Lack zerkratzt? – Mieses Mietverhältnis mündet in Prozess

von Andreas Milk
Hat der Bergkamener Michael N. (41, Name geändert) den Lack am Auto seines Vermieters zerkratzt? Das bleibt die Frage. Er beteuerte im Prozess vor dem Kamener Amtsgericht, er sei es nicht gewesen. Trotzdem stimmte er einer Geldbuße zu, um das Verfahren los zu sein.

Verhandelt wurde über einen Vorfall in der Nacht zum 17. November 2018 an der Bergkamener Präsidentenstraße. N. soll an dem Wagen des Vermieters einen Schaden in vierstelliger Höhe angerichtet haben. Eine junge Frau sagt, sie habe Michael N. von ihrem Fenster und später von der Haustür aus gesehen. Mit einem Gegenstand in der Hand habe er das Auto bearbeitet. Als er sie bemerkt habe, sei er weggegangen. Sie selbst hatte dann am nächsten Morgen den Eigentümer informiert.

Michael N. versicherte wieder und wieder, er habe nichts getan. Und mehr noch: Er selbst habe von seinem damaligen Vermieter reichlich Schikane erdulden müssen. Der Mann habe im Keller zweimal seine Waschmaschine demoliert, mehrfach Post gestohlen und im Winter die Heizung nicht angestellt. Auslöser soll ein Streit um Nebenkosten gewesen sein: Über diese Kosten hat N. nach eigenen Angaben keine detaillierte Abrechnung bekommen – folglich zahlte er sie nicht. Die Grundmiete will er aber immer pünktlich überwiesen haben.

N.s Verteidiger versuchte, die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin zu erschüttern. Es soll Informationen geben, dass die Frau für den Vermieter gearbeitet hat. Sicher ist das nicht. Zu N.s Entlastung hätte womöglich seine Ehefrau beitragen können – die aber befangen sein dürfte, ganz abgesehen von ihrem Recht, als Angehörige des Angeklagten einfach den Mund zu halten.

Das Verfahren wird nach Zahlung der Buße eingestellt. Das heißt: N. bleibt ohne Vorstrafe. Das Geld – 300 Euro – geht an den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst in Dortmund.




Kurz nach dem Urteil wieder hinterm Steuer: Diesmal Haft

von Andreas Milk
Sechs Monate Haft, dazu eine dreijährige Führerscheinsperre: Dieses Urteil wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bekam der 43-jährige Bergkamener Murat O. (Name geändert) vor dem Amtsgericht in Kamen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte eine – hohe – Geldstrafe beantragt. Dass das Urteil härter ausfiel, hängt mit O.s Vorgeschichte zusammen. Es gab schon eine Reihe von Verfahren.

Zum Beispiel einen Berufungsprozess vor dem Landgericht Dortmund im Dezember 2017. Die illegale Autofahrt, um die es jetzt in Kamen ging, passierte im Februar 2018 – ganze zwei Monate später. Murat O.wurde von Polizisten gestoppt, nachdem er mit überhöhter Geschwindigkeit über die A 1 gerauscht war.

Seinen Verteidiger ließ er erklären, dass die Fahrt „eingeräumt“ werde. Ein solches Geständnis ist grundsätzlich strafmildernd, bloß: Abzustreiten gab es bei der Beweislage sowieso nichts.

Gegen die Verurteilung zu der Haftstrafe kann Murat O. nun Berufung einlegen. Dann würde auch dieser Fall wieder das Landgericht in Dortmund beschäftigen.




Zum Polizeitermin mit dem Auto – und einem falschen Führerschein

von Andreas Milk

Im vergangenen Dezember hatte die Bergkamenerin Maria L. (Name geändert) einen Termin bei der Polizei in Kamen. Es ging um eine Zeugenaussage. Sie setzte sich in ihren Opel Corsa und fuhr hin. Ein Beamter kam nach ihrer Ankunft auf die Idee, sich Maria L.s Führerschein zeigen zu lassen. Und (fast) von diesem Moment an war sie selbst Beschuldigte in einem Strafverfahren: Ihr Führerschein war gar keiner – er stammte aus Polen und war gefälscht.

