Zwei Mal verkauft – null Mal geliefert: 19-Jährige angeklagt

von Andreas Milk
Mitte April 2023 verkaufte die Bergkamenerin Chantal F. (19, Name geändert) über den Internetdienst Ebay-Kleinanzeigen ein Paar Schuhe der Marke Nike. Und zwar gleich zweifach – an eine Kundin für 65 Euro, an eine weitere für 40 Euro. Verschickt hat sie die zwei Mal verkauften Schuhe dagegen null Mal – was ihr eine Betrugsanklage und einen Prozess vorm Kamener Jugendrichter einbrachte.

Konkret erinnern könne sie sich nicht – sie habe seinerzeit mehrere Schuhpaare loswerden wollen. Denn sie habe Geld gebraucht für ein neues Bett, berichtete die junge Frau, die noch bei ihren Eltern wohnt. Als die Sache mit den Nike-Schuhen schief gelaufen sei, habe sie das Geld zurückschicken wollen – doch seien plötzlich ihre Accounts sowohl bei den Ebay-Kleinanzeigen als auch bei Paypal gesperrt gewesen. Das sei wohl nicht ohne Grund so gewesen, vermutete der Richter. Dem kam obendrein merkwürdig vor, dass Chantal F. nirgends unter Klarnamen auftrat, sondern sich bei ihren Handelsaktivitäten im Netz Anna nannte.

Mit dem Gericht hatte sie schon mal zu tun: wegen Diebstahls. Der Richter brummte ihr nun einen Präventionskurs auf mit dem Ziel, weitere Eigentumsdelikte zu verhindern. Außerdem werden die Justizbehörden bei Chantal F. 105 Euro einziehen und dieses Geld an die beiden geschädigten Kundinnen weitergeben.




Fake-Bestellung für 40 Euro – Geldstrafe: 1.800 Euro

von Andreas Milk
Für genau 40,39 Euro bestellte der Bergkamener Tim F. (Name geändert) im August vorigen Jahres Lebensmittel bei der Firma Flaschenpost: Cola, Chips, Joghurt und andere Dinge. Weil er zum Bezahlen die Kontonummer seiner damaligen Freundin nutzte, die aber keine Ahnung davon hatte, platzte die Abbuchung. F. saß jetzt als Angeklagter vorm Kamener Strafrichter.

Aussage stand gegen Aussage: Sie wusste Bescheid, sagt Tim F. – ich wusste es nicht, sagt die Exfreundin. Die junge Frau hatte seitenweise Aufzeichnungen dabei über die missglückte Beziehung, gespickt mit Beispielen dafür, wie Tim F. sie ausgenutzt habe. Für sie sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen – und er habe es immer wieder geschafft, sie um den Finger zu wickeln. Allerdings sei es eine On-Off-Geschichte gewesen – so „richtig“ zusammen gewesen seien sie nie.

Tim F., 24 Jahre alt, hat eine bewegte Vorgeschichte. Sie umfasst unter anderem eine Jugendstrafe von drei Jahren und elf Monaten wegen einer ganzen Latte von Delikten – darunter Einbruch, Raub, Körperverletzung. Ein Rest der größtenteils verbüßten Strafe ist noch zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungsfrist endet im Sommer 2025.

Mittlerweile hat F. einen Job – und einen Sohn, um den er sich laut seiner Bewährungshelferin auch kümmert. Es gibt hohe Schulden. Genaues Ausmaß? Unklar.

Der Richter verurteilte F. zu einer Geldstrafe. 60 Tagessätze à 30 Euro muss er für den Betrug zahlen. Und die 40,39 Euro für die Flaschenpost sind inzwischen auch schon rausgegangen.




Prozess: Der Vater, der Sohn und die 100.000-Euro-Frage

von Andreas Milk
Vater und Sohn hätten auf der Anklagebank sitzen sollen im Kamener Amtsgericht – und zwar als mutmaßlich Verantwortliche für illegales Automatenglücksspiel in einem Lokal an der Bergkamener Ebertstraße. Das Ordnungsamt hatte vor längerer Zeit einen Tipp bekommen und dem gesetzwidrigen Tun ein Ende gemacht. Dass nun der Gerichtstermin ohne handfestes Ergebnis blieb, lag aber nicht allein an der Abwesenheit der beiden Hauptpersonen, sondern auch an der Staatsanwaltschaft Dortmund.

