Der Nachbar mit der Spitzhacke: Strafe für gelöste GSW-„Straßenkappe“

von Andreas Milk

Der 54-jährige Bergkamener Mesut A. (Name geändert) ist wohl – vorsichtig ausgedrückt – kein ganz einfacher Mensch. Was er am 8. November 2017 anstellte, nannte selbst sein Verteidiger vor dem Kamener Amtsrichter eine „schwachsinnige Aktion“. Mit Hilfe einer Spitzhacke löste A. eine so genannte Straßenkappe an der Lünener Straße aus ihrer Verankerung.

Solche Kappen dienen dazu, Anschlüsse von Versorgungsleitungen an öffentlich zugänglichen Wegen abzudecken. Vorausgegangen war der „schwachsinnigen Aktion“ ein Rechtsstreit um Wegerechte, Befugnisse, Grundstücksangelegenheiten. Im einzelnen wurde das heute vor Gericht nicht erörtert: Es reichte, dass A. sich fürs Aushebeln der Kappe einen Strafbefehl über 900 Euro wegen Sachbeschädigung eingehandelt hatte. Weil er dagegen Einspruch erhob, wurde nun der Verhandlungstermin nötig.

Es ging unter anderem darum, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei. Denn die Straßenkappe war nicht zerstört worden – A. hatte sie „nur“ weggenommen und bewahrte sie seitdem auf. Ein Mitarbeiter der Gemeinschaftsstadtwerke GSW sorgte für Aufklärung: Nein, es sei nicht damit getan, das Ding wieder einzusetzen. Das Ventil der Wasserleitung sei inzwischen von Schutt und Split umgeben. Außerdem müsse die schützende Kappe beim Wiedereinsetzen auch wirklich dicht abschließen. Arbeit für Fachleute also – Kostenpunkt: einige Hunderter.

Empfehlung des Richters an den Angeklagten: besser den Einspruch gegen die Strafe zurückziehen. Sonst drohe es noch teurer zu werden – eine Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit jedenfalls komme nicht in Frage. Tatsächlich akzeptierte A. den Vorschlag. Es bleibt also bei den 900 Euro Strafe.
Den einen oder anderen Richter wird A. aber wohl weiter beschäftigen. Denn der Mann mit der Spitzhacke baut sich anscheinend gern vor Nachbarn auf. Eine Frau von nebenan erzählte im Gerichtssaal, sie habe Angst vor ihm. Es gebe mit A. nur Probleme und Streit.




Lunge kaputt: COPD-Patient erweckt auf Anklagebank Mitleid

von Andreas Milk

Der Mann gehörte von Gesetzes wegen bestraft – und erweckte doch bloß Mitleid. Der Bergkamener Armin H. (Name geändert) hat COPD, eine Lungenkrankheit. Er kriegt schwer Luft, leidet hörbar an erhöhter Schleimproduktion. Und eigentlich hätte der Kamener Amtsrichter Christoph Hommel den 30-Jährigen heute ins Gefängnis schicken müssen: dieses Mal, weil der junge Mann mit dem ellenlangen Vorstrafenregister vier Mal „schwarz“ gefahren war.

Die Vorstrafen liegen länger zurück: Dutzende Fälle von Diebstahl, Betrug, Urkundenfälschung. COPD, die tückische Krankheit, erwischte Armin H. erst vor rund einem Jahr. Er wurde damals von den Ärzten in ein Koma versetzt, wäre sonst wohl gestorben. Was genau bei ihm COPD ausgelöst hat, kann er nicht sagen. Möglich, dass seine Drogensucht ein Faktor war.

Mit dieser Sucht hängen auch die Schwarzfahrten zusammen: H. wollte zum Substitutionsarzt, also zu jenem Mediziner, bei dem er Ersatzstoffe statt illegaler Substanzen erhält. Inzwischen habe er sich einen anderen Arzt gesucht, damit keine Fahrten mehr nötig sind, erzählte H.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 5 Euro. 600 Euro, die H. in Raten zahlen kann. Tut er das nicht, drohen als Ersatzfreiheitsstrafe 120 Tage Haft. Aber das könne wohl niemand wollen, so Richter Hommel, der dem Angeklagten einen Justizwachtmeister als Begleitung für den Fußweg zum Kamener Bahnhof anbot. H. lehnte ab: Er schaffe das schon.




