Wie Schulhofkloppe – 50 Jahre zu spät: Zoff unter Frauen um einen Kerl 

von Andreas Milk
„Verfahren, die die Welt nicht braucht“: Der Verteidiger von Monika K. (58, Namen geändert) fand, der Prozess um seine Mandantin sei wohl in diese Reihe einzuordnen. Die Bergkamenerin war wegen Körperverletzung angeklagt. Sie soll Beate B. einen Faustschlag ins Gesicht versetzt haben. Es ging bei der Auseinandersetzung um einen Kerl. Auch der falschen Verdächtigung habe sich Monika K. schuldig gemacht, meint die Staatsanwaltschaft. Denn bei der Polizei habe sie später zu Unrecht Beate B. der Körperverletzung bezichtigt.

Monika K., bislang unbescholtene Bürgerin, fand den Auftritt vor dem Kamener Strafrichter sichtlich unangenehm. Ein paar Mal rang sie um Fassung. „Tatort“ war die Wohnung des besagten Kerls in Bergkamen am frühen Abend des 17. November 2024. Monika K. war wohl zu ihm gegangen wegen des Verdachts, Dritte wollten die Beziehung zu ihm – ihrem „besten Freund“ – hintertreiben. Ein Gespräch schien angezeigt. Aber in der Wohnung war schon Beate B.

Und glaubt man Monika K., dann war es Beate B., die als erste gewalttätig wurde, Monika K. vor die Brust stieß und ohrfeigte. Sie selbst, sagt Monika K., habe sich nur gewehrt, mit einem Schlag ins Gesicht der anderen Frau, ausgeführt mit der flachen Hand. „Ich bin mir keines Faustschlags bewusst.“ Letztlich sei sie aus der Wohnung geworfen worden. Einige Zeit später meldete sich die Polizei wegen Beate B.s Anzeige bei ihr.

Atteste über Verletzungen konnten nach jenem Abend beide Frauen vorlegen. Weil die Geschichte anmutet wie eine 50 Jahre verspätete Schulhofprügelei, waren die beteiligten Juristen einig: Eine Verurteilung braucht es nicht. Monika K. erklärte sich bereit, ihrer Kontrahentin 300 Euro zu zahlen. Ist das erledigt, wird das Strafverfahren gegen sie eingestellt. „Schweren Herzens“ stimme sie zu, sagte K. – es fühle sich an wie ein Schuldeingeständnis, dabei fühle sie sich nicht schuldig. Der Richter sprach von einem Ausgleich im Sinne des Rechtsfriedens.




Betrug mit Flaschenpost – Vermeintlicher Gönner zahlte nicht

von Andreas Milk
Drei Mal an einem Tag im April 2024 hat die Bergkamenerin Jacqueline H. (22, Namen geändert) großzügig Lebensmittel bei Flaschenpost bestellt: Ware für insgesamt rund 600 Euro wurde an die junge Frau geliefert. Gezahlt hat jemand anders: Das Geld wurde abgebucht vom Konto des 38-jährigen Malik T. aus Telgte. Vor dem Kamener Strafrichter war jetzt die Frage: Hatte T. sein Einverständnis gegeben? Auf der Anklagebank saß Jacqueline H., und zwar wegen mehrfachen Computerbetrugs.

Fest steht: Sie war psychisch instabil. Kurz nach den Flaschenpost-Bestellungen war sie im Dortmunder Landeskrankenhaus in Behandlung. Es galt, eine Trennung zu verarbeiten. Im Prozess erzählte die Bergkamenerin von einem Suizidversuch. Und genau diese Labilität habe Malik T. auszunutzen versucht. Los gegangen war alles, als er ein gebrauchtes iPhone von der Bergkamenerin kaufte. Beim Abholtermin in Bergkamen bekam er wohl mit, in welcher finanziellen Klemme sie steckte. Jacqueline H. sagt: Er habe ihr angeboten, in seinem Namen bei Flaschenpost zu bestellen, und später ihre Not für eine sexuelle Beziehung  auszunutzen versucht. „Ich war dumm und naiv.“ Sie habe ihn schließlich geblockt und ihre Nummer geändert; auf TikTok folge er ihr aber bis heute. Malik T. – ein verheirateter Mann – sagt: Sie habe ohne Rücksprache mit ihm die Nummer seines Kontos, die sie aus dem iPhone-Verkauf kannte, für die Flaschenpost-Bestellungen missbraucht. Weil er erst mal gar nicht kapiert habe, was los war, habe er bei der Polizei Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Und was das (Nicht-)Verhältnis zwischen ihnen angeht: Er habe sie zwei, drei Mal gefragt, ob sie mit ihm ausgehen wolle. Sie wollte nicht – Ende.

