Wahnsinns-Parforceritt a capella auf Wahrheitssuche durch die selbstgemachte Realität
Das Grundgesetz a capella vertont, direkt nach wuchtigen Frauenchören und russischer Folklore zu Engel-Pop. Das kann gefährlich werden, wenn man sich LaLeLu nennt und Kuscheliges suggeriert. Wenn dann aber die Bässe zum knallharten HipHop allein aus Stimmbändern dröhnen und aus dem Plädoyer für hilflose Politiker ein echter harmonischer Abgesang wird, dann ist die Spaltung der Gesellschaft kollektiv überwunden. Die Bergkamener tobten und klatschten sich am Freitag fast eine halbe Stunde lang stehend die Seele aus dem Leib zu einem furiosen Ausklang der Kabarett-Saison.
Es mag auch daran gelegen haben, dass sich das kunterbunte Quartett gut vorbereitet auf die Bühne des studio theaters stellte. Von der Nordberg-Idylle über Rünther Fahrkünste und Schäfersche Monopol-Herrschaft bis zur Bumannsburg, Turmarkaden im Bergbau-Kult und der traditionellen Lippe-Fehde reichte die hingestreuten Appetit-Häppchen. Damit waren die Bergkamener sofort auf ihrer Seite. Aber auch mit Taschenlampen die eigenen Akzente zu setzen, gefiel dem Publikum. So machte das Blinde-Kuh-Spiel auf der Suche nach der Wahrheit richtig Spaß. Erst recht, wenn Spandau Ballets „This much is true“ dabei eine ganz eigene Note bekam.
Ob in Goldpalletten-Schühchen, im Kilt, mit zerknautschten Boots oder barfuß in College-Schuhen: Tobias Hanf, Jan Melzer, Frank Valet und Sanna Nymann boten jeder für sich gesangliche Klasse, im Quartett wiederum perfekte Harmonie. Die wurde zum echten Hinhörer, wenn sie pfiffige, kesse, freche und unverblümt ehrliche Appelle unter bekannte Melodien mischten. „Ich dagegen bin dafür dagegen zu sein“, schmetterten sie entschieden in das vollbesetzte Auditorium. „Enjoy the silence“ ließ als Renaissance-Entschleunigung Gänsehaut entstehen. Der „Wellerman“ als „Sing-man-tau“-Variante hatte ernsthafte Blackout-Hintergründe.
Meeres-Müll-Idylle und Waldoff-Scholz
Richtig Spaß machte einfach nur der Volksliederexkurs zum „Merz ist da“ mit vollem Streik-Lohnausgleich, wobei Mustafa zum Städele hinaus musste, „und Höcke bleibt hier“ – „aber der Wahnsinn der rollt“. Inbrünstig sangen die Bergkamener mit: „You better stop!“, als es in der friesischen Variante von „La Mer“ vor allem von Plastik und ausgebleichten Korallen wimmelte. Da war dringend eine beeindruckende Stimmband-Orgeleinlage fällig, bevor sich alle nach Ausflügen in die afrikanische Gesangs- und Elend-Tradition fragte, ob wir als Menschheit wirklich „alles richtig gemahct“ haben.
Zugaben hätten die Vier noch bis in die Nacht hinein geben können. Mit der Waldoff-Abwandlung in „Scholz heeßter“ und einer brillanten Massen-Solo-Parodie von Tobias Hanf, der lässig von Peter Maffay zu Karl Lauterbach und Jorge Gonzales überging, nicht ohne noch Angela Merkel und Robert Habeck verquaste Worte zu verleihen. Ein echter Wahnsinnsritt, der musikalisch, kritisch, moralisch und spaßtechnisch mehr als reichlich zu bieten hatte.
Keine Frage: LaLeLu und vor allem das Kulturbüro haben an diesem Abend alles richtig gemahct!