Im Prozess vor dem Kamener Amtsgericht gab es nichts drum rum zu reden: „Schuldig im Sinne der Anklage“, erklärte der Verteidiger. Seine Mandantin stehe zu ihrer Tat. Mehr noch, sie wolle „Ross und Reiter“ nennen. Die Vorgeschichte: Im Freundeskreis hatte Maria L. angekündigt, den Führerschein zu machen. Da bekam sie zu hören: Das gehe doch auch einfacher. Eine ganz bestimmte Bergkamenerin war es dann wohl, die Maria L. den falschen „Lappen“ vermittelte. Ihren Namen notierte sich nun die Vertreterin der Staatsanwaltschaft.

Für Maria L. endete das Verfahren mit einer Geldstrafe: 50 Tagessätze à 10 Euro muss sie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung zahlen.




Ex-Paar vor Gericht: Buße für mutmaßliche Todesdrohung

von Andreas Milk

Pjotr O. (50, Namen geändert) und die Bergkamenerin Magda M. (47) waren bis Oktober 2017 ein Paar. Die Beziehung ging kaputt, es gab Streit, und der hatte juristische Folgen. Pjotr O. soll seiner Ex im Dezember 2017 gedroht haben, die Bremsschläuche an ihrem Auto zu zerschneiden; außerdem sei er mit seinem Wagen auf sie zu gefahren und habe gedroht, sie umzubringen. So steht es in der Anklage, über die heute vor dem Amtsgericht in Kamen verhandelt wurde.

Die wohl verängstigte Magda M. war an jenem Dezemberabend zur Polizei gegangen und hatte die Vorwürfe gegen Pjotr O. zu Protokoll gegeben. Das sei alles lange her, erklärte sie nun im Gerichtssaal – sie wolle einfach ihre Ruhe. Eine Erinnerung an damals habe sie nicht mehr. Der Umgang zwischen Magda M. auf dem Zeugenstuhl und Pjotr O. auf der Anklagebank war entspannt. Sie dolmetschte für ihn, wenn er eine Bemerkung des Richters nicht verstand.

Pjotr O. hatte eine Bedrohung verneint: Er habe Ende 2017 bloß noch ein paar Dinge aus Magda M.s Wohnung holen wollen. Magda M. habe ihm gesagt, da sei gar nichts mehr.

Vorstrafen hat Pjotr O. nicht. Und Magda M. schien auch keinerlei Interesse zu haben, dass sich das ändert. Der Richter schlug eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Buße an eine gemeinnützige Einrichtung vor. Damit war Pjotr O. – nach eigener Darstellung ja unschuldig – einverstanden. Er muss 750 Euro an die Deutsche Wildtierstiftung überweisen. Sobald er das getan hat, ist der Fall abgehakt.




Job verschwiegen: Vier Monate Haft

von Andreas Milk

Im September und Oktober 2017 erhielt die Bergkamenerin Dorothee H. (Name geändert) vom Jobcenter insgesamt 1103 Euro – Geld, auf das sie keinen Anspruch hatte. Die Frage im Amtsgericht Kamen lautete jetzt: War ihr das auch klar? Die 40-jährige Mutter war wegen Betrugs angeklagt.

Mitte August 2017 hatte sie eine Stelle bei einer Zeitarbeitsfirma angetreten. Das Geld vom Jobcenter kam in den folgenden beiden Monaten trotzdem – ohne dass Dorothee H. sich deshalb bei der Behörde gemeldet hätte. Ihr Verteidiger sagte, seine Mandantin habe nicht etwa vorsätzlich betrogen. Vielmehr sei sie im Glauben gewesen, bei dem Geld handle es sich um eine Eingliederungsbeihilfe, die ihr vom Jobcenter in Aussicht gestellt worden sein soll. In der Zeit davor seien unterschiedlich hohe Beträge an sie geflossen, Miete und Stromkosten seien vom Jobcenter direkt an UKBS und GSW gegangen – kurz: Es war wohl nicht unbedingt übersichtlich auf dem Konto der Bergkamenerin. Und: Den Job bei der Zeitarbeitsfirma habe das Jobcenter selbst ihr besorgt – da habe sie doch annehmen dürfen, dass das Jobcenter dann auch über die tatsächliche Arbeitsaufnahme informiert war.

Allerdings: Eine Beamtin aus dem Jobcenter berichtete, Ende August 2017 habe Dorothee H. eine Einladung zu einem Gespräch Anfang September erhalten. Spätestens da hätte es „Klick“ machen müssen: Was wollen die noch von mir, wo ich doch längst arbeite? Im Strafregister von Dorothee H. ist eine Bewährungsstrafe wegen gewerbsmäßigen Betrugs verzeichnet – verhängt im Sommer 2017, wenige Wochen vor der Sache mit dem Jobcenter. Das Urteil nun: Vier Monate Haft – ohne Bewährung. Der Richter zeigte sich überzeugt, dass Dorothee H. die Arbeitsaufnahme „gezielt verschwiegen“ habe.