Chatverläufe sind weder von ihm noch von ihr abgespeichert worden. Und so bleibt weitgehend offen, was sich im Frühjahr vorigen Jahres im Detail abgespielt hat. Malik T. hat sein Geld längst von seiner Sparkasse zurück erhalten; Jacqueline T. fühlt sich psychisch sehr viel besser, strebt einen nachträglichen Schulabschluss an und möchte im pflegerischen Bereich arbeiten. Dass sie mit Malik T.s Kontonummer Mist gebaut hat, davon war der Richter allerdings doch überzeugt. Das Urteil: eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 10 Euro. Ersatzweise kann die Bergkamenerin gemeinnützige Arbeit leisten.




Nachlässig, nicht kriminell: Als „Betrüger“ vor Gericht

von Andreas Milk
Es braucht keine kriminelle Energie, um Angeklagter vor Gericht zu werden. Ein bisschen Nachlässigkeit tut’s auch. Das zeigen die Fälle eines Bergkameners und eines Kameners, über die jetzt der Strafrichter am Amtsgericht Kamen zu urteilen hatte.

Um genau zu sein: Für den Kamener gab es kein Urteil – sondern eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung von 600 Euro Buße an die Bundesagentur für Arbeit. Markus H. (Namen geändert) hatte zwischen August 2023 und Januar 2024 zu Unrecht insgesamt rund 2.800 Euro Arbeitslosengeld I bezogen. Laut Anklage verschwieg er in diesem Zeitraum die Aufnahme zweier Jobs. Aber: Es war kompliziert. H. hatte seinerzeit sowohl mit der Arbeitsagentur als auch mit dem Jobcenter zu tun; es existieren Aktenvermerke über Mails und Telefonate, in denen es wohl um H.s Tätigkeiten ging – bloß landeten seine Angaben nicht zwingend an der „richtigen“ Stelle. Die Verwirrung war groß. Komplett entwirren ließ sie sich beim Prozesstermin nicht. Die Verfahrenseinstellung gegen Bußgeldzahlung bedeutet: H. hat nicht alles getan, was er hätte tun können. Aber er ist eben kein Betrüger, der verurteilt gehört.

Ganz anders wiederum der Fall des Bergkameners Manfred F.: Der hatte online eine Lichtanlage für 150 Euro geordert. Dieses Geld bekam der Verkäufer aber nie. Denn die Sparkasse führte mangels Kontodeckung F.s Überweisung nicht aus. Für F. war das nicht abzusehen gewesen – denn er stand nicht etwa dauerhaft und notorisch im Minus, sondern bloß eben an dem betreffenden Tag. Eine Betrugsabsicht sei da nicht nachzuweisen, waren sich Staatsanwalt und Richter einig. Das Urteil folgerichtig: Freispruch.




An der Tanke zugelangt: Brieftasche von Zapfsäule geklaubt

von Andreas Milk
Wie viele vergessene Brieftaschen liegen eigentlich immer so auf den Zapfsäulen der Shell-Tankstelle in Bergkamen an der Werner Straße rum? Zugegeben, die Frage klingt seltsam. Aber das war die Beweisaufnahme in einem Prozess um Unterschlagung vor dem Kamener Amtsgericht auch.

Es geht um einen Vorfall am Vormittag des 22. September 2024. Klaus B. (Namen geändert) hatte eben getankt, dabei sein Portemonnaie auf der Zapfsäule abgelegt. Nach dem Tanken ließ er es versehentlich liegen. Er nutzte sein Handy zum Bezahlen, stieg wieder ins Auto und fuhr davon. Als nächster fuhr Marco K. an die Säule. Auch er tankte – und steckte das Portemonnaie seines Vorgängers ein. All das wurde von Kameras aufgezeichnet.

