Unser Vorschlag: Ein Ikea-Dezernat bei der Staatsanwaltschaft

von Andreas Milk
Ob die Staatsanwaltschaft Dortmund wohl bald über ein eigenes Ikea-Dezernat nachdenkt? Möglich wär’s. Wieder mal geht es in einem Prozess vor dem Kamener Amtsgericht um den „Tatort Selbstscanner-Kasse“ im Möbelhaus am Kamen Karree. Zwei Frauen aus Bielefeld und Bönen sind angeklagt. Der Vorwurf: Im Februar 2017 sollen sie vier Teppiche im Gesamtwert von 456 Euro zum Schnäppchenpreis von 7,96 Euro erstanden haben – einfach, indem sie die Barcodes austauschten. Die Kasse zeigte beim Einscannen jeweils 1,99 Euro an.

Kleine Rückblende: Im April 2017 wurde ein junges Paar in Kamen wegen frisierter Ikea-Barcodes verurteilt; im September 2016 stand ein junger Mann vor Gericht, der seine Ware nur teilweise eingescannt hatte. Und dazwischen – Anfang 2017 – sollte die damalige Möbelhaus-Chefin Dinah Rudack als Zeugin gegen einen (Ex-) Mitarbeiter aussagen. Auch der, so die Anklage damals, habe zum eigenen Vorteil an Preisschildern rumgefummelt. Rudack konnte ohne Aussage wieder gehen – der Angeklagte hatte sich ins Ausland abgesetzt.

Nun also die beiden Frauen mit den vier Teppichen. Beim Termin am Freitag bestritten sie jede Diebstahlsabsicht. Vielmehr habe die Kasse Kapriolen gemacht und die Geldkarte wieder ausgespuckt. Irgendwas sei da wohl schief gegangen – sie selbst hätten sich aber nichts vorzuwerfen.

Amtsrichter Martin Klopsch hatte keine Ikea-Mitarbeiter als Zeugen geladen. Denn er habe mit Geständnissen gerechnet, erklärte er. Weil es die nicht gab, wird der Fall Ende April noch einmal verhandelt. Ein Video aus der Überwachungskamera soll dann gezeigt werden. Außerdem will Klopsch – wie schon in dem Prozess vor einem Jahr – Dinah Rudack vorladen. Inzwischen ist sie nicht mehr Chefin von Ikea in Kamen; sie wechselte vor kurzem nach Rotterdam.




Rasierer, Pflegeset, Dose Bier – fünf Monate Haft für einen Ladendieb

von Andreas Milk
Ein Rasierer, ein Gesichtspflegeset, ein Dosenbier – macht zusammen: 76 Euro. Oder fünf Monate Haft. Lidl hat sich so gar nicht gelohnt für den 37-jährigen Thomas H. (Name geändert). Für den Diebstahl am 26. August 2017 in der Oberadener Filiale an der Jahnstraße schickte ihn das Kamener Amtsgericht heute ins Gefängnis. Da ist er sowieso schon: Wegen früherer Taten muss H. in Hamm bereits zwölf Monate verbüßen.

Ein notorischer, seit 1996 gerichtsbekannter Dieb – und ein recht sympathischer, gab Richter Martin Klopsch zu. Denn Thomas H. ist keiner von denen, die Taten abstreiten. Im Gegenteil: Er hat sogar bei einem Prozess Dinge zugegeben, von denen die Staatsanwaltschaft noch gar nichts wusste. Auch da ging es eigentlich bloß um Diebstahl. In der Verhandlung erzählte H. dann freimütig, er sei mit einem Fahrzeug unterwegs gewesen, für das er erstens keinen Führerschein hatte, zweitens keine Zulassung. Vor Gericht gilt zwar, dass niemand sich selbst zu belasten braucht, schon gar nicht als Angeklagter. Aber es wird eben auch niemand daran gehindert.

Zurück zum Lidl-Fall: H. hatte seine Beute im Rucksack; an der Kasse legte er nur eine Packung Nudeln und ein zweites Dosenbier aufs Band. Die Kassiererin wurde stutzig, sprach ihn an. Prompt gab er – wie gewohnt – alles zu.