Der Hintergrund: Gegen das Vater-Sohn-Gespann läuft noch ein etwas größeres Verfahren um Machenschaften, die den beiden 100.000 Euro gebracht haben sollen. Diese Summe jedenfalls wird in der betreffenden Anklage genannt. Das Problem dabei: Wie die Staatsanwaltschaft auf eben diesen Betrag kam, ließ sie offen. Der zuständige Richter sah deshalb seinerzeit noch Ermittlungsbedarf und sandte die Akte an die Dortmunder Strafverfolgungsbehörde zurück. Das war im März 2023. Seitdem herrscht Funkstille. Der Richter geht davon aus, dass das LKA mit der Sache befasst ist. Eine Sachstandsmeldung von der Staatsanwaltschaft bekam er nicht.

Eben diese Staatsanwaltschaft beantragte jetzt, das neue Verfahren mit der 100.000-Euro-Sache zu verbinden und eine polizeiliche Vorführung der beiden Männer zu einem späteren, neuen Prozesstermin zu veranlassen. Der Richter winkte ab: Ohne Wiederauftauchen der alten Akte auch keine Zusammenführung mit der neuen. Vorläufiges Resultat: Das neue Verfahren ist fürs erste eingestellt – und das alte läuft und läuft. Und läuft.




„Das war doof“: Online-Einkauf zu Lasten der Lünener Stadtwerke

von Andreas Milk
Im Oktober 2022 kam der Bergkamener Tobias K. (Name geändert) auf eine eher schlechte Idee: Er bestellte bei einem Internetversand Ware für 72,95 Euro – und gab als Konto für die Lastschrift eine Bankverbindung der Stadtwerke Lünen an. „Ich geb‘ zu, das war doof“, bekannte der 38-Jährige nun vor der Kamener Strafrichterin. Selbstverständlich scheiterte die Abbuchung. Dem Versandunternehmen war die ganze Sache nicht so wichtig, dass es Anzeige erstattet hätte. Zum Verfahren wegen Betrugs kam es aber eben doch.

Größtes Problem dabei: K.s Vorstrafenregister. Es hat 15 Eintragungen; schon im Jugendalter ging es bei ihm los. Meist waren es Betrugsdelikte. K. verbüßte sowohl Jugendarrest als auch „erwachsene“ Haftstrafen. Zur Zeit des Vorfalls mit dem Stadtwerke-Konto stand er unter Bewährung.

Allerdings gab es etwas, das seine Verteidigerin Hoffnung schöpfen ließ: Die Tatabstände seien in den letzten Jahren größer geworden. Und: Ihr Mandant sei inzwischen Vater, sei sich seiner Verantwortung für den Nachwuchs bewusst. Das Urteil: eine Geldstrafe. 60 Tagessätze à 40 Euro muss Tobias K. zahlen. Derzeit lebt er von Arbeitslosengeld.

 




Betrunken über die „Lünener“: Mildes Urteil für Muster-Angeklagten

von Andreas Milk
Es sah so aus, als würde Torben T. (30, Name geändert) seinen Führerschein noch im Verhandlungssaal zurückbekommen. Der Bergkamener trat vor der Kamener Strafrichterin nach einer Trunkenheitsfahrt über die Lünener Straße als Muster-Angeklagter auf – und zwar glaubhaft. Auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft war der Ansicht, das Verfahren könne gegen Zahlung einer Buße an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt werden. Aber sie durfte als Referendarin nicht darüber entscheiden. Das tat ihr Ausbilder in Dortmund nach telefonischer Rücksprache. Er sagte: Nein.

12. Juli 2023, morgens gegen zwei Uhr. Torben T. wird in seinem Wagen von einer Polizeistreife gestoppt. Ein Bluttest ergibt später 1,18 Promille. Dazu kommt: Statt mit den erlaubten 70 Kilometern pro Stunde soll T. zeitweise mit Tempo 130 gefahren sein.

Das ist übel, keine Frage. Der Richterin erklärte er, dass er in jener Nacht mit Arbeitskollegen Bier getrunken habe. Ihm sei nicht bewusst gewesen, wie viel. Ungewöhnlich und mustergültig ist, was T. im Anschluss tat. Er holte sich psychologische Hilfe, trank keinen Tropfen Alkohol mehr, belegte das auch mit Screening-Nachweisen. Alkoholkonsum habe für ihn heute „nichts Positives mehr“, sagt er. Einen „bereichernden Kurs“ habe er absolviert und viel über sich gelernt – etwa, dass sich Unruhe und überschüssige Energie sinnvoll in Sport kanalisieren lassen.

Und natürlich sind das Vorstrafen- und das Verkehrssündenregister leer. Die Richterin sprach – da nun mal die Verfahrenseinstellung am Nein aus Dortmund gescheitert war – das denkbar mildeste Urteil: eine „Geldstrafe auf Bewährung“ in Höhe von 30 Tagessätzen à 70 Euro, zu zahlen nur, wenn wieder was passiert. Wovon bei Torben T. wohl niemand ausgeht.