Als Konsequenz erhielt Marco K. einen Strafbefehl über 2.400 Euro. Er legte Einspruch ein. So kam es jetzt zu der Verhandlung. Und darin erklärte K.: Die Brieftasche – schwarz, mit farbigem Rand – sei so gut wie leer gewesen, nur mit ein paar Münzen drin und einem Notizzettel. Sie behalten zu haben, sei allenfalls eine Ordnungswidrigkeit. Klaus B. dagegen beteuerte als Zeuge: Sein Portemonnaie – ein braunes – habe zwei EC-Karten, eine Kreditkarte, Führerschein und Personalausweis enthalten. Alles nochmal neu zu beschaffen, habe ihn einen Tag Urlaub gekostet und rund 100 Euro. Die verschwundenen Karten und Papiere blieben verschwunden – auch, als es beim mutmaßlichen Mitnehmer Marco K. eine Hausdurchsuchung gab.

Klar immerhin ist: Marco K. hat ein fremdes Portemonnaie eingesackt – das gab er ja selbst zu. Der Richter verurteilte den nicht vorbestraften 48-Jährigen zu einer Geldstrafe auf Bewährung: 1.000 Euro muss K. zahlen, falls in den kommenden zwölf Monaten nochmal Ähnliches passiert. Daneben muss er 200 Euro Buße an die Landeskasse überweisen. Dem Brieftaschenbesitzer Klaus B. händigte er aus freien Stücken 100 Euro als Ersatz für dessen Wiederbeschaffungskosten aus.

 




Zu viel Geld vom Jobcenter: „Betrug“ wohl eher Versehen

von Andreas Milk
Einen glücklichen Eindruck machte der Bergkamener Mario B. (Name geändert) vor dem Strafrichter in Kamen nicht – eher wirkte er etwas deprimiert. Psychische Probleme sind der Hintergrund. Und so sei es wohl auch seinem Alltagsstress zuzuschreiben, dass er vor rund einem Jahr vergaß, dem Jobcenter die Aufnahme einer bezahlten Tätigkeit für ein Taxiunternehmen mitzuteilen, erklärte er. B. bekam seinerzeit zu Unrecht von der Behörde insgesamt rund 500 Euro über einen Zeitraum von ein paar Monaten. Folge war ein Strafbefehl über 600 Euro. B. legte Einspruch ein – was nun den Kamener Prozesstermin zur Folge hatte.

Dass kein bewusster Betrug vorlag, glaubte ihm der Richter sogar. Aber zwei Punkte machten den Fall dann doch etwas heikler. Erstens stellte B. damals beim Jobcenter noch einen Folgeantrag auf Leistungsbezug – was über das bloße Unterlassen einer an sich nötigen Mitteilung hinausgeht. Zweitens gibt es zwei Vorstrafen – nichts Wildes, aber leider auch keine Pluspunkte für B.

Auf Anraten des Richters nahm er den Einspruch zurück. Die Geldstrafe wird also rechtskräftig. Das Jobcenter kann zufrieden sein: Es hat das zu viel gezahlte Geld längst mit späteren Ansprüchen B.s verrechnet. Auch im Moment bestreitet er seinen Lebensunterhalt per Minijob und Bürgergeld. Die Geldstrafe könnte er im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft auch abarbeiten.




Bauchkrämpfe am Steuer, kein Führerschein – am Ende: Haft

von Andreas Milk
„Warum machen Sie so ’nen Scheiß?“ Das wollte der Kamener Strafrichter wissen von dem Angeklagten, der wegen Fahrens ohne Führerschein vor ihm saß. Auf der Berliner Straße war Erdal K. (Name geändert) am Mittag des 27. Juni 2024 erwischt worden: Ein Polizist erkannte im Vorbeifahren das Auto und erinnerte sich aus einer früheren Begegnung, dass der Mann am Steuer doch wohl gar keinen Führerschein besaß. Das Problem an jenem Sommertag: K.s Frau, die ursprünglich gefahren war, hatte während der Fahrt Krämpfe im Unterleib bekommen. Erdal K. übernahm das Steuer: Es galt, rasch die nahegelegene Kita zu erreichen – das Paar wollte seinen Sprössling abholen.

Klar: Die rund 400 Meter hätte Erdal K. auch zu Fuß geschafft; die Frau hätte erst mal im Wagen abwarten können. Aber er habe eben „einfach reagiert“, erinnert sich der 49-Jährige. Der ist eben schon früher mit diesem Delikt aufgefallen. Jedes Mal hatte er einen guten Grund für sein Tun. „Das waren alles keine Lust- oder Spaßfahrten“, betonte sein Verteidiger. Derzeit läuft schon eine Revision gegen eine Verurteilung zu vier Monaten Haft ohne Bewährung.