Schwarz gewohnt in der Marina: 10 Monate Haft für Spielsüchtigen

von Andreas Milk

Mit Schwarzfahrern hat das Kamener Amtsgericht regelmäßig zu tun – heute saß zur Abwechslung ein Schwarzwohner auf der Anklagebank: Sedat K. (Name geändert) hatte sich vergangenen November im Gästehaus der Marina Nord in Rünthe eingemietet. 28 Euro pro Tag sollte das kosten. Nach knapp einer Woche verschwand K., ohne zu zahlen.

Das war nicht alles: Für rund 5.000 Euro ließ sich K. von Versandunternehmen iPhones schicken, die er nicht bezahlen konnte und ins Leihhaus brachte. Sowohl dieser Betrug als auch die Marina-Geschichte haben als Hintergrund K.s Spielsucht. Die habe er lange nicht wahrhaben wollen, sagte der 38-Jährige. Seit Jugendzeiten komme er nicht von den Automaten los. Ob man nun gewinne oder verliere – man spiele weiter. Am Ende verliere man, natürlich.

Alles, was die Staatsanwaltschaft ihm nun vorwarf, gab er zu. In der Marina habe er sich einquartieren müssen, weil seine Frau ihn rausgeworfen habe. Die iPhones habe er bestellt, um eben an frisches Geld für die Automaten zu kommen.

K. ist mehrfach vorbestraft. Trotz Reue und Bereitschaft zur Schadensbegleichung sei eine Haftstrafe unvermeidlich, entschied Richter Christoph Hommel: 10 Monate, ohne Bewährung. Ungewöhnlich bei der Urteilsverkündung: Hommel verband sie mit dem Tipp an Sedat K., gleich eine Etage tiefer zu gehen und Berufung einzulegen.

Der Grund: K. hat nicht nur für diese Woche einen Termin bei der Spielsuchtberatung in Unna vereinbart – er hat als ausgebildeter Lokführer auch eine Jobzusage. Und wenn beides – Beratung plus fester Job – ihn in den kommenden Monaten in die Spur bringt, lässt das die Chancen steigen, in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund doch noch eine Bewährungschance zu bekommen.




Drogenanklage: Mit „Abschaum“ unter einem Dach

von Andreas Milk

Zu behaupten, das Verhältnis zwischen Thomas A. (35, Name geändert) und seinen Nachbarn sei angespannt gewesen, wäre eine charmante Untertreibung. Von „Abschaum“ sprach A. heute vor Gericht. Einer seiner Ex-Mitbewohner sei ein „Idiot“, der „ständig irgendwelche Scheiße“ erzähle. Diese Erzählungen haben A. auf die Anklagebank gebracht: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Handel mit Marihuana, Amphetaminen und Ecstasy-Pillen vor.

„Alles absoluter Blödsinn“, erklärte A. Was er dagegen offen und geradezu freudig zugab: Er rauche gern mal ein bisschen Hasch. Das erklärte einen weniger bedeutsamen Anklagepunkt – und zwar, dass beim Durchsuchen von A.s Wohnung geringe Mengen Stoff gefunden wurden.

Weit schwerer wiegt aber eben, was sonst in der Anklage steht. Demnach soll A. Betäubungsmittel in Mengen besessen haben, die weit über die eigenen Bedürfnisse hinaus gingen. So entstand der Verdacht, A. handele mit dem Zeug. Grundlage sind Angaben der besagten Nachbarschaft. Dass die nicht ganz astrein ist, wissen Richter und Staatsanwaltschaft sehr wohl: Es ist Stammkundschaft dabei.

Speziell jener Nachbar, der A. besonders belastet, soll inzwischen auf Sylt sein. Im Herbst wird es vor dem Kamener Amtsgericht einen neuen Termin geben – mit dem mutmaßlichen Neu-Insulaner als Zeugen. In einigen Wochen wird auch Thomas A. wegziehen: von Bergkamen-Mitte nach Oberaden. Im jetzigen Haus in der Nähe des Platzes von Wieliczka hätten die werten Nachbarn „verbrannte Erde hinterlassen“.