Lässt die Staatsanwaltschaft sieben Tage nichts von sich hören, wird das Urteil rechtskräftig. Und dann kann Torben T. auch seinen Führerschein wiederhaben. Der Ingenieur wartet dringend drauf: Mobilität wird in seinem Job von ihm erwartet.

 




Die „Ex“ im Auto verfolgt: Letztes Wiedersehen vor Gericht

von Andreas Milk
Es war längst aus zwischen Rico M. (Name geändert) und seiner Freundin. Trotzdem lauerte er der Oberadenerin noch auf. Am 28. Februar 2023 stand er vor dem Fitnessstudio, das sie besucht hatte. Er drohte, ihr Auto anzuzünden. Als zehn Tage später ein Kontaktverbot gemäß Gewaltschutzgesetz ausgesprochen wurde, gab er immer noch keine Ruhe. Per Mail schickte er seiner früheren Freundin einen „Abschiedsbrief“. Weitere sechs Wochen danach folgte er ihr in seinem Wagen von Hamm nach Bergkamen.

Nun saß er vor der Strafrichterin im Kamener Amtsgericht. Vor Verhandlungsbeginn hatte er auf dem Gerichtsflur einige Meter Abstand gehalten von seiner Exfreundin und deren Mutter. Beide waren als Zeuginnen geladen. Dass sie nicht auszusagen brauchten, lag am Geständnis von Rico M.: Ja, es stimme alles, was in der Anklage der Staatsanwaltschaft steht. „Ich war verliebt“, „ich war in einer Scheiß-Situation“, erklärte der 37-Jährige. Neben der Beziehung hatte er damals wohl auch seine Unterkunft verloren. Unter Tränen versicherte er, sein Verhalten tue ihm leid – auch die Drohung, das Auto anzustecken. „Man sagt einiges, wenn man verletzt ist.“

In seinem Vorstrafenregister sind 13 Einträge, vorwiegend Eigentumsdelikte. Ein notorischer Stalker ist er also nicht. Und: Die letzte strafbare Tat war 2017; seitdem war Ruhe. M. hat einen Sohn mit einer anderen Frau.

Das Urteil jetzt: eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 15 Euro. Im Moment hat M. keinen Job. Ende Dezember lief sein Arbeitsvertrag aus. Er hofft, bald einen neuen zu bekommen als Anlagenmechaniker. Die Strafe will er in Raten abstottern: „Ich möchte nicht, dass mein Sohn mich im Gefängnis besuchen muss.“ Kontakt zu der Frau aus Oberaden besteht nicht mehr.

 




Zwei Männer, zwei Frauen – zwei kaputte Nasen

von Andreas Milk
Kurioser Zufall am Kamener Amtsgericht. Gleich zwei junge Männer aus Bergkamen sollten sich an diesem Vormittag verantworten, weil sie – laut Anklage – die Nasen ihrer früheren Freundinnen malträtiert hatten: der eine beißend, der andere per Kopfstoß.

Der mutmaßliche Beißer kam nicht zu seinem Termin. Sein Verteidiger war aber da. Er überreichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines Mandanten. Im vergangenen Frühjahr wollte der Angeklagte wohl seine Sachen in der Wohnung der „Ex“ abholen. Es gab handfesten Streit. Abgesehen vom Nasenbiss habe er ihr Handy, ein iPhone 14, vor die Wand geschleudert, wirft die Staatsanwalschaft ihm vor. Der Nasenbiss stimme – die Sache mit dem Handy nicht, erklärte der Anwalt. Letztlich erließ der Richter einen Strafbefehl: Wegen Körperverletzung muss der Mann eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 10 Euro zahlen, und in puncto Handywurf wird das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Der zweite Fall wurde dann in Anwesenheit des Angeklagten verhandelt. Auch diese Tat geschah in der Wohnung der Verflossenen. Er sagt: Er wollte von ihr die Schlüssel für seine Wohnung zurück, es sei zum Streit gekommen, dabei habe er sie an den Schultern gepackt und geschüttelt – und quasi aus Versehen ihre Nase mit seiner Schädelpartie getroffen. Sie sagt: Der Kopfstoß sei kein Versehen gewesen, aber egal – heute wolle sie „alles, was mit ihm (dem Exfreund) zu tun hat, vergessen“. Er solle aber wissen, dass er keine Frau schlagen darf. Das Urteil: eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 60 Euro. Darin enthalten ist noch eine Verurteilung für eine fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, begangen vor knapp einem Jahr. Weil es auch dafür eine Geldstrafe gegeben hatte, wird nun beides in einer Gesamtgeldstrafe zusammengefasst.

