Tempo 161 statt 130: Tochter beschuldigt – aber die Schwester war’s
von Andreas Milk
Es blieb alles in der Familie – und nun endet es familiär harmonisch. Als die 44-jährige Bergkamenerin Joyce M. (Name geändert) als Angeklagte im Kamener Amtsgericht saß, waren ihre Tochter und ihre Schwester als Zeuginnen geladen. Es ging um falsche Verdächtigung in Zusammenhang mit einem Tempoverstoß auf der A 2.
Als der passierte, war die gebürtige Nigerianerin Joyce M. in Afrika. Die promovierte Soziologin ist in der Flüchtlingshilfe tätig, im Auftrag des Bundesbildungsministeriums. Bei ihrer Rückkehr fand sie in der Post den Bußgeldbescheid wegen der überschrittenen Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn. Beigefügt war ein Foto, das ihre jüngere Schwester hinterm Steuer zeigte. Aber dieses Foto sah sich Joyce M. – noch im Reisestress und laut eigener Schilderung „voll sauer“ – wohl nicht näher an. Jedenfalls schrieb sie in den Anhörungsbogen, ihre Tochter sei gefahren. Denn das tut die üblicherweise auch, wenn Mutter auf Reisen ist. Nur eben nicht in diesem einen Fall – da war Joyce M.s Schwester mit 161 statt der erlaubten 130 Kilometer pro Stunde über die A 2 gekachelt.
Der Irrtum klärte sich auf, die Schwester zahlte prompt das Bußgeld – aber der Vorwurf der falschen Verdächtigung gegen Joyce M. blieb. Seit der Verhandlung heute ist der Fall abgehakt. Oder jedenfalls fast: Joyce M. soll 750 Euro an den Jugendhilfeverein „Sprungbrett“ zahlen. Sobald sie das getan hat, wird das Verfahren ohne Vorstrafe beendet. Vom Richter gab es obendrein den Rat, sich selbst einmal um Eintragung ins Register der NRW-Gerichte für Bußgeldempfänger zu kümmern. Denn auch Joyce M. führt einen gemeinnützigen Verein.