Prozess um ein Phantom-Gerüst: 65.000 Euro Schaden

von Andreas Milk
Der Bauingenieur Walter K. (Name geändert) hatte wohl gehofft, dass es irgendwie gut geht. Es ging aber schief. Folge war eine Anklage wegen Betrugs und wegen Diebstahls. K. hatte einem Mann aus Bayern für rund 65.000 Euro Teile eines Baugerüstes verkauft, von dem er selbst nicht sicher wusste, ob es existierte. Und er transportierte von einer Baustelle in Oberaden Teile für mutmaßlich mehr als 2.000 Euro ab. Das durfte er nicht – was er allerdings nicht gewusst haben will. Der Prozess gegen Walter K. im Kamener Amtsgericht machte deutlich, dass die Baubranche zu kämpfen hat – und dass Absprachen und das „Sich-untereinander-Kennen“ wohl noch eine Menge zählen.

Was den Verkauf des Baugerüstes für 65.000 Euro angeht: Nach der Beweisaufnahme scheint klar, dass Walter K. hier bloß als Vermittler auftrat. Er arrangierte den (Phantom-) Verkauf für eine Firma, die übrigens längst pleite ist. Als der Gerüstkäufer aus Bayern anreiste, spielte Walter K. ihm Theater vor – bis hin zur Behauptung, eine Besichtigung des Gerüsts komme leider gerade nicht in Frage, weil seine Schwiegermutter auf der Intensivstation liege und er sich kümmern müsse. Dass der Mann aus Bayern trotzdem später Geld überwies, lag letztlich an der Fürsprache und „Bürgschaft“ eines Dritten.

Was den Vorfall auf der Oberadener Baustelle betrifft: Walter K. sagte, er habe im Auftrag eines Mannes gehandelt, der ihn mit unterdrückter Nummer angerufen habe. 250 Euro kassierte er für den Transport so genannter Baustützen von Oberaden nach Dortmund, bar auf die Hand natürlich. Ende der Geschichte. Das klinge „sehr abenteuerlich“. Aber so sei es gewesen.

Das Verfahren zu den Baustützen wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Nummer mit dem Geistergerüst dagegen brachte Walter K. nun acht Monate Haft auf Bewährung. Es bleiben nur Geschädigte: K. hatte die 65.000 Euro ja nicht einmal selbst kassiert, und der Mann aus Bayern – für den Prozess 700 Kilometer weit angereist – hat das Geld bis heute nicht zurück. Der Schaden entspricht etwa einem Jahreseinkommen seines Familienbetriebs.




Ohne „Lappen“ abgerauscht – vom Parkplatz des Verkehrsamts

von Andreas Milk
Wer eben noch vergeblich im Straßenverkehrsamt vorgesprochen hat, um an einen Führerschein zu kommen, der sollte sich gleich danach vielleicht nicht unbedingt hinters Steuer eines Autos setzen und losfahren. Das klingt selbstverständlich. Allerdings hat der Kamener Amtsrichter jetzt einen jungen Mann verurteilt, der genau das getan hatte.

Dass er nun den Verhandlungstermin ignorierte, war dabei nicht weiter wichtig: So lange bestimmte Strafmaße nicht überschritten werden und der Sachverhalt klar ist, darf ein Richter einen Angeklagten auch verurteilen, wenn der gar nicht da ist. In diesem Fall lautete das Strafmaß: Drei Monate Gefängnis, ausgesetzt zur Bewährung, sowie 120 Stunden gemeinnützige Arbeit.

Gegen diesen Strafbefehl kann der Mann Einspruch einlegen. Tut er das, gibt es wieder einen Termin. Ob er dabei Chancen auf eine mildere Strafe oder gar einen Freispruch hätte, ist die Frage. Die Mitarbeiter des Straßenverkehrsamtes hatten seinerzeit mitbekommen, wie er zwar auf der Beifahrerseite des Wagens einstieg, dann aber hinter das Lenkrad rutschte. Ein Vorstrafenregister hat der Mann übrigens auch. Es beginnt mit einer Eintragung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.