Jetzt kamen wieder vier Monate „ohne“ bei dem Verfahren raus. Erdal K. hat mittlerweile Hilfe in Anspruch genommen: Es gab Termine mit einer Verkehrstherapeutin. Das könnte ihm bei einer späteren Verhandlung in höherer Instanz nutzen. Und nutzen würde ihm vor allem endlich ein Führerschein. Er ist Intensivpfleger an einer Uniklinik in Baden-Württemberg. Da unten wohnt und arbeitet er wochenweise. Hin und her geht’s per Bahn – oder dank der Chauffeurdienste eines Familienmitglieds.

 




Tod einer 2-Jährigen: „Eine Tragödie“, sagt auch der Staatsanwalt

von Andreas Milk
Am frühen Abend des 19. März 2024 starb in Bergkamen die zweijährige Julia (Namen geändert) an schwersten Kopfverletzungen. Die Kleine hatte sich von der Hand ihrer Mutter losgerissen und war zur Grundstückseinfahrt von Nachbar Michail K. (52) gelaufen. Der setzte gerade mit einem Kastenwagen zurück. Julia stolperte an einer Kante, fiel, geriet unter ein Hinterrad. K. war heute, gut ein Jahr danach, vor dem Kamener Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.

„Es ist eine Tragödie“, bekannte der Staatsanwalt – auch, dass er „das Verfahren gehasst“ habe. Im Verhandlungssaal war eine überschaubare Runde zusammengekommen. Der Richter hatte darauf verzichtet, Julias Eltern als Zeugen zu laden; es war auch kein Auftritt eines Gutachters mehr nötig, um festzustellen: Ja, Michail K. mag „schuldig“ sein – aber nicht in einem Maße, das eine Verurteilung des unbescholtenen Mannes als Straftäter erfordern würde.

Er selbst ließ sich noch an jenem Märzabend in die Dortmunder Psychiatrie bringen. Seine ganze Familie sei „völlig aus der Bahn“ geworfen worden, erklärte K.s Anwalt. K. selbst wurde von Angehörigen zum Prozess begleitet. Das Reden überließ er weitgehend dem Verteidiger. Am Tag nach dem Unfall habe man „zusammen geweint“, erinnert er sich. Und Julias Vater habe zu ihm gesagt: Er gebe ihm keine Schuld.
K.s Kastenwagen – ein Dienstwagen, er gehörte seinem Arbeitgeber – war geschlossen, ohne direkte Sicht nach hinten. Es gab mehrere Spiegel sowie eine nachgerüstete Kamera fürs Rückwärtsfahren. Laut einem Dekra-Gutachten hätte Michail K. – vereinfacht gesagt – überall zugleich hinschauen müssen oder doch zumindest in einem bestimmten Augenblick in einen bestimmten Spiegel, um die kleine Julia zu sehen. Und laut Straßenverkehrsordnung hätte er sich notfalls beim Zurücksetzen in seine Einfahrt von jemandem einweisen lassen müssen. Bloß: Das Fahrmanöver am 19. März 2024 war halt Routine. Und das Verhältnis zur kleinen Julia und ihrer Familie war zwar gutnachbarschaftlich, aber auch nicht so, dass das Kind regelmäßig aufs Grundstück von Michail K. gekommen wäre, wenn der abends vom Job nach Hause kam.

Juristisch endet das Ganze mit einer Verfahrenseinstellung wegen geringer Schuld des Angeklagten – verbunden mit einer Geldbuße. 2.000 Euro muss Michail K. binnen fünf Monaten an die Kreisverkehrswacht Unna zahlen. Sobald das getan ist, kommt der Fall – juristisch – zu den Akten.

 




„Lost Place“ Grimberg 1/2: Trio mit Flex und Radio

von Andreas Milk
Ist es eigentlich möglich, jemanden so richtig zu bestehlen, ohne dass der Bestohlene eine Chance hat, das überhaupt mitzukriegen? Und womöglich ohne dass es ihn interessiert? Die Rede ist von der RAG. Tatort war am 19. April vorigen Jahres ihr altes Zechengelände Grimberg 1/2 an der Rathenaustraße, durchaus ein paar Fußballfelder groß. Drei Männer waren im Kamener Amtsgericht des gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall angeklagt. Am Ende blieb nicht viel davon übrig.

