Virtueller Jahrmarkt wirbelt kunterbunt über den Herbert-Wehner-Platz und bietet Lichtkunst für alle

Offiziell eröffnet: Die Künstlerin mit Bürgermeister und Kulturreferentin auf dem „Virtual Playground“.

Ein kleiner Junge schaut sich vorsichtig um, legt beide Hände auf das Rad und schon ist er hinaufgeklettert. Fröhlich wälzt er sich oben auf dem weißen Holzkasten auf dem Rücken. Femke Schaap beobachtet das, zuckt kurz und lächelt. Sie winkt dem Aufpasser zu und gibt ihm ein Zeichen: „Lass ihn ruhig“. Heute wird ihr Lichtkunstwerk auf dem Herbert-Wehner-Platz eingeweiht und es funktioniert schon, bevor es überhaupt offiziell eröffnet ist.

Mitten drin stehen macht Spaß: Der „Virtuelle Jahrmarkt“ lädt zum Erleben ein – auch mittendrin in den Farben und Formen.

Kinderhände streichen fasziniert über das bunte Licht, das sich auf den Rechtecken, Kreisen und Quadraten dreht. Männerhände drehen Videos und kommentieren es live im Social Media Kanal. Ältere Passanten halten verdutzt an, stoppen und setzten sich auf die Bänke direkt neben dem „Virtual Fairground“. Der virtuelle Rummelplatz aus Licht zieht alle Aufmerksamkeit wie ein Magnet auf sich. Nicht nur der. Die Drehorgeln direkt daneben sehen aus wie aus der Zeit gefallen. Eine hat neben der riesigen gusseisernen Kurbel mit dem Holzknauf sogar eine Trommel und auf der anderen Seite ein weiteres mechanisch passend zur Musik angetriebenes Instrument. So wie es vor vielleicht 100 Jahren auf dem Rummel ganz normal war.

Farbspiele aus der Nähe: Das neue Lichtkunstwerk hat eine eigene Magie.

Bis zum 22. November leuchtet der „Virtual Fairground“ Tag und Nacht. Hier drehen sich die Farben und wechseln ständig ihr Muster. Die sechs Elemente, insgesamt gut vier Meter hoch, sind fest verankert im Boden, beschwert mit Steinen. Sie lassen Platz, um dazwischen herumzustreifen, zum Anfassen und genau hinschauen. Genau das soll es auch. Femke Schaap will, dass ihr Werk mittendrin ist im Leben. Dass es begehbar ist und erlebt werden kann. „Es soll morgens früh die Leute begleiten, die hier morgens müde und allein zur Arbeit gehen.“ Es soll abends dazu verlocken, kurz anzuhalten und sich auf das muntere Spiel der Farben einzulassen.

Ein Jahrmarkt entsteht im Studio

Die Künstlerin erzähkt zusammen mit Teampartner und Ehemann, wie das Kunstwerk entstanden ist.

Entstanden ist der „Virtual Fairground“ in den Niederlanden im Studio. Die Künstlerin hat Bergkamen zuvor einmal bereist, bekam eine Führung, lernte die Geschichte und die Örtlichkeiten kennen. Aus Holz entstanden dann seit dem Sommer Schritt für Schritt die einzelnen Teile. Mehrere weiße Farbschichten folgten. Dann folgte der wesentliche Teil: Das Licht, die Farben, die Abfolgen der wechselnden Muster, die Projektion auf die einzelnen Elemente, die stimmige Gesamtkonzeption. Ein ausgefeiltes Stück Arbeit, das erst vor Ort seine endgültige Form erhielt. „Wir haben hier auf dem Platz alles so angepasst, dass es perfekt war“, schildert Femke Schaap. Die Teile sind flexible Module, die sich auch noch in letzter Sekunde verändern, verschieben und anpassen lassen. Die Gebäude, der Baum, der Brunnen, das Pflaster, das Licht, die Schatten: Alles spielt hier zusammen und prägt am Ende das Gesamtkunstwerk. Zur Faszination aller Passanten, die regelmäßig anhielten und die Künstlerin beim Aufbau mit neugierigen Fragen löcherten.

Gut besucht war die Eröffnung des Kunstwerks auf dem Herbert-Wehner-Platz. Die Besucher hatten viele Fragen.

Fragen konnten die Besucher der Künstlerin auch am Samstag bei der Einweihung stellen. „Wie plant man so etwas?“, wollten sie wissen. „Aus welchen Materialien ist das Kunstwerk?“ und „Was wollen Sie den Menschen damit sagen?“. Femke Schaap war restlos begeistert. „Die Menschen hier sind viel aufgeschlossener als bei uns in Holland, wo es oft eine ängstliche Distanz gibt“, sagt sie. „Die Leute sind neugierig, fassen das Kunstwerk an, wollen alles genau wissen – sie gehen nah ran und setzen sich damit auseinander – das ist ein Traum!“ Immerhin haben die Bergkamener Erfahrung, wie auch Bürgermeister Bernd Schäfer bei der Begrüßung betonte. „Es ist ein bisschen wie in den 70er-Jahren, als alles begann“ mit der der Kunst in Bergkamen“, erinnerte er. Mit der Artothek war die Stadt Pionierin – später auch mit der Lichtkunst. Mit Femke Schaap kommt eine Pionierin des „Videomapping“ und setzt neue Kunstakzente mit ebenso komponierten wie zufälligen Videosequenzen aus Farben und Formen, für die das dreidimensionale Werk samt Umgebung die Leinwand bietet. Irgendwie schließt sich damit ein Kreis – wenn auch nur temporär.

Stilecht gab es Jahrmarktmusik dazu – vom Drehorgelorchester Dortmund.

Femke Schaap konnte am Samstag übrigens gleich doppelt erlebt werden. Es war die 5. Nacht der Lichtkunst und gleichzeitig 20-Jähriges des Internationalen Lichtkunstzentrums in Unna. Ein weiteres von ihr gestaltetes Werk war bei einer Ausstellung in der Innenstadt zu sehen. Ein Bustour führte von Bergkamen dorthin. Gut 20 Interessierte starteten vom Herbert-Wehner-Platz, um dieses doppelte Lichtkunst-Vergnügen zu genießen. Vorher gab es noch einen Ausflug mit Stadtführer Klaus Holzer zur Lichtkunst von Rochus Aus und seinem unterirdischen Flughafen. Popcorn inklusive, wie es sich für einen echten Jahrmarkt gehört.

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