Kfz-Meister betuppt: Bewährungsstrafe plus langgezogene Hammelbeine

von Andreas Milk

Im Juli 2017 gab Markus P. (Name geändert) bei einer Bergkamener Autowerkstatt eine Reparatur seines Zafira in Auftrag. Kostenpunkt: 1.400 Euro. P.s Kontostand zu der Zeit: 16 Euro – und zwar im Minus. Der Werkstattinhaber, ein selbstständiger Kfz-Meister, hat sein Geld bis heute nicht. Diese Woche sahen sich die beiden Männer vor dem Kamener Amtsrichter wieder: Markus P. war des Betrugs angeklagt.

„Ich bin davon ausgegangen, dass ich bezahlen kann“, sagte er. P. lebte von Hartz IV, hatte aber wohl einen Job in Aussicht. Dem Mann in der Werkstatt gegenüber gab er sich als bereits berufstätig aus. Von zwei möglichen Auspuff-Varianten wählte er ausdrücklich die teurere. Als er den Zafira wieder abholen wollte, erzählte er dem Kfz-Meister, gerade kein Geld bei sich zu haben – ob er den Wagen trotzdem schon haben könne? „Doof, wie ich bin, hab‘ ich den Wagen rausgegeben“, so der Betrogene vor Gericht.

Markus P. erklärte, die Sache tue ihm leid, und er wolle das Geld zurückzahlen. Die letzten vier Wochen hat er in Haft verbracht, weil er einen früheren Termin ignoriert hatte. Das sei hoffentlich ein Denkzettel gewesen, hofft der Richter. Er verhängte gegen den mehrfach vorbestraften Mann sechs Monate Haft auf Bewährung. Dazu kommt die Auflage, die 1.400 Euro auch wirklich abzustottern.

Weitere außergerichtliche Strafe: „Komm du mir nach Hause, dir zieh ich die Hammelbeine lang“ – Zitat von Markus P.s Lebensgefährtin, die den Prozess im Zuschauerraum verfolgt hatte.




Islam-Schmähung bei Facebook: 300 Geldbuße – zu zahlen an die Aktion Lichtblicke

von Andreas Milk

„Kranke Scheiße“, „der Islam sollte ausgerottet werden“: Für einen Facebook-Kommentar mit diesen Aussagen hat Jennifer M. (39, Name geändert) eine Anklage bekommen. Denn die Schmähung religiöser Bekenntnisse steht unter Strafe. Die Bergkamenerin musste sich vor dem Kamener Amtsgericht verantworten.

Es seien wohl „die Emotionen mit mir durchgegangen“, erklärte sie. Am 15. Februar, morgens gegen zwei Uhr, war Jennifer M. in dem sozialen Netzwerk auf ein Video gestoßen, das die Verheiratung älterer Männer mit kleinen Mädchen zum Thema hatte. „Man muss doch die Kinder schützen“, sagte sie nun vor Gericht.

Bei der Staatsanwaltschaft Köln befassen sich Juristen mit Fällen von Internet-Hetze in ganz NRW. So kam es, dass heute wohl zum ersten Mal eine Kollegin vom Rhein dort Platz nahm, wo sonst die Leute von der Staatsanwaltschaft Dortmund sitzen. Undifferenzierte Äußerungen wie die von Jennifer M. könnten zum (virtuellen) Flächenbrand führen, erklärte sie Kölner Strafverfolgerin. Das sei nicht zu akzeptieren.

Andererseits: Strafe genug war nach Überzeugung des Gerichts im Grunde schon eine Wohnungsdurchsuchung, die es bei Jennifer M. nach Bekanntwerden ihres Anti-Islam-Ausbruchs gab. „Das war ein Schock“, erinnerte sich die Angeklagte an die Polizeiaktion morgens um sechs. Handy und Laptop wurden damals sicher gestellt. Gefunden wurde darauf nichts Verdächtiges.

Als Buße für den Facebook-Kommentar muss Jennifer M. 300 Euro an die gemeinnützige Aktion Lichtblicke überweisen. Ist das erledigt, wird das Verfahren eingestellt. Vorbestraft ist die Bergkamenerin damit nicht. Ihren Facebook-Account hat sie gelöscht.