Für die Geldstrafen gilt: Die Zahl der Tagessätze orientiert sich am Maß der Schuld – die Höhe eines Tagessatzes spiegelt das ungefähre tägliche Einkommen des Angeklagten wider.




„Too easy“ mit Alltours: Bergkamener ohne Geld nach Malle

von Andreas Milk
„It’s so easy mit Alltours“ – der in die Jahre gekommene Slogan scheint immer noch zu stimmen. Ein bisschen „too easy“ sogar war es im Sommer 2022 für den Bergkamener Marco H. (Namen geändert), gemeinsam mit seinem Kumpel Adil K. nach Mallorca zu fliegen und eine Woche auszuspannen. Gebucht hatte H. die Reise für zwei Personen im Wert von knapp 2.200 Euro wenige Tage vorher via Check24 bei der Alltours Flugreisen GmbH. Die bekam zwar vor dem Abflug nicht einen einzigen Euro von dem reiselustigen Duo, duldete aber trotzdem den Trip der beiden auf die Ferieninsel. Das ist umso erstaunlicher, weil Marco H. die Firma schon einmal um Reisekosten geprellt haben soll.

Jetzt saß er gemeinsam mit Adil K. im Kamener Amtsgericht auf der Anklagebank – wegen Betrugs. Zuerst erklärte Marco H., seine Mutter habe seinerzeit zugesagt, die Reise zu zahlen. Später im Prozess, als es um die Frage ging, ob der mehrfach vorbestrafte H. nochmal eine Bewährungschance kriegen soll, räumte er in einem strafmildernden Geständnis ein: Die Unterstützung seiner Mutter sei von Anfang an zweifelhaft gewesen. H. hatte damals eine Drogentherapie hinter sich. Der Mallorca-Flug sollte ihm wohl helfen, einen Neuanfang zu schaffen. Und Adil K.? Der fühlte sich eingeladen und war glücklich.

Strafrechtlich problematisch für Marco H.: Er steht inzwischen dreifach unter Bewährungsaufsicht. Seine Bewährungshelferin berichtete, H. halte Verabredungen ein; es gibt Pläne, sich eine neue Existenz in Kroatien aufzubauen, wo H.s familiäre Wurzeln sind. Der Kamener Richter verurteilte H. nun zu zwei Jahren Haft – ausgesetzt zur Bewährung. Dieses Strafmaß umfasst aber nicht bloß den ergaunerten Mallora-Urlaub, sondern auch noch frühere Delikte. Sein Mitangeklagter Adil K. bekam in Sachen Mallorca keine Strafe – wohl aber eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen à 10 Euro wegen eines betrügerischen Handyverkaufs. K. war – oder ist – spielsüchtig. Er hat sich Hilfe bei der AWO gesucht. Vorstrafen: keine.

Übrigens: Die ratenweise Zahlung des Reisepreises an Alltours läuft.




Familientreffen vor Gericht: Buße für den Vater

von Andreas Milk
Ein Familientreffen unter denkbar unglücklichen Umständen: der Vater auf der Anklagebank – die geschiedene Frau und die Tochter als Belastungszeuginnen. Das Thema: eine gewaltvolle Auseinandersetzung.

Es ging um einen Vorfall im Juli 2022. Die Familie lebte noch in Bergkamen zusammen. Es kam zum Streit, weil die Tochter eine Shisha gekauft hatte. Erkan H. (Name geändert) soll – so sagt es die Anklage – einen Halter für Küchenrollen nach ihr geworfen, sie zu Boden gedrückt, ihr Mund und Nase zu gehalten haben. Schließlich habe er die junge Frau gegen eine Glastür geschubst. Sie erlitt dabei eine Verletzung durch ihr Nasenpiercing.

H. schilderte das Geschehen völlig anders. Seine Tochter habe ihn beleidigt, ihm ein Wasserglas an den Kopf geworfen – davon zeugt ein Foto, das eine Verletzung an der Stirn zeigt. Er selbst habe den Küchenrollenhalter geworfen, allerdings nur auf den Boden. Die Polizei sei gekommen, habe von ihm aber nichts hören wollen. Er sei aus der Wohnung geworfen worden, habe zwei Nächte im Auto schlafen müssen, schilderte er unter Tränen.

Über die H.s gibt es noch andere Gerichtsakten. Sie haben mit Gewaltschutzvorschriften zu tun. Die Familie war wohl schon im Sommer 2022 kaputt; Mutter und Tochter wollten, dass der Vater verschwindet. Der wiederum ist psychisch und körperlich schwer angeschlagen. Derzeit ist er arbeitsunfähig geschrieben.