Das Trio soll an dem besagten Nachmittag in Bergkamen Kupferstücke zum Abtransport vorbereitet haben. Ein Anwohner rief die Polizei. Das tat er, wie er jetzt dem Gericht schilderte, wohl schätzungsweise schon zum 20. Mal. Denn das eingezäunte Gelände ist beliebt bei Angehörigen einer Szene, die sich zu „Lost Places“ – verlassenen, verlorenen Orten – hingezogen fühlt. Die Beamten rückten also an, vernahmen Flexgeräusche, stießen auf zwei Verdächtige. Die beiden erklärten, bloß zum Chillen da zu sein. Der dritte Mann lief den Polizisten etwas später auch noch über den Weg. Ein Polizist im Zeugenstand sprach jetzt von „Katakomben“, schwer zugänglichen Ecken, Musik, die aus einem Radio tönte, und einem Stromgenerator für Flex und Radio. Unrat habe herumgelegen – wohl auch von früheren Besuchern.

Letztlich bleibt nach dem Prozess offen, wer da genau was am 19. April 2024 auf dem Zechengelände angestellt oder eingesteckt hat. Die Verfahren gegen alle drei Angeklagten wurden eingestellt. Einer von ihnen „sitzt“ eh schon wegen einer anderen Tat. Ein anderer der drei angeklagten Männer allerdings bekam bei dem Termin jetzt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 10 Euro wegen fahrlässiger Körperverletzung: Er hatte im Streit mit einer Frau auf der Bergkamener Hochstraße seine Kontrahentin mit einem Messer am Bein erwischt – unbeabsichtigt, wie die Frau selbst bestätigte. Dass sie seinerzeit bei der Polizei von einem Angriff gesprochen hatte, begründete sie nun damit, sie sei „auf Drogen“ gewesen. Derzeit verbüßt sie eine Haftstrafe. Für den Gerichtstermin hatte sie Ausgang bekommen.




Anklage: Vom Mann misshandelt – Schweigen vor Gericht

von Andreas Milk
Mindestens zwei Mal soll der Bergkamener Adil B. (44, Name geändert) im vergangenen Jahr seine Frau misshandelt haben. Die Folgen: Schwellungen, Rötungen, ausgerissene Haare. Tagelang konnte sie vor Schmerz nichts essen: Adil B. soll sie am Kopf gepackt und ihr seine Finger in den Kiefer gerammt haben. Sie erstattete Anzeige bei der Polizei. Es erging ein Strafbefehl. B. legte Einspruch ein. Darum gab es jetzt einen Termin vorm Strafrichter in Kamen.

Dort wurde der Strafbefehl nun nochmal verlesen – formuliert als Anklage. Die körperlichen Attacken sowie eine Beleidigung sind darin detailliert beschrieben – und auch, dass die Taten im Beisein der beiden kleinen Kinder des Paars geschehen seien. Adil B. und seine Frau leben derzeit zwar getrennt. Es gebe aber wieder eine Annäherung, hatte B.s Anwalt zum Prozessauftakt erklärt.

Und damit zeichnete sich schon der Ausgang des Prozesses ab. Adil B. schwieg – sein Recht als Angeklagter. Seine Frau verweigerte ebenfalls die Aussage als Zeugin – ihr Recht als Ehefrau. Damit hatte das Gericht keinerlei verwertbare Beweismittel. B. wurde freigesprochen. Es blieb bei Appellen von Richter und Staatsanwalt an den Angeklagten, er möge sich künftig vorsehen. Die Kinder waren mitgekommen zum Gerichtstermin – zum Glück noch viel zu klein, um zu begreifen, was da vor sich ging. Eins von ihnen saß auf Papas Schoß: Vater und Sohn, gemeinsam auf der Anklagebank.




Drohung im Rathaus: „Lege Bürgermeister um!“

von Andreas Milk
Kamen. Am Nachmittag des 2. April 2024 ging Markus H. (54, Name geändert) ins Bergkamener Rathaus, erklärte einem Security-Mann, er wolle „mein Geld haben“, und kündigte an, den Bürgermeister umzulegen, wenn er es nicht bekäme. Drei Monate später tauchte H. in Unna bei der Übergangshilfe auf, einem Verein, der sich um Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen kümmert. Auch bei diesem Besuch ging es wohl um Geld. Er endete damit, dass H. am Auto der Geschäftsführerin Luft aus den Reifen ließ und mit einem Stein die Heckscheibe eines Dienstwagens demolierte. Schaden: 500 Euro.