Und obwohl dieser „Kunde“ so pflegeleicht ist, meinte Richter Klopsch dann doch: „Ich würd‘ mich freuen, wenn ich Sie jetzt mal ein paar Jahre nicht wiedersehe.“




Drogen an einen V-Mann verkauft: Bewährungsstrafe für einen Bergkamener

von Andreas Milk

Mit markigen Worten berichtete der 33-jährige Bergkamener Martin H. (Name geändert) von seiner Drogensucht. Er und ein Freund hätten sich „gegenseitig die Ohren vollgeheult“, dass alles so mies sei – aber sie seien „nicht aus dem Arsch gekommen“, etwas zu ändern. Ein V-Mann-Einsatz der Kripo brachte H. schließlich eine Anklage wegen des Besitzes und Handelns mit Betäubungsmitteln ein.

Die Vorgeschichte: Im März 2016 ging H. in die Wohnung des Freundes und überließ ihm Amphetamin, das dieser Freund für 100 Euro an einen Dritten verkaufen wollte. Dieser Dritte – das war der V-Mann. Ein halbes Jahr später durchsuchten Beamte H.s Wohnung und stellten Marihuana, LSD-Plättchen, Amphetamin, zerstoßene Ecstasy-Pillen und einiges mehr sicher. Martin H. sei eher nebensächlich gewesen, sagte heute ein Drogenfahnder im Kamener Amtsgericht. Die Ermittlungen hätten sich vor allem gegen andere Mitglieder des Milieus gerichtet.

Martin H. bestritt, Handel mit dem Stoff getrieben zu haben: „Ich hab‘ viel zu viel Spaß dran gehabt, mir das selber reinzuhauen.“ Hätte er das Zeug verkauft, „hätte ich weniger finanzielle Sorgen gehabt“. Eine Aussage, die ihm Staatsanwältin und Richter allerdings so nicht abnahmen. Denn als H. seinerzeit in die Wohnung des Freundes ging, habe er gewusst, dass der den Stoff für einen Anderen – eben einen Kunden – haben wollte. Handel habe also sehr wohl eine Rolle gespielt, selbst wenn H. damals nicht sofort eine Zahlung oder sonstige Gegenleistung von seinem Freund erhielt.

Elf Monate Haft, ausgesetzt auf Bewährung – so lautete das Urteil. Dazu kommt eine Geldauflage von 1200 Euro. Der schon vorbestrafte H. will ein neues Leben anfangen: Laut seiner Verteidigerin, die ihn engagiert und „pro bono“ vertrat, war es 2016 für ihren Mandanten „eine andere Zeit“. Seitdem habe er U-Haft und eine Langzeittherapie hinter sich gebracht. Ab kommender Woche hat er einen Job.




Erste Straftat mit 78: Fahrerflucht vorm Rewe

von Andreas Milk

Hausfrau, verwitwet, 78 Jahre alt – einmal kurz nicht aufgepasst, falsche Entscheidung getroffen, heute vor Gericht: Die Kamenerin Elfriede S. (Name geändert) streifte auf dem Parkplatz vorm Rewe-Markt „Am Roggenkamp“ in Bergkamen mit ihrem silbernen Mercedes einen abgestellten Audi. Schaden: rund 2.000 Euro. Elfriede S. fuhr weg. Weil ein Zeuge das Kennzeichen aufschrieb und die Polizei informierte, kam es zur Anklage gegen die Frau.

Sie habe den Zusammenstoß mit dem Audi nicht mitbekommen, erklärte sie im Gerichtssaal. Angesichts des Schadens – zu sehen waren nur einige Kratzer – wäre diese Aussage sogar glaubhaft. Wenn da bloß nicht der Zeuge gewesen wäre. Der war an jenem 29. April 2017, nachmittags gegen 15.30 Uhr, bei Rewe als Promoter im Einsatz und beobachtete, dass zwei Frauen aus dem Mercedes stiegen: Elfriede S. und eine deutlich jüngere, wohl ihre Enkelin. Die Jüngere habe die Ältere beschimpft: Ob sie denn keine Augen im Kopf habe? Schließlich seien sie wieder eingestiegen und verschwunden.
Wortreich versuchte Elfriede S.‘ Verteidigerin zu erklären, ihre Mandantin wolle ihr Fehlverhalten vielleicht selbst nicht wahrhaben, räume aber ein, dass da etwas gewesen sein könnte. Bisher sei sie ein unbeschriebenes Blatt – und ihr eigener Wagen bei dem Vorfall so gut wie unbeschädigt geblieben. Amtsrichter Martin Klopsch verließ sich letztlich auf den Zeugen: Der müsste gelogen haben, falls denn die „Nichts mitgekriegt“-Version von Elfriede S. stimmen sollte – aber dafür gebe es keinerlei Anhaltspunkt.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 50 Euro. Sie hätte niedriger liegen können, wenn Elfriede S. die Fahrerflucht schlicht zugegeben hätte, sagte Klopsch: Die Aussage des Zeugen sei zu erwarten gewesen, denn er hatte bei der Polizei schon exakt das Gleiche ausgesagt, und so stand es seitdem in den Akten. Dass der Mann das Geschehen auf dem Parkplatz nicht einfach ignoriert habe, sei ihm hoch anzurechnen: Viele kümmerten sich nicht um so was.