Prozess um Cannabis-Plantage in Bergkamen: Haftrichterin im Zeugenstand

Vor der Verhandlung waren Angeklagter und Zeuge einträchtig über den Parkplatz zum Gebäude des Kamener Amtsgerichts spaziert. Umso erstaunlicher, dass der Angeklagte einige Minuten später behauptete: Der Zeuge habe ihm mit einer Lüge das Verfahren eingebrockt. Es ging um jahrelangen Erwerb von Marihuana – und um eine Bergkamener Cannabisplantage.

Die gehörte dem 37-jährigen Thomas F. (Namen geändert). Das ist der Mann, der heute vor Gericht Zeuge war. Im vergangenen Dezember wurde seine Plantage von der Polizei dicht gemacht. F. wurde damals einer Haftrichterin vorgeführt. Sie erklärte ihm, dass es von Vorteil sein könne, mit den Ermittlern zu kooperieren – sprich: Namen von Abnehmern zu nennen. F. nannte Markus E. (27) – den Mann, der nun heute Angeklagter war.

Markus E. hatte Anfang des Jahres einen Strafbefehl bekommen wegen mindestens 60-maligen Erwerbs von jeweils mindestens fünf Gramm Marihuana in den 60 Monaten von Januar 2013 und Dezember 2017. Er legte Einspruch ein. Im Gericht verlangte er nun einen Freispruch. Denn (Ex-) Plantagenbesitzer Thomas F. habe ihn zu Unrecht in die Sache hineingezogen. Niemals habe er illegalen Stoff von F. gekauft.

Und siehe da: F. bestätigte das sogar. „Ziemlich dumm“ sei es gewesen, Markus E. bei der Polizei des Drogenerwerbs zu bezichtigen. Aber er habe nach einer Nacht in der Polizeizelle bloß noch seine Ruhe haben wollen. Darum habe er der Haftrichterin erzählt, was ihm in seiner Situation gerade nützlich erschien – ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt.

Besagte Richterin war praktischerweise gerade im Hause. So konnte sie denn ihrerseits auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen und versicherte: Sie habe im Dezember ein „längeres Gespräch“ mit dem Bergkamener Plantagenbesitzer gehabt; er habe eine Weile mit sich gerungen und dann den Namen seines Kunden Markus E. herausgerückt. Dabei habe er – wohl um sich vor sich selbst zu rechtfertigen – so etwas gesagt wie: Jeder ist für sich selbst verantwortlich.

Richter und Staatsanwalt kamen zu dem Schluss: Markus E. hat das Marihuana gekauft – und die Aussage von Thomas F. bei der Haftrichterin war korrekt, seine Aussage im Prozess heute dagegen Blödsinn. Die Konsequenzen: Markus E. muss eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 40 Euro zahlen; Thomas F. muss mit einem Verfahren wegen Falschaussage rechnen. Daneben läuft noch F.s eigenes Verfahren wegen des Betreibens der Plantage. Mit Hinweis darauf hätte er heute im Amtsgericht als Zeuge auch schlicht schweigen können.




Hinterziehung vom Sozialbeiträgen: Bergkamener Baufirma am Ende – Ex-Chef vor Gericht von Andreas Milk

Die Baufirma von Klaus M. (Name geändert) an der Marina Rünthe lag sozusagen schon in den letzten Zuckungen – drum sah sich der Unternehmer gezwungen, den Krankenkassen Beiträge für sein knappes Dutzend Mitarbeiter vorzuenthalten. Fast 17.000 Euro sparte er auf diese Weise im Herbst 2016 / Frühjahr 2017. Das brachte ihm eine Anklage ein – über die jetzt vor dem Kamener Amtsgericht verhandelt wurde.
M., 47 Jahre, voll geständig und ohne Vorstrafen, berichtete, seinem Betrieb sei es schon 2009 nicht gut gegangen. Er habe sich aber berappelt. 2016 habe es Enttäuschungen an gleich mehreren Baustellen gegeben – denn die warfen längst nicht das ab, was M. erwartet hatte. Auch ein Kredit über 150.000 Euro half nicht dauerhaft. Zwar konnte M. einige Verbindlichkeiten ausgleichen – aber nicht alle. Krankenkassen und Finanzamt kamen mit Pfändungen. Im Juni 2017 kam die Insolvenz. Rund 350.000 Euro „Miese“ hatten sich inzwischen angehäuft.
„In höchstem Maße sozialschädlich“ sei die Beitragshinterziehung, fand der Vertreter der Staatsanwaltschaft – trotz Verständnisses für M.s Situation. Die beschrieb in seinem Plädoyer auch noch einmal M.s Verteidiger. Sein Mandant habe „tapfer gekämpft“ um den Betrieb.
Das Urteil: eine Geldstrafe von 140 Tagessätzen à 30 Euro, macht 4.200 Euro. Für M. spricht laut Richter Martin Klopsch, dass sein Geständnis eine aufwendige Zeugenvernehmung entbehrlich gemacht – und er selbst nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet habe.