Pöbelei am Busbahnhof: Täterin mit trauriger Biografie

von Andreas Milk

Am Bergkamener Busbahnhof hat sie herumgepöbelt; im Kamener Polizeigewahrsam hat sie später Beamte beleidigt und Widerstand geleistet. Und trotzdem: „Es gibt andere Leute, vor denen man Angst haben muss“, so der Eindruck von Richter Christoph Hommel im Prozess vor dem Amtsgericht Kamen. Es gehe denn auch weniger ums Strafen, vielmehr ums Helfen.

Zu verantworten hatte sich Janine A. (Name geändert), 32, Mutter, Hartz-IV-Empfängerin, suchtkrank seit Jugendzeiten. Auf dem Busbahnhof neben Bergkamens Rathaus war sie am Nachmittag des 28. Juni 2017 ausgerastet: Sie beschimpfte und bespuckte Passanten. Eine Polizeistreife kassierte sie ein, wohl weniger, um Andere vor Janine A. zu schützen, eher zum Schutz der Frau vor sich selbst. Die hatte an dem Tag mehrere Flaschen Wein getrunken und fast 2,7 Promille Alkohol im Blut. Leicht hätte sie auf die Straße geraten und von einem Bus erfasst werden können. Den Polizisten – eine Beamtin, ein Beamter – verkündete sie im Suff, sie werde „die Bandidos informieren, damit ihr alle abgeknallt werdet“, heißt es im Protokoll von damals.

Heute saß Janine A. auf der Anklagebank und erklärte unter Tränen, sie wisse von nichts mehr – aber was passiert sei, tue ihr leid. Seit dem 14. Lebensjahr habe sie getrunken. Später wurde sie heroinabhängig. Inzwischen wird sie substituiert – das heißt: Bei einem Arzt bekommt sie täglich Methadon. Sie nimmt Medikamente, damit sie keine Stimmen hört. Immer wieder sei sie mit Menschen nicht klar gekommen, habe sich ausgenutzt gefühlt. Wie Aschenbrödel fühle sie sich oft. Ein Gutachter sagte: „Sie lässt sich lieber schlecht behandeln, als alleine zu sein.“ In ihrem Leben habe sie „das volle Programm“ gehabt, inklusive Prostitution und Obdachlosigkeit.

Das Positive: „Aktuell sieht es für sie so günstig aus wie nie“ – was unter anderem daran liegt, dass Janine A. sich mit der Frau von der Diakonie gut versteht und ihre Hilfe annimmt. Ambulantes betreutes Wohnen nennt sich das. Daneben geht Janine A. zu den Anonymen Alkoholikern. Die Diakonie-Mitarbeiterin sagt: Janine A. hat noch Arbeit vor sich. „Das wird ein paar Jahre brauchen.“

Einige Vorstrafen gibt es wegen Diebstahls und Erschleichens von Leistungen. Der Ausraster vom Busbahnhof im Zustand verminderter Schuldfähigkeit bleibt ungesühnt: Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft stellte der Richter das Verfahren ein. Helfen statt strafen: Janine A. soll weiter daran arbeiten, mit dem Leben klar zu kommen.




Zwei Monate Knast für Diebstahl bei Netto

von Andreas Milk

Auch Ladendiebstahl kann einen ins Gefängnis bringen. Der 27-jährige Bergkamener Marcel G. (Name geändert) hatte Ende März bei Netto zugelangt: Lebensmittel für 38 Euro und 76 Cent steckte er in seinen Rucksack und passierte die Kasse, ohne zu zahlen. „Ich weiß nicht, was mich da geritten hat“, erklärte er jetzt vor dem Kamener Strafrichter. Der verurteilte G. zu zwei Monaten Haft. Angesichts von G.s Vorgeschichte sei das noch „die unterste Grenze“.

Marcel G. hat in seinem Leben schon rund drei Jahre „gesessen“. Überwiegend waren das Jugendstrafen. Vor der Verhandlung in Kamen saß er seit Mitte September in einer JVA, denn er hatte einen ersten Termin ignoriert, sodass ein Haftbefehl erging. Ganz „nebenbei“ verbüßte er bei dieser Gelegenheit eine so genannte Ersatzfreiheitsstrafe: Er hatte eine Geldstrafe nicht bezahlt.

