen, wo er nur konnte.“

Seine Statur hingegen kann sie nur schwer beschreiben. „Er war normal groß, und ich kannte ihn leider nur als kranken Mann.“ Denn Ernst Flüß, der am 22. November 1898 geboren wurde und 1964 mit 66 Jahren starb, litt an der Bergmanns-Krankheit Steinstaub. Die hatte ihn auch dazu gezwungen, das Bürgermeisteramt nach 15 Jahren aufzugeben.

Weddinghofens ehemaliger Bürgermeister Ernst Flüß.

Christel Flüß war 17 Jahre alt, als sie den späteren Schwiegervater kennenlernte. Sie hatte sich in den jüngsten Flüß verliebt, und hatte Mitleid mit der Familie, die drei von fünf Kindern im Krieg verloren hatte. Die beiden Ältesten kamen nicht nach Hause zurück und wurden vom Vater bis in die Nachkriegszeit hinein vergeblich gesucht, die Tochter starb in den letzten Kriegstagen.

Die Wände des Hauses an der Schulstraße unmittelbar gegenüber des nun nicht mehr namenlosen Platzes könnten vermutlich viel erzählen. Hier lebte Ernst Flüß Zeit seines Lebens. Erst im Altbau, dann im neuen Anbau. Christel Flüß kann jedoch in eine Mappe schauen, die viele alte Dokumente aus der Familiengeschichte enthält.

Neben der Todesanzeige auch Zeitungsartikel. Natürlich die unzähligen, die über die Trauerfeier berichten. Die wurde im Oktober 1964 von 500 Menschen besucht, Abordnungen von Vereinen und die Feuerwehr boten das letzte Geleit für einen Mann, „dessen Leben unter der Devise gestanden hat, für andere da zu sein“, heißt es in einem der Artikel.
Die Mappe enthält aber auch historische Dokumente, wie die Urkunde, mit der Ernst Flüß mit Wirkung zum 1. Juni 1945 von der britischen Militärregierung zum Bürgermeister der Gemeinde Weddinghofen bestellt wurde. So steht es zumindest in der deutschsprachigen Übersetzung der Urkunde mit Datum vom 4. Juni 1945. Das englische Original nennt Montag, den 28. Mai 1945, als Stichtag für die Amtsübernahme.

Nicht nur die britische Militärregierung war überzeugt, dass Flüß der richtige Mann für das Amt war, auch die Weddinghofer bestätigten ihn am 23. September 1946 bei der ersten Bürgermeisterwahl nach dem Krieg im Amt. Es gab keinen Gegenkandidaten. Mehrfach wurde er wiedergewählt, blieb insgesamt 15 Jahre Bürgermeister von Weddinghofen und bewegte so viel für seine Gemeinde wie kein zweiter.

Dass ausgerechnet der Platz gegenüber des Wohnhauses, an dem Flüß auch noch eine berühmte Rede bei der Einweihung des Mahnmals hielt, nach ihm benannt wird, erfüllt seine Nachkommen mit Stolz: „Der ganzen Familie lief es kalt den Rücken runter, als wir davon erfuhren“, verrät Christel Flüß. „„Wir freuen uns, dass ihm nun so eine Ehre zu teil wird.“

Info:
Die Rede zur Einweihung des Mahnmals zu Ehren der Kriegsopfer, das von der Weddinghofer Jugend gepflegt werden sollte:

„Verehrte Anwesende, meine lieben Jungen und Mädel!
Wir stehen hier an einer Stätte, die uns an die Toten eines schrecklichen Krieges erinnert. Inzwischen ist ein noch furchtbarerer Krieg über unser Volk hinweggegangen, weil man den Sinn dieses Ehrenmals missverstanden hatte. Es wurde zu einer Kultstätte des Vergeltungsgedankens gemacht. Aber nicht Hass und Rache fordern die Toten, deren Namen hier in Stein gemeißelt sind, vielmehr wollen sie uns sagen, wie sinnlos Kriege heute geworden sind. Die Toten wollen uns Mahnen, in Frieden mit allen Menschen zu leben. Wenn wir diese Mahnung hören, ist ihr Tod nicht umsonst gewesen. Deshalb ist es mir als Bürgermeister der Gemeinde Weddinghofen eine ganz besondere Freude, dass ich dieses Denkmal gerade in Eure Obhut geben kann, Ihr Jungen und Mädel, denn Ihr habt Euch zur Aufgabe gestellt, dass Leid und die Not in der Welt zu lindern. In Euren Herzen wird nie der Gedanke Raum haben können, neues Leid unter die Menschen zu bringen. So ist die Erinnerung an die Toten des Krieges bei euch in guten Händen und ich übergebe hiermit dieses Mahnmal in Eure Pflege.“