Vor acht Wochen kam Markus H. in Untersuchungshaft, um die Hauptverhandlung vor Gericht sicher zu stellen. Und diese Verhandlung war nun an diesem Freitag. Die Tatvorwürfe waren schnell aufgeklärt: Der Security-Mann und die Frau von der Übergangshilfe machten ihre Aussagen. Erstaunlicherweise beschrieb der Security-Mann das Auftreten H.s im Bergkamener Rathaus als „höflich und ruhig“ – aber auch als „sehr ernst“. Sprich: Die Todesdrohung war scheinbar von der Art, die sich nicht einfach als durchgeknallt abtun lässt. Bürgermeister Bernd Schäfer wurde informiert, er solle seine Tür geschlossen halten. Die Polizei kam dazu. Dass von H. keine reale Bedrohung ausging, war rasch klar. Und die Mitarbeiter der Übergangshilfe in Unna wussten am 1. Juli ohnehin schon, mit wem sie es da zu tun hatten: mit einem Mann, „der sich häufig nicht in der Realität aufhält“. So jedenfalls beschrieb es ein Gutachter, den das Gericht jetzt zum Termin bestellt hatte.

Markus H. hat seit seiner Jugend psychische und Suchtprobleme. Es wurde eine Schizophrenie diagnostiziert; von seiner Familie lebt er isoliert, sprach in der Vergangenheit gelegentlich von Schäden, die er durch „biochemische Waffen“ erlitten habe. Es gibt etliche Vorstrafen. Die Bewährungsfrist aus der jüngsten Verurteilung endet im Dezember 2026.

Das neue Urteil für die Vorfälle im Bergkamener Rathaus und in Unna: acht Wochen Haft – die mit der U-Haft abgegolten sind. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte das so beantragt. Der Richter stimmte zu: eine „pfiffige Lösung“ sei das. H. ist also wieder ein freier Mann. Dabei habe ihm gerade die Haft wohl gut getan, sagte der Gutachter: Sie habe ihm Struktur geboten und Entscheidungen erspart. Künftig werden sich wieder ein Betreuer und ein Bewährungshelfer um Markus H. kümmern. Der wiederum muss übrigens noch den Schaden für die kaputte Autoscheibe begleichen.

 




„Schäme mich für früher“: Bewährung nach Serie schwerer Diebstähle

von Andreas Milk
Er schäme sich „für das, was ich früher war“, sagte der 41-jährige Adam T. (Name geändert) dem Strafrichter. Vor dem saß er für eine Reihe schwerer Diebstahlsdelikte, begangen unter anderem in Kellerräumen an der Hochstraße, in einem abgestellten Auto an der Werner Straße sowie einem Keller an der Straße Im Stollen. T. klaute Elektronikartikel, Sekt, Arbeitsschuhe, eine Brieftasche – was eben so herumlag. Die Erklärung: ein Rückfall in den Drogenkonsum und ein Berg Schulden.

Beim Gerichtstermin waren T.s Verteidiger und der Richter gleichermaßen erstaunt: T. erschien in sichtlich guter Verfassung, stand zu dem, was er da im Herbst 2023 angestellt hatte, und lobte die Therapie, die ihm inzwischen ermöglicht worden ist: „Sie hat mich clean gemacht, und das will ich bleiben.“ Das Schreiben einer Suchtklinik bescheinigt ihm seinen Erfolg und seine Hartnäckigkeit im Kampf gegen die Abhängigkeit. Seit Oktober wird er dort stationär betreut: Therapie statt Strafe. Vorher war er in der Schwerter JVA. Sein Vorstrafenregister reicht zurück bis ins Jahr 1999. Schwerpunkt: Eigentumsdelikte. Zuletzt hatte ein Gericht drei Jahre und zwei Monate Knast verhängt. Vom „Ausfluss eines schwierigen Lebens“ sprach der Verteidiger.

Jetzt hat Adam T. einen Job in Aussicht bei einem Bergkamener Unternehmen. Klappt das wider Erwarten nicht, bleibt als Alternative eine Firma für Leiharbeit. Das Gerichtsurteil soll ihn daran nicht hindern: 20 Monate Haft – ausgesetzt zur Bewährung. Für die geklauten Sachen muss er Ersatz leisten: rund 350 Euro. Als Auflage wurde ihm gegeben, an die stationäre Therapie eine ambulante Nachsorge zu hängen. T. nahm das Urteil an.