Die relativ kurze Zeit im Erwachsenenknast habe ihn beeindruckt, sagte G.: Er habe „keine Lust, da zu enden“. Als die Sache im Netto passierte, sei er in einem Tief gewesen – seine Partnerin sei mitsamt ihrer beiden gemeinsamen Kinder ausgezogen, und Geld habe er gerade nicht gehabt. Inzwischen habe er eine neue Freundin, die zu ihm halte. Tatsächlich saß die junge Frau im Zuschauerraum des Gerichts.

Die Haftstrafe für den Ladendiebstahl nahm G. mit Verständnis auf: „Ich hab‘ den Mist ja auch gebaut.“ Erfreulich für ihn: Er durfte das Amtsgericht als freier Mann verlassen. Denn noch sind die zwei Monate Haft nicht rechtskräftig. Es könnten weitere 15 Monate dazu kommen. Das nämlich ist das Strafmaß eines Bewährungsurteils, das vor einiger Zeit in einer anderen Sache über Marcel G. gesprochen wurde.




Auch ein 20-Tonner ist kein Krankenfahrstuhl: Geldstrafe

von Andreas Milk

Ein Auto ist ein Auto ist ein Auto – und wird nicht einfach so zum Krankenfahrstuhl: eine teure Erkenntnis für den Rentner Joachim B. (Name geändert) aus Bergkamen. Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hatte die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen ihn erwirkt. B. erhob Einspruch, der Fall kam vors Kamener Amtsgericht. Und dort machte der Richter B. schnell klar, dass er schlechte Chancen habe, mit seiner Geschichte vom Krankenfahrstuhl durchzukommen.

Ende März war B. mit dem Fahrzeug der Marke Fiat am Oberadener Römerberg in Richtung Aldi unterwegs. Polizisten hielten ihn an, wollten einen Führerschein sehen. Den brauche er nicht, erwiderte B., denn technisch sei der Fiat eigentlich nur ein Mofa und er selbst alt genug, dieses „Mofa“ führerscheinfrei zu steuern.

Von wegen. Zwar war der Fiat durch bauliche Veränderungen tatsächlich nicht in der Lage, schneller zu fahren als ein Mofa. Aber: Das ändere weder etwas an der Zahl der Sitze (4) noch am Gewicht (805 Kilogramm), und beides passe so gar nicht mit der Bezeichnung „Krankenfahrstuhl“ zusammen, erklärte der Richter. Da halfen Joachim B. auch seine mitgebrachten Gesetzestexte nicht weiter: Sie hatten mit seinem Fall schlicht nichts zu tun. Launig schlug ihm der Richter noch vor, sich doch einen 20-Tonner zuzulegen und auf Mofageschwindigkeit drosseln zu lassen: Ob er mit dem dann auch zum Einkaufen führe, das sei doch praktisch wegen der großen Ladefläche?

Schon drei Mal war Joachim B. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Schon deshalb hätte er es nach Überzeugung des Richters besser wissen können – und müssen. Den Einspruch gegen den Strafbefehl zog B. am Ende zurück. Er muss nun 1.800 Euro zahlen.




Frauen beleidigt, couragierten Zeugen verprügelt: Haft für 26-Jährigen

von Andreas Milk

„Sie sind anscheinend unbelehrbar“ – eine Bewährungschance wollte der Kamener Strafrichter dem 26-jährigen Tarik M. (Name geändert) deshalb nicht mehr geben. Der junge Mann war seit 2010 schon häufig angeklagt. Diesmal ging es um Fahren ohne Führerschein, um Unfallflucht nach einem Zusammenstoß und um ein paar Gramm Marihuana, die M. bei einer Kontrolle in Bergkamen auf der Lünener Straße bei sich hatte. M. war geständig: So, wie das da in den Anklagen stehe, stimme das.