Schlichten statt Richten! Stadt sucht eine neue Schiedsperson für Bergkamen-Mitte

Die Schiedsperson für den Bezirk Bergkamen-Mitte Otto Popeck ist nach über 15 Jahren Tätigkeit aus Altersgründen ausgeschieden.

Aus diesem Grund sucht die Stadt Bergkamen einen Nachfolger/eine Nachfolgerin für die Aufgabe der Schiedsperson für den Bezirk Bergkamen-Mitte. Das Schiedsamt ist ein Ehrenamt. Die Schiedsperson wird vom Rat der Stadt für die Dauer von fünf Jahren gewählt und vom Amtsgericht Kamen bestellt.

Die gesuchte Person muss zwingend in der östlichen Hälfte des Stadtteils Mitte wohnen, mindestens 30 Jahre alt sein und sollte das 70. Lebensjahr noch nicht überschritten haben.

Der Bezirk grenzt im Norden an den Stadtteil Rünthe, im Osten an die Werner Straße, im Süden an die Stadtgrenze zu Kamen und wird im Westen begrenzt durch den Verlauf Justus-Liebig-Straße, Hegelstraße, Fichtestraße, Wilhelmstraße, Heinrichstraße und Augustweg. Schiedspersonen sind bewusst so ausgewählt, dass sie aus der Nachbarschaft kommen und sich schon deshalb meist gut mit den Streitpunkten auskennen.

Die außergerichtliche Streitschlichtung stellt die wesentliche Aufgabe der Schiedspersonen dar. Spezielle Vorkenntnisse sind allerdings nicht erforderlich. Die künftige Schiedsperson wird durch ein Seminar auf das Amt vorbereitet und kann sich bei Rechtsfragen Unterstützung bei dem Rechtsamt der Stadt holen. Schiedspersonen sollten über Lebenserfahrung und viel gesundem Menschenverstand verfügen. Sie sollten die Fähigkeit zum Zuhören und zur Unparteilichkeit mitbringen, ebenso wie das Bestreben, nachbarschaftliche Problemfälle sowie Privatklagedelikte, wie z. B. Hausfriedensbruch, Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, einvernehmlich beizulegen. Ziel der Streitschlichtung ist es, gemeinsam mit den zerstrittenen Parteien eine tragfähige und für beide Parteien akzeptable Lösung zu finden.

Wenn Sie sich vorstellen können, dieses Ehrenamt auszuüben, dann bewerben Sie sich mit einem kurzen Anschreiben sowie Ihrem Lebenslauf beim Rechtsamt der Stadt Bergkamen, Rathausplatz 1, 59192 Bergkamen. Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund sind ausdrücklich erwünscht.

Sollten Sie hierzu noch Fragen haben, steht Ihnen das Rechtsamt der Stadt Bergkamen unter der Telefonnummer 0 23 07/9 65–2 42 gerne für weitere Auskünfte zur Verfügung.

Falls Sie den Wunsch haben, im Vorfeld mit einer bereits tätigen Schiedsperson über ihre Erfahrungen zu sprechen, ist das Rechtsamt auch gerne bereit, den Kontakt herzustellen.

Weitere Informationen zu diesem verantwortungsvollen und interessanten Ehrenamt finden Sie auf der Internetseite des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen unter www.schiedsamt.de oder auf der Internetseite der Stadt Bergkamen, unter „Rat, Verwaltung, Stadtinformationen“ – Stichwort „Schiedspersonen“.