18 DVD’s im Hosenbund: Klauaktion bei Aldi

von Andreas Milk

Immerhin 18 DVD’s passten in den Hosenbund von Maria F. (22, Namen geändert). Den eher ungewöhnlichen Aufbewahrungsort hatte sie gewählt, weil sie die DVD’s stehlen wollte, gemeinsam mit ihrem Freund Wiktor K. (23), der Schmiere stand. Das Pärchen war am frühen Abend des 2. November in den Aldi-Markt an der Jahnstraße gekommen – heute standen sie wegen gemeinschaftlichen Diebstahls vor dem Kamener Amtsrichter.

Beide gaben Geständnisse ab. Die jungen Leute sprachen von einer Dummheit, die sie sich da wohl erlaubt hätten. Wiktor K. bezeichnete sich als Filmsammler – er brauche Tauschobjekte. So erklärte er denn auch, dass einige Titel gleich mehrfach „mitgingen“. Dem Vertreter der Staatsanwaltschaft fiel auf, dass es sich überwiegend um solche Titel handelte, die „schon was älter“ seien – worauf K.s Verteidiger sachkundig erwiderte: „Vielleicht gibt’s die deshalb bei Aldi.“ In K.s Kofferraum fanden Ermittler später an jenem Abend noch reichlich CD’s und DVD’s ungeklärter Herkunft – musikalisch war alles dabei von Tim Bendzko bis Kelly Family; bei den Filmtiteln stach „Inferno“ mit acht Exemplaren hervor.

Maria F. und Wiktor K. haben selbst keine Einkünfte, leben von der Hilfe ihrer Eltern. Für die geklauten Aldi-DVD’s – Gesamtwert: 159,91 Euro – müssen die beiden nun jeweils 600 Euro Geldstrafe zahlen.




„Nutte“, „Schlampe“: Geldbuße für mutmaßlichen Pöbel-Nachbarn

von Andreas Milk

Geschäftsleute freuen sich über Stammkunden – Strafrichter sind eher genervt. Der 34-jährige Bergkamener Thomas K. (Name geändert) war schon häufiger im Kamener Amtsgericht. Diesmal ging es um Beleidigung. „Schlampe“ und „Verpiss dich, du Nutte“ – das soll er am Nachmittag des 19. Januar seiner Nachbarin in einer Straße nahe dem Bayer-Werksgelände zugerufen haben.

Und was diese Nachbarschaft angeht: Die hat dem Gericht halt schon allerhand Arbeit beschert in den letzten Jahren. Man mag sich halt nicht besonders in diesem Wohnquartier – vorsichtig ausgedrückt. Beim Prozesstermin erklärte Thomas K. nun, er habe die Frau nicht beleidigt, sondern bloß Sachen aus seinem Auto geholt, als sie vorbeigegangen sei.

Reue und Einsicht sehen anders aus. Trotzdem: Richter Christoph Hommel hatte Deeskalation im Sinn und „keine Lust, dass wir hier wieder eine Lawine lostreten“. Sein Vorschlag: Verfahrenseinstellung gegen Geldbuße. Denn eine Verurteilung, so die Sorge des Juristen, werde womöglich ein Revanche-Foul provozieren, und das ganze Theater finge von vorn an.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte erst Bedenken – und zwar, weil von Thomas K. eben kein Geständnis gekommen war. Aber am Ende lenkte er ein.