Kiosk-Attacke mit Cappuccino: Geldstrafe

von Andreas Milk

Ein Becher mit Cappuccino kann ein Tatwerkzeug sein. Die Bergkamenerin Magda L. (38, Name geändert) stand wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Kamen. Am Vormittag des 11. Oktober 2018 war sie im Kiosk am Bergkamener Stadtmarkt einer Bekannten begegnet, Rosa F. (35). Freundlich ausgedrückt, schätzen die beiden Frauen sich nicht besonders. Plötzlich jedenfalls hatte Rosa F. den Inhalt von Magda L.s Cappuccinobecher im Nacken. Weil dieser Inhalt heiß war und Rosa F. Verbrühungen ersten Grades erlitt, stand nun in der Anklage gegen Magda L.: Sie habe sich der „Beibringung eines gesundheitsschädlichen Stoffes“ schuldig gemacht.

Magda L. gab die heiße Begegnung zu. Aber: Es sei ein Unfall gewesen. Rosa F. habe sie am Kiosk-Eingang im Vorbeigehen mit ihrer Tasche angestoßen. Dabei habe sie eben den Becher aus der Gewalt verloren. „Ich selbst habe auch was abgekriegt.“ Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte Freispruch.

Der Richter allerdings war von Magda L.s Schuld – und Vorsatz – überzeugt. 1500 Euro Geldstrafe lautete das Urteil. Wichtigster Punkt der Begründung: Ohne Absicht von Magda L. hätte der Cappuccino nicht in Schulterhöhe von Rosa F. gelangen können – zumal das Opfer der Kaffeeattacke noch rund 12 Zentimeter größer ist als die (Ver-) Schütterin. Die will das Urteil anfechten. Gut möglich also, dass die Justiz weiter mit den beiden zu tun hat. L. über F.: „Ständig zerrt sie mich vor Gericht.“




Im Zweifel für den Angeklagten: „Mein Cousin war’s“ – Freispruch

von Andreas Milk

Manchmal müssen die alten Lateiner ran. In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten: Das ist der Grundsatz, dem der 32-jährige Bergkamener Milan K. (Name geändert) seinen Freispruch vor dem Amtsgericht Kamen verdankt. Möglich, dass er am späten Abend des 18. Februar ohne Führerschein durch die Gegend gefahren war. Möglich, dass er’s nicht war.

Kurz vor Mitternacht war seinerzeit einer Polizeistreife der VW Golf auf der Straße Im Sundern in Oberaden aufgefallen. Die Beamten fuhren hinterher. Der Golf sei Schlangenlinien gefahren, erinnerte sich jetzt im Prozess ein Polizist, außerdem habe es unerklärliche Temposchwankungen gegeben: mal 40, mal 60 km/h. Die eher beschauliche Verfolgungsjagd endete in der Distelfinkstraße in Weddinghofen. Der Mann im Golf steuerte in eine Parklücke, stieg aus, lief weg. Einholen konnten der Polizist und seine Kollegin ihn nicht. Aber: Sie fanden ein Handy, das ihm aus der Tasche gefallen war. Und sie wussten dank Kennzeichenüberprüfung, dass die Besitzerin des Golfs in der Nähe wohnte: Milan K.s Verlobte.

Da klingelten sie auch gleich mal an. Ja, das Handy gehöre ihrem Verlobten, soll die Frau gesagt haben. Von einem getürmten Fahrer allerdings war in der Wohnung nichts zu sehen. Die Beamten gingen wieder – blieben aber in der Nähe und klingelten etwas später nochmal. Nun war Milan K. auch da. Gefahren sei er aber nicht, sagte er.

Nach seiner Darstellung saß ein Cousin von ihm am Steuer. Dieser Cousin lebt in Bosnien. Weder konnten die Polizisten im Gerichtssaal Milan K. als den Mann im Golf identifizieren – noch hatten sie damals das gefundene Handy sichergestellt und näher überprüft. Selbst die Staatsanwältin beantragte Freispruch, Milan K.s Verteidiger sowieso – das entsprechende Urteil wurde Sekunden später verkündet.