Auf dem Heimweg vom Schützenfest: Prügelei unter Frauen beschäftigt das Amtsgericht

von Andreas Milk

„Am besten wär‘ ein Eimer Wasser gewesen“, sagte die Zeugin. Das Kamener Amtsgericht hatte es mit einer Keilerei zwischen zwei Frauen zu tun, geschehen am frühen Morgen des 4. Juni 2017. Die Beteiligten waren auf dem Heimweg vom Schützenfest. Fest steht: Die 22-jährige Jaqueline E. (Namen geändert) und die 29-jährige Meike M. gerieten aneinander. So sehr, dass ihre Freunde Mühe hatten, sie zu trennen. Ein Eimer Wasser hätte da vielleicht wirklich gute Dienste getan – aber woher nehmen, an einem Sonntag gegen 3.20 Uhr auf der Overberger Landwehrstraße?

Wegen Körperverletzung saß nun die Jüngere und deutlich weniger Verletzte, Jaqueline E., auf der Anklagebank. Ihre Version: Sie habe sich gerade mit ihrem Freund gestritten, da sei Meike M. an ihr vorbei gegangen und habe sie als Schlampe bezeichnet. „Ich habe zurückbeleidigt“ – und die Sache eskalierte, mit Schlägen, Tritten, gegenseitigem An-den-Haaren-Ziehen. Treibende Kraft sei ganz klar Meike M. gewesen: Die habe sie umgeschubst und sich auf sie gesetzt – „ich hatte Panik“. Und was sagt die angebliche Aggressorin? Etwas ganz Anderes. Nämlich, dass Jaqueline E. pampig geworden sei, als sie mitkriegte, dass Meike M. im Vorbeigehen über sie sprach. Das Gerede sei aber harmlos gewesen: Es ging bloß darum, dass Meike M. wohl Jaqueline E. mit einer früheren Kollegin verwechselt hatte.
Zeugen – darunter E.s Freund – lieferten Widersprüchliches. In einem Punkt immerhin herrschte Einigkeit: Alkoholisiert waren in jener Nacht alle; die Teilnahme am Schützenfest hatte sich offenbar gelohnt.

Strafrechtliches Ende der Geschichte: eine Einstellung des Verfahrens gegen Jaqueline E.. Die Kosten trägt die Landeskasse. Es bleibt offen, wer wen zuerst angepöbelt und/oder angegriffen hat. Eine Drohne wäre zur Aufklärung hilfreich gewesen, sagte Richter Martin Klopsch. Der konnte noch nicht einmal den Mann befragen, der seinerzeit die Polizei geholt hatte: Den Gerichtstermin ließ er verstreichen, jetzt muss er 100 Euro Ordnungsgeld zahlen. Zur Tatzeit hatte er seinen Hund an der Landwehrstraße Gassi geführt. (Wie gesagt: Es war morgens gegen halb vier.)
Zivilrechtlich geht es übrigens weiter: Die Frauen haben sich wechselseitig verklagt.




Amtsrichter überzeugt vom Diebstahl eines Staubsaugerrohrs im Baumarkt: 750 Euro Geldstrafe

von Andreas Milk
Bergkamen. Wenn von einem Mann mit einem Rohr in der Hose die Rede ist, lassen sich allerhand blöde Scherze dazu machen – aber bleiben wir sachlich. Wegen eines Diebstahls im Globus-Baumarkt an der Geschwister-Scholl-Straße ist der 57-jährige Peter F. (Name geändert) zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dabei ging es eben um ein Staubsaugerrohr. Und um dessen zeitweilige Unterbringung in F.s Hose.

Laut Anklage hatte F. das Rohr – ein etwa 30 bis 40 Zentimeter langes Zwischenstück – bei Globus schlicht geklaut. Laut F. war alles ganz anders. Den kompletten Sauger – genauer: ein Nasssaugegerät – habe er einige Tage vor dem angeblichen Diebstahl bei Globus gekauft. Weil es Probleme damit gab, habe er sich das Rohrstück geschnappt, hinten in den Hosenbund geklemmt, sei damit zum Baumarkt geradelt und hineingegangen. Den Kaufbeleg über das mitgebrachte Rohr habe er vergessen – mit der Folge, dass es beim Verlassen des Baumarktes zu Scherereien mit dem Ladendetektiv kam. Und letztlich zur Strafanzeige.