Dass diese neuen Fälle sich nicht ganz so einfach abhaken ließen, hatte mit den alten zu tun. Am 19. Juni – zeitlich zwischen Unfallflucht und Marihuana-Fund – verurteilte das Amtsgericht Dortmund Tarik M. wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung zu vier Monaten Haft auf Bewährung. Mit einem Komplizen hatte er im Regionalexpress von Dortmund nach Kamen Mitte September 2017 zwei Frauen übel beschimpft. Als ein couragierter Zeuge sich einschaltete, verprügelten M. und der Mittäter ihn mit ihren Gürteln. Das Dortmunder Amtsgericht billigte M. die Aussetzung der Haftstrafe auf Bewährung zu, weil er ein Drogenproblem hatte, aber den festen Willen äußerte, künftig drogenfrei zu leben. Die „Pointe“: Acht Wochen später fand die Polizei bei der Kontrolle in Bergkamen das Marihuana.

Zwei Mal hat M. in seinem Leben schon „gesessen“. Geht es nach dem Kamener Richter, folgt bald die dritte Haft: Er bezog in sein Urteil das Dortmunder Bewährungsurteil ein und verhängte insgesamt 23 Monate Haft – ohne Bewährung. Es ist wahrscheinlich, dass M. dagegen vor dem Landgericht in Berufung geht. Und bei genau diesem Gericht liegt noch eine weitere Berufungssache auf Halde: Es geht um einen Vorfall bei der Xmas-Party in der Kamener Stadthalle. Tarik M. soll Frauen beleidigt und bespuckt haben. Das Kamener Amtsgericht verhängte dafür in erster Instanz vier Monate Haft ohne Bewährung.

M. will weiter eine Bewährungschance.




Jacken-Anbieterin im Internet „schnell reizbar“ – aber immerhin ohne Vorstrafe

von Andreas Milk

„Ich bin schnell reizbar“, bekannte die junge Frau aus Bergkamen vor dem Strafrichter des Kamener Amtsgerichts. Ohne diese Reizbarkeit wäre ihr kleines Internet-Geschäft im November vorigen Jahres womöglich auch nicht so gründlich schief gegangen, dass es zur Anklage wegen Betrugs kam.

Der Reihe nach. Jessica T. (Name geändert) bot damals über die Online-Flohmarkt-Plattform Shpock eine Jacke der Größe S samt Gürtel zum Kauf an. Es meldete sich eine Frau aus Österreich. Sie überwies rund 125 Euro. Jessica T. schickte die Jacke los. Aber die Österreicherin war damit alles andere als zufrieden: Tatsächlich hatte die Jacke die Größe XS, außerdem fehlte die Gürtelschnalle.

An diesem Punkt kommt die Sache mit der Reizbarkeit ins Spiel. Denn statt wenigstens die – wohl nach einem Waschgang liegen gebliebene – Schnalle nachzuliefern, ließ sich Jessica T. auf einen Streit mit der Österreicherin ein. Sie ärgerte sich über die üppigen Versandkosten. „Und irgendwann hatten Sie keinen Bock mehr“, fasste Richter Christoph Hommel das Ganze für die Angeklagte zusammen. Von der kam kein Widerspruch.

Vorläufiges Ende der Geschichte: Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit; die Landeskasse trägt die Kosten. Kostenlos für Jessica T. gab es noch den Rat, flott den Kaufpreis der Jacke zurückzuzahlen. Sonst könnte eine Zivilklage drohen.




Fußgänger contra Audi-Fahrer: Etwas blöd waren wohl beide

von Andreas Milk
An einem späten Abend im Januar hatten zwei junge Männer in Weddinghofen eine unangenehme Begegnung. Der eine war zu Fuß unterwegs, der andere in einem Audi TT. Um diese Begegnung gab es jetzt einen Prozess vor dem Kamener Amtsgericht. Angeklagt war der Audi-Fahrer: Laut Anklage soll er den Fußgänger, der vor ihm über einen Zebrastreifen gelaufen sei, beschimpft und gegen einen Zaun geschubst haben.