Ergebnis: K. muss eine Geldbuße von 500 Euro an die evangelische Jugendhilfe Menden zahlen. Tut er das, ist die Sache erledigt, ohne neuen Eintrag im Vorstrafenregister. Appell des Richters zum Schluss: „Sehen Sie zu, dass es zu solchen Geschichten nicht mehr kommt.“




LKW-Unfall auf A 2: Anwalt in Rage – aber Führerschein gerettet

von Andreas Milk
Harte Worte unter Juristen: Ein Strafverteidiger warf dem Kamener Amtsrichter Martin Klopsch heute „fast schon erpressungsähnliches“ Verhalten vor. Klopsch erwiderte, er wolle halt nicht, „dass einer mit dem LKW auf mich zu kommt und mich platt macht“. Es ging um einen Unfall auf der A 2 – und um die mögliche Entziehung eines Führerscheins. Genau die drohte im Gerichtssaal dem Berufskraftfahrer Franz F. (57, Name geändert).

F. war am 15. August 2017 – abends gegen 21 Uhr – mit seinem Laster auf der Autobahn in Richtung Hannover unterwegs. Sein LKW rammte einen Wagen auf dem Seitenstreifen. Die Fahrerin stand neben dem Wagen; sie war wohl ausgestiegen, weil sie ein gesundheitliches Problem hatte. Die Berührung des LKW führte dazu, dass der Wagen gegen die Frau gedrückt wurde. Die erlitt eine Verletzung am Bein.

Konsequenz: ein Verfahren gegen Franz F. wegen fahrlässiger Körperverletzung. An sich keine große Sache. Aber: F. hat im Straßenverkehr schon mehr als reichlich Mist gebaut. 2009 verlor er den Führerschein, weil das Flensburger Punktekonto voll war. Als er den „Lappen“ nach Medizinisch-Psychologischer Untersuchung – alias Idiotentest – zurück hatte, folgten weitere Verkehrsverstöße. Die Sache auf der A 2 passierte, als gerade schon ein Verfahren wegen Handynutzung am Steuer gegen F. lief. Und ein Zeuge sagte, F.s Laster habe kurz vorm Zusammenstoß mit dem Wagen der Frau geschlingert – was den Verdacht aufkommen lässt, F. sei auch diesmal abgelenkt gewesen.

Bereits vor dem Gerichtstermin heute hätte die Sache für F. erledigt sein können. Er hatte einen Strafbefehl über 1.200 Euro erhalten. Doch statt zu zahlen, legte er Einspruch ein. Richter Klopschs lautes Nachdenken über ein vorläufiges Einkassieren des Führerscheins – Grund: mangelnde Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs – brachte F.s Anwalt in Rage. Einige Minuten Beratung auf dem Gerichtsflur – dann teilten er und sein Mandant mit: Der Einspruch gegen den Strafbefehl wird zurückgenommen. Damit war das Ganze erledigt; für den Richter gab es nichts mehr zu entscheiden.

„Rechtmäßig und gerecht ist das in keinem Fall“, kommentierte der Anwalt das Prozedere. Richter Klopsch bekannte, sein Ziel sei es eigentlich gewesen, F. den Führerschein wenigstens für eine Weile abzunehmen. Das Interesse der Allgemeinheit sei höher zu bewerten als das Interesse eines Einzelnen.




Ikea: Klauversuch an der SB-Kasse – Haftstrafen auf Bewährung

von Andreas Milk

Gemeinschaftlicher versuchter Diebstahl plus Urkundenfälschung: Dafür sind zwei Frauen heute vor dem Amtsgericht Kamen zu vier und sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Tatort war das Ikea-Haus im Kamen Karree – genauer: dessen Selbstscanner-Kasse.

Am frühen Abend des 18. Februar 2017 hatten die beiden Frauen vier Teppiche ausgewählt. Die hätten insgesamt rund 457 Euro gekostet. Tatsächlich wies die Kasse aber nur vier Mal 1,99 Euro – insgesamt 7,96 Euro – aus. Die Erklärung: ein überklebtes Preisschild. Das nachträglich angebrachte Etikett von einem Billig-Artikel für 1,99 Euro wurde ganz bewusst und eben vier Mal von den Frauen eingescannt, war Richter Martin Klopsch überzeugt.