Der Strafprozess in Kamen um die angebliche Attacke auf die Tochter endete mit einer Verfahrenseinstellung gegen Geldbuße: 900 Euro in sechs monatlichen Raten soll H. zahlen – danach gilt der Fall als abgehakt.




Fahrradklau interkommunal: Haft auf Bewährung

von Andreas Milk
Es war eine ausgesprochen interkommunale Angelegenheit, über die der Kamener Strafrichter zu verhandeln hatte: Tatorte in Kamen am Südfeld, in Bergkamen an der Mergelkuhle – und ein Angeklagter, der in Unna wohnt. Eine weitere Besonderheit des Verfahrens: Uwe H. (Name geändert) darf sich aussuchen, warum er verurteilt wurde – wegen Diebstahls oder wegen Hehlerei? Denn was genau geschehen war, ließ sich nicht eindeutig klären. Klar ist nur: Es war eins von beiden. Resultat ist das „Oder“-Urteil. Bei einer solchen Entscheidung geht das Gericht zu Gunsten des Beschuldigten von dem Tatvorwurf aus, der weniger schwer wiegt.

Zur Sache selbst: Im Kamener Südfeld waren ein Mountainbike und ein E-Bike vom Fahrradträger eines Wohnmobils gestohlen worden, an der Bergkamener Mergelkuhle ein Trekkingrad aus einer Gartenlaube. Das Mountainbike ist bis heute verschwunden. Die beiden anderen Räder sind wieder da: Polizisten fanden sie auf dem Flur des Hauses, in dem Uwe H. wohnt. Sie waren mit einem Schloss gesichert. Zu diesem Schloss hatte Uwe H. den passenden Zahlencode.

„Ich habe keinen Diebstahl begangen“, versicherte er vor dem Richter. Wo die Räder her gekommen seien, könne er auch nicht sagen. Der Richter tat sich schwer, an H.s Unschuld zu glauben. Dazu kommt: H., der beim Termin fahrig wirkte, hat eine Reihe von Vorstrafen – darunter solche wegen Unterschlagung, Diebstahl, Hehlerei. Mutmaßlicher Hintergrund ist ein Drogenproblem.

Das Urteil: Acht Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Daneben erhielt Uwe H. die Auflage, 120 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten.




„Alles, was Sie sagen…“: Freispruch nach fehlender Polizei-Belehrung

von Andreas Milk
Es gehört zu den Grundsätzen unseres Rechtsstaates: Niemand braucht sich selbst zu belasten. Ob der italienische Staatsbürger Paolo T. (Name geändert) genau das am 24. Oktober 2022 im Telefonat mit einer Kamener Autobahnpolizistin getan hat, ist nicht ganz klar. Folge des Gesprächs war jedenfalls ein Strafbefehl wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. T. legte Einspruch ein. Dessen Folge war jetzt eine Verhandlung im Amtsgericht. T. erklärte: „Ich bin nicht gefahren.“

An besagtem Oktobertag hatte T.s BMW an der A1 in Fahrtrichtung Köln herumgestanden, einsam und verlassen und wohl nicht mehr fahrtüchtig. Die Polizei ermittelte den Halter. So kam es zu dem Anruf bei Paolo T. Die Beamtin redete mit ihm, und was er sagte, ließ sie annehmen, dass er selbst den BMW kurz vorher über die Autobahn gesteuert hatte. Bloß hatte er zu dem Zeitpunkt keinen gültigen Führerschein. Konsequenz war das Strafverfahren.

Allerdings hatte die Beamtin es versäumt, T. zu belehren hinsichtlich der Sache mit dem Sich-selbst-Reinreiten. In Fernsehkrimis gibt es an der Stelle den berühmten Satz: „Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden.“ Im Gerichtssaal berichtete T., er sei mit anderen Leuten zusammen auf dem Weg zum Dortmunder Flughafen gewesen; am Steuer gesessen habe einer dieser Leute. Der BMW sei liegen geblieben – ein hilfsbereiter Mensch habe angehalten und ihn und seine kleine Reisegruppe mitgenommen.

Das kann stimmen oder auch nicht. Etwas anderes ließ sich nicht beweisen. Was das Telefonat mit der Polizistin angeht, bestand ein Verwertungsverbot. Der Richter verwarf den Strafbefehl – T. verließ den Saal mit einem Freispruch. Neuer Ärger ist nicht zu erwarten. T. hat nach eigener Aussage wieder einen gültigen italienischen (EU-)Führerschein.