Nachdem bei einem ersten Verhandlungstermin einiges offen geblieben war, gab es jetzt die Fortsetzung. Als Zeugin geladen war die 17-jährige Freundin des Fußgängers. Ihr Freund habe sie an dem Abend zur Bushaltestelle begleitet; vorher hätten sie etwas zusammen getrunken – jeweils zwei, drei Krefelder, mehr nicht. Diese doch sehr konkrete Angabe – ohne dass jemand vorher so konkret gefragt hätte – ließ den Richter stutzig werden. Die 17-Jährige berichtete weiter: Ihr Bus sei gekommen, sie hätten sich voneinander verabschiedet, ihr Freund sei über den Zebrastreifen gegangen, plötzlich sei der Audi mit zu hohem Tempo heran gerauscht. Nur mit einem Sprung zur Seite habe ihr Freund einen Zusammenstoß vermieden.

Die angeblich zu hohe Geschwindigkeit des Autos, dazu noch eine Beteuerung, ihr Freund habe vorm Losgehen nach links und nach rechts geschaut, vorher die Erwähnung der Krefelder: Das schien (nicht nur) dem Verteidiger des Audi-Fahrers zu detailreich, um noch glaubwürdig zu sein. Letztlich gewann das Gericht – auch mit Hilfe anderer Zeugenaussagen – ein anderes Bild. Der Fußgänger war wohl ein gutes Stück hinter dem Zebrastreifen über die Straße marschiert, vielleicht auch eher gestolpert wegen der paar Krefelder. Und das machte den Mann im Audi sauer. So sauer, dass er sich daneben benahm.

Bisher war der Audi-Fahrer nicht unangenehm aufgefallen: keinerlei Vorbelastungen. Das Ganze „schreit nach Verfahrenseinstellung“, fand sein Anwalt. Diese Einstellung kam dann auch: „Ich habe den Eindruck, dass Sie ein ganz anständiger Kerl sind“, so der Richter. Es gibt aber eine Bedingung: Der Audi-Fahrer muss jeweils 300 Euro an den geschubsten Fußgänger und 300 Euro an die Landeskasse zahlen. Das bedeutet, dass der lädierte Fußgänger einen Teil seines Schadens selbst wird tragen müssen. Aber er trage eben auch eine Mitschuld am Geschehen.




Picheln bei Poco: Freispruch trotz zwei Promille

von Andreas Milk
Es ist wohl wirklich so gewesen: Am Mittag des 3. April saß der 30-jährige Martin E. (Name geändert) mit zwei Promille Blutalkohol hinterm Steuer seines Wagens. Trotzdem bekam er in seinem Prozess vor dem Amtsgericht Kamen einen Freispruch. Denn es ist zweifelhaft, ob E. mit diesen zwei Promille auch tatsächlich gefahren war.

Geschnappt hatte ihn die Polizei nach einem Zeugenhinweis auf dem Parkplatz von Poco in Rünthe. Als die Beamten ankamen, war da neben dem angeschickerten Martin E. und seinem Auto auch ein Abschleppwagen im Auftrag des ADAC. Vor Gericht erzählte E. die Vorgeschichte: An jenem Tag habe er erst bei Poco in Dortmund ein paar Sachen einkaufen wollen. Weil das Gewünschte dort nicht zu haben war, verwiesen ihn Mitarbeiter an die Filiale in Rünthe: Da gebe es E.s Wunschartikel noch. Auf dem Weg nach Rünthe erwischte ihn ein Reifenschaden. E. steuerte den Parkplatz an, verständigte die Pannenhilfe – und verkürzte sich die mehrstündige Wartezeit mit einigen Flaschen Bier.

So weit seine Version. Zu widerlegen war die nicht. Und dass E. auch mal auf die Straße gepinkelt und Passanten blöd angemacht haben soll, interessierte in dem Strafprozess nicht. Tatsächlich entdeckten die Polizisten seinerzeit in dem Wagen allerhand leere Bierflaschen. In seiner Vernehmung damals präsentierte E. den Beamten gleich mehrere Versionen, wie sich sein Tag abgespielt habe. Sein Verteidiger, ein bodenständiger Rechtsanwalt, erklärte freimütig, er selbst rede sogar schon mal Mist, wenn er weniger als zwei Promille intus habe.

E. hat bisher weder Vorstrafen noch Einträge in Flensburg. Und dabei bleibt es fürs erste. Es galt das Prinzip: Im Zweifel für den Angeklagten.