F.s Erklärung ist für sich genommen schlüssig – bloß gab es da noch einige Merkwürdigkeiten. Videoaufnahmen zeigen Peter F. beim Betreten des Baumarktes – ohne, dass ein Rohr zu sehen wäre. Beim Verlassen des Geländes wiederum schob er das Rohr unter einem Zaun hindurch – wäre er rechtmäßiger Eigentümer gewesen, hätte das kaum einen Sinn ergeben. Und schließlich: Es fehlte das Rohr an einem Ausstellungssauger im Baumarkt – es wäre ein verrückter Zufall, wenn ausgerechnet am Tag von Peter F.s Baumarktbesuch jemand anders dieses Rohr heimlich eingesteckt hätte.

Er sei „überzeugt“, dass F. das Rohr gestohlen habe, sagte der Kamener Amtsrichter Martin Klopsch. Entsprechend das Urteil: 25 Tagessätze à 30 Euro. Strafverschärfend kommt hinzu, dass Peter F. – laut eigenen Angaben – seit Mai 2017 den Sauger bei sich zuhause rumstehen hat. Unbenutzt – weil das verdammte Rohrstück fehlt.




Ohne gültigen Führerschein erwischt – Gericht: „Bei neuen Dummheiten geht’s in den Bau“

von Andreas Milk

„Bei neuen Dummheiten geht’s in den Bau“ – klare Ansage des Amtsrichters Christoph Hommel an den Angeklagten. Das Urteil für heute: Fünf Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Der 42-jährige Murat F. (Name geändert) war am späten Abend des 3. Oktober in einem Peugeot auf der Bergkamener Ebertstraße von Polizisten gestoppt worden. Einen Führerschein besaß er zwar – aber irgendwie auch wieder nicht. Es war ein türkischer. Und der galt nicht, weil F. sich an jenem Tag schon länger als sechs Monate in Deutschland aufgehalten hatte.

Ein Versehen, könnte man meinen. Und F. selbst erklärte denn auch beim Prozess im Kamener Amtsgericht, er habe angenommen, alles sei okay gewesen. Bloß: Derselbe Richter hatte ihn schon 2009, 2011 und 2015 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt, jeweils zu einer Geldstrafe. Die Behauptung, ahnungslos gewesen zu sein, zog da nicht mehr.

„Sie sind dreist“, fand Richter Hommel. Er riet Murat F., sich um einen Führerschein zu kümmern, der ihn auch tatsächlich zum Fahren in Deutschland berechtigt. Das erfordert allerdings Geduld: Neben der Bewährungsstrafe wurde eine zweijährige Sperre verhängt. Wenigstens eine Geld- oder Arbeitsauflage bleibt Murat F. aber erspart.




Familie im Eimer – Verfahren eingestellt

von Andreas Milk

Wenige Tage vor Weihnachten fiel dieser Satz im Saal des Kamener Amtsgerichts: „Ich bin wie ein Waisenkind, obwohl ich noch Vater und Mutter habe.“ Der 48-jährige Bergkamener Holger H. (Name geändert) war wegen Betrugs angeklagt. Den Vorwurf wies er zurück: Er sei ausgenutzt worden, unter anderem von Familienmitgliedern, zu denen er heute keinen Kontakt mehr habe.

Konkret ging es um einen Internetanschluss von Unitymedia. Den gab H. laut Anklage im Mai 2014 in Auftrag – und zwar im Namen und für die Adresse seines Vaters. Die Staatsanwaltschaft ging bisher davon aus, dass Holger H. zu der Zeit selbst im Haus seines Vaters wohnte und den Anschluss nutzte. In der Verhandlung erklärte er jetzt aber, das sei gar nicht so gewesen. „Ich bin unschuldig.“ Möglich sei, dass sein Bruder etwas mit dem Auftrag an Unitymedia zu tun habe. Wörtlich: „Wir sind alle verkriegt.“

Was tatsächlich los war mit Holger H., dem Vater und der Restfamilie, wissen weiter nur die Beteiligten selbst. H. betonte, das väterliche Anwesen nur gelegentlich und kurz betreten zu haben, für Gartenpflege und Hundesitting – von einem Internetanschluss auf Vaters Rechnung hätte er also gar nichts gehabt. Das Haus ist mittlerweile verkauft. Der Erlös soll zum Teil in die Pflege von H.s kranker Mutter geflossen sein, zum Teil an den Vater.