Wildwest auf der A 2: Lkw-Fahrer schaut in Pistolenlauf

von Andreas Milk

Als der Lkw-Fahrer Thomas M. (Name geändert) am 29. Oktober auf der A 2 in Richtung Hannover beim Fahren nach links aus dem Fenster sah, war aus dem Mercedes neben ihm eine Schusswaffe auf ihn gerichtet. „Da ist mir die Pumpe gegangen“, sagte er jetzt vor dem Kamener Amtsgericht. Die beiden Insassen des Mercedes waren angeklagt wegen Bedrohung und unerlaubten Führens der Waffe.

Verurteilt wurde schließlich nur der Fahrer: Er war es, der nach Überzeugung von Staatsanwältin und Richter mit der Waffe – einer Gasdruckpistole – hantiert hatte. Der Beifahrer wurde freigesprochen: Er hatte nach eigener Aussage die Waffe überhaupt nicht in der Hand gehabt und war von ihrem Auftauchen selbst überrascht.

Die Männer im Mercedes hatten den Vorfall so geschildert: Ein missglücktes Überholmanöver des Lkw-Fahrers Thomas M. habe sie zum abrupten Abbremsen gezwungen. Dabei sei die unterm Beifahrersitz deponierte Waffe nach vorn gerutscht. Beim Aufheben – nicht durch den Beifahrer, sondern durch den Fahrer – sei der Lauf der Pistole dann womöglich einen Moment lang so ausgerichtet gewesen, dass Thomas M. das als Bedrohung empfand.

Nur passte das nicht zur Schilderung von M.: Der erinnerte sich, das Zielen mit der Waffe habe mehrere Sekunden gedauert. Er habe Angst bekommen: „Heutzutage weiß man ja nie.“ Der Mercedes-Fahrer – über den Sitz seines Beifahrers gebeugt – habe ihn direkt angeschaut. Thomas M.s Reaktion: Er merkte sich das Nummernschild und rief die Polizei an. Der Mercedes wurde gestoppt, die Pistole gefunden.

Der Richter verurteilte den Mercedes-Fahrer zu einer Geldstrafe: 80 Tagessätze à 15 Euro muss er zahlen. Dazu kommt ein Fahrverbot: Zwei Monate ohne Führerschein.




Skurrile Drohung mit „Plastikkopf“ vor dem Amtsgericht

von Andreas Milk

Eine ausgesprochen skurrile Drohung soll der 48-jährige Bergkamener Markus K. (Name geändert) gegen einen Mann auf der Straße ausgesprochen haben. Und zwar lautete sie laut Anklageschrift: „Ich werde dafür sorgen, dass du einen Plastikkopf bekommst!“ Einem anderen habe er einen Schlag gegen die Schulter versetzt und ihn „Arschloch“ genannt; eine Frau auf der Hochstraße soll er als „Fotze“ bezeichnet haben. Es wäre also reichlich Stoff gewesen diese Woche beim Termin vor dem Kamener Amtsgericht.

Aber: Dieser Termin brachte nicht viel. Denn Markus K. entzog seinem Pflichtverteidiger das Vertrauen; auch der Anwalt bat daraufhin um seine „Entpflichtung“. Markus K. sagt von sich selbst, er sei überfordert mit seinem Leben. Er hat schon einmal in Haft gesessen, zuletzt wurde er zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt wegen Delikten, die denen in der neuen Anklageschrift ähnlich sind. K. sprach von einem „Mordversuch, den ich überlebt habe“ – tatsächlich gab es eine Messerattacke gegen ihn -, die Polizei terrorisiere ihn, seit März habe er keinen Strom.

Der Richter will nun prüfen lassen, ob für Markus K. die Bestellung eines Betreuers in Frage kommt. K. selbst will sich einen neuen Verteidiger suchen. Sein Ziel sei ein Freispruch: „Ich habe nichts gemacht.“




Autofreunde rasten im Kaufland-Parkhaus aus – Greenpeace und kroatische Kinder profitieren

von Andreas Milk

Drei junge Männer in drei teuren Autos geraten aneinander – und am Ende profitieren von dem Zoff drei gemeinnützige Organisationen. Das ist das Fazit einer Verhandlung im Kamener Amtsgericht. Hier sahen sich zwei Brüder und ein dritter Mann wieder. Im Parkhaus von Kaufland an der Töddinghauser Straße waren sie im April vorigen Jahres zusammengerasselt: Einer im Chrysler, einer im Ford Mustang, einer im Daimler.