Die beiden Angeklagten hatten den Fall völlig anders dargestellt: Es habe Probleme mit der benutzten ec-Karte gegeben, darum hätten sie auf den Preis, den das Display anzeigte, gar nicht geachtet. Erst, als ein Detektiv sie hinter der Kasse ansprach, seien sie darauf aufmerksam geworden, dass etwas nicht stimmte.

Kaum zu glauben sei das – da waren sich Richter und Staatsanwalt einig. Es gab überhaupt so einiges, das die Frauen belastete. Zum Beispiel, dass sie zwar alle vier Teppiche am Scanner vorbei geführt haben wollen – dieser Scanner von den vier Teppichen aber nur einen einzigen registrierte, den aber dafür gleich vier Mal. Nämlich den mit dem 1,99-Euro-Barcode. Merkwürdig auch: Als der Detektiv den Kassenbon sehen wollte, hatten die Frauen diesen Bon angeblich schon verklüngelt – und das gerade einmal einige Sekunden, vielleicht eine halbe Minute nach Passieren der Kasse.

Mehrere Vorstrafen wegen Diebstahls kommen noch dazu. Dass die Frauen bei Ikea quasi aus Versehen zu Täterinnen wurden – eher unwahrscheinlich, so die Überzeugung des Richters.
Beide sind berufstätig – beide müssen als Bewährungsauflage Geld zahlen, in unterschiedlicher Höhe, gemäß Einkommenssituation. Das heißt konkret: Sofern das Urteil rechtskräftig wird, kriegt der Naturschutzbund NABU 2.000 Euro, die Aktion Lichtblicke ist mit 800 Euro dabei. Teure Teppiche für einen guten Zweck.




„Pass auf, mein Freund…“: Pampige Botschaft an Belastungszeugen via Facebook-Messenger

von Andreas Milk

Wer in einem Strafprozess angeklagt ist, kann eigentlich kaum etwas Idiotischeres tun, als vor dem Gerichtstermin Zeugen anzupflaumen oder gar zu bedrohen: Richter sind da empfindlich. Aber genau das tat Kevin M. (Namen geändert), Endzwanziger aus Bergkamen-Oberaden.

Im Kamener Amtsgericht hatte er sich heute für eine Reihe demolierter Autos zu verantworten. Einige Tage ist es her, da bekam ein potenzieller Belastungszeuge eine Sprachnachricht via Facebook-Messenger von Kevin M. Das war insofern praktisch, als der Zeuge diese Nachricht nun dem Gericht bequem vorspielen konnte. Sie startete mit den Worten „Jetzt pass mal auf, mein Freund…“, danach wurde es noch weit ruppiger. „Das war richtig dumm“, erkannte jetzt auch Kevin M. selbst.

Rückblende: In der Nacht zum 2. Juli 2017 sind zwei junge Männer im Bereich Am Hohen Kamp in Oberaden unterwegs. Sechs Autos – darunter ein Pommeswagen – werden beschädigt. Anwohner rufen die Polizei und nehmen die Verfolgung auf. Die beiden mutmaßlichen Randalierer werden schließlich gestellt – und zwar in der Wohnung von Kevin M.

Der beteuerte vor dem Richter wieder und wieder, nicht er sei es gewesen, der sich an den Fahrzeugen ausgetobt habe. Blieb als möglicher Täter nur sein Kumpel, der mitangeklagte Jochen F. – der allerdings den Prozess schwänzte. Zeugen bestätigten: Nicht beide Männer, sondern nur einer von den zwei Spätheimkehrern habe Krawall gemacht. Auf einem Foto erkannten sie ihn wieder: Jochen F.

Mit dem wird sich die Justiz nochmal extra befassen müssen. Kevin M. dagegen verließ das Gericht mit einem Freispruch – auch wenn der Richter ihm nicht abnahm, dass er von den Sachbeschädigungen nicht das Geringste mitbekommen habe in jener Nacht, obwohl er in der Nähe von Jochen F. die Straße entlang ging.

Nicht nur der Freispruch ist erfreulich für Kevin M., sondern auch die Tatsache, dass er nicht wegen Verdunkelungsgefahr in Haft landete: Hätte der Empfänger der pampigen Sprachnachricht sofort Polizei und Gericht informiert, wäre das nicht unwahrscheinlich gewesen. Im Gerichtssaal nahm der Zeuge eine Entschuldigung Kevin M.s an.