Kurzfassung des Geschehens: Besagter dritter Mann regt sich über unnötiges Gasgeben eines der beiden Brüder auf. Der reagiert unwirsch. Zweiter Bruder schaltet sich ein. In den Anklageschriften gegen das Trio ist von einem Pfefferspray-Einsatz, einer Todesdrohung und einer Sachbeschädigung (Tritt gegen Autotür) die Rede. Und die einzige Zeugin, die bei der Aufklärung hätte helfen können, fehlte. Sie muss nun ein Ordnungsgeld zahlen.

Keiner der Angeklagten ist vorbestraft – und alle haben sie bei dem Vorfall im Parkhaus irgendwas abgekriegt. Das brachte Richter Martin Klopsch auf die Idee, das Verfahren einzustellen gegen Zahlung von Geldbußen. Die drei Männer waren einverstanden, der Staatsanwalt ebenso. Und so läuft es jetzt: Ein Angeklagter überweist 500 Euro an Greenpeace, die beiden übrigen – weil sie ein höheres Einkommen haben – jeweils 1.000 Euro an eine Organisation für Kinder in Kroatien beziehungsweise an einen Verein zur Förderung naturverträglicher Windräder im Münsterland. Ist das Geld angekommen, ist der Fall „Parkhaus“ vorstrafenfrei abgehakt. Sollte einer nicht zahlen, sitzt er bald wieder auf der Anklagebank.




Wucher beim Schlüsseldienst: Bewährungsstrafe für 767-Euro-Rechnung

von Andreas Milk

Wegen Wuchers ist der Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes vor dem Amtsgericht Kamen zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Nach Überzeugung des Richters hatte Janis S. (Name geändert) die Notlage eines Geschwisterpaars in Bergkamen ausgenutzt. 767 Euro stellte er den beiden im März vorigen Jahres für eine halbe Stunde Arbeit in Rechnung – zahlbar sofort per EC-Karte. Später gingen die Geschwister zur Polizei.
An jenem Tag hatte es erst einen Feuerwehreinsatz gegeben: Die Wohnung vom tablettensüchtigen Bruder der beiden Geschwister musste gewaltsam geöffnet werden. Der Mann war hilflos, konnte nicht mehr selbst öffnen, brauchte medizinische Versorgung. Als die Feuerwehr weg war, stand die Wohnungstür offen und ließ sich nicht mehr schließen. Kurzes Googeln per Handy, die erstbeste 0800er-Nummer gewählt – und wenig später war Janis S. zur Stelle.

Es war ein Freitagnachmittag, etwa 16 Uhr: Kein Anlass also für besondere Wochenend- oder Nachtzuschläge. Der Bruder des Wohnungsbesitzers witzelte noch im Beisein von Janis S., die Branche der Schlüsseldienste habe ja einen miesen Ruf – mehr als 200 Euro dürfe der Einsatz nicht kosten, denn mehr habe er nicht dabei. Von Janis S. soll in dem Moment keine Reaktion gekommen sein; er machte seine Arbeit. Die Rechnung wies letztlich einen nicht näher erklärten „fallspezifischen Einsatzwert“ von 159 Euro aus sowie 217 Euro für einen Zylinder und 169 Euro für ein neues Schloss, dazu noch ein Arbeitsentgelt, das auf einen Stundenlohn von fast 160 Euro hochzurechnen ist.

Janis S.‘ Verteidiger forderte Freispruch. Begründung: Wucher sei nicht gegeben – dafür bräuchte es laut Strafrecht eine Notlage der Opfer. Die habe gefehlt – die beiden hätten sich eine Alternative überlegen können. Das sah der Richter anders – und er erklärte, wer in diesem Fall schon nicht von Wucher sprechen wolle, der müsse doch zumindest gewerbsmäßigen Betrug in dem Verhalten von Janis S. sehen. Es ist nicht das erste Mal, dass S. angeklagt war: Einige Verfahren sind schon abgeschlossen, andere laufen noch, die letzten sieben Wochen hat S. in U-Haft verbracht.

Staatsanwaltschaften in NRW, in Kiel und Frankfurt/Oder beschäftigen sich mit ihm. Seine Bergkamener Opfer hatten mit der 767-Euro-Rechnung eher noch Glück. Anderswo soll Janis S. für ähnliche Dienste 1.600 bis 1.800 Euro verlangt haben.