Richter Martin Klopsch stellte das Verfahren ein. Denn es wäre zur Klärung der Ereignisse im Frühjahr 2014 ein enormer Ermittlungsaufwand nötig gewesen, etwa das Befragen von Nachbarn oder das Einsehen von Verbrauchsabrechnungen für Holger H.s eigene Wohnung. Das stünde in keinem vernünftigen Verhältnis zum entstandenen Schaden.

Den gab die Anklage mit knapp 800 Euro an: Unitymedia hatte unter anderem Hardware für den Anschluss geliefert. Richter Klopsch sieht bei der Firma eine Mitschuld: Zu dem angeblichen Vertrag mit Holger H.s Vater gebe es bei ihr „nichts Schriftliches“, keine Unterschrift oder Ähnliches – nur die Notiz über einen telefonisch erteilten Auftrag.
Die Kosten für das Gerichtsverfahren trägt die Landeskasse.

 




Erstes Date nach Flirt im Internet total missglückt: Wiedersehen vorm Richter

von Andreas Milk

Es hatte nicht funktioniert zwischen der 26-jährigen Serap A. (Namen geändert) aus Duisburg und dem 40-jährigen Murat B. aus Bergkamen. Nach dem Kennenlernen übers Internet gab es zwei, drei Treffen – und am Ende eine Strafanzeige der jungen Frau gegen Murat B.. Verhandelt wurde darüber vor dem Kamener Amtsrichter.

Der hatte – wie auch die übrigen Prozessbeteiligten – arge Probleme, aus Serap A. etwas Brauchbares herauszubekommen. Vor dem Termin hatte sie einen Brief geschrieben mit der Bitte, das Verfahren zu stoppen. Zwecklos. Als Zeugin im Verhandlungssaal sagte Serap A. zunächst, sie könne sich an nichts erinnern. Erst die Androhung von Ordnungsgeld und Beugehaft brachte sie zum Reden.

Es ging um Vorfälle am 5. Mai. Murat B. hatte Serap A. in Duisburg abgeholt und war mit ihr in seine Wohnung gefahren. Da fing ein Streit an. Laut Strafanzeige packte B. die Frau an den Haaren, schlug ihr gegen Arme und Brust, verfrachtete sie gegen ihren Willen in sein Auto, drohte, sie werde sterben, wenn sie zur Polizei gehe. Angeblicher Auslöser für den Zoff: Serap A. soll während des Dates übers Handy Kontakt zu anderen Männern gesucht haben.

Der angeklagte Murat B. beschrieb den verkorksten Maiabend nüchtern und ohne Groll: Serap A. sei aufgewühlt gewesen, habe von ihm weglaufen wollen, bloß wäre sie dann wohl in ein Feld gerannt, weil er sehr abgelegen wohne. Drum habe er sie ins Auto gezwungen, um sie nach Hause zu bringen. Während der Fahrt habe sie aussteigen wollen. Und deshalb habe er wohl etwas gesagt in Richtung „Wenn du das tust, kann es Tote geben“ – eine schlüssige Erklärung für die vermeintliche Todesdrohung.
Serap A. schien im Gericht – vorsichtig ausgedrückt – ziemlich durcheinander. Seit Mai sei „einiges passiert in meinem Leben“, sie lebe „in den Tag hinein“, leide unter Depressionen. Als Tatort hatte sie nicht Bergkamen, sondern Dortmund in Erinnerung. Und nein – die erlittenen Verletzungen seien nicht erheblich gewesen. Sie habe aber von Murat B. nicht mehr angefasst werden wollen, nachdem der Streit eskaliert sei.

Das Ergebnis: eine Einstellung des Verfahrens gegen den Bergkamener. Das, was sich zwischen ihm und der Duisburgerin abgespielt hat, bleibt juristisch folgenlos – abgesehen von einem Gerichtsverfahren, das übrigens auch eine Aufwandsentschädigung für die Zeugin Serap A. einschließt.




Sieg-Heil-Ruf vor dem Amtsgericht: „Voll dumm von mir“ – 1000 Euro Geldstrafe

von Andreas Milk

Nicht nur, dass die Bergkamener Polizei in der Nacht zum 25. Juli mit Fällen von Brandstiftung an Fahrzeugen zu tun hatte. Nein – während der Ermittlungen an der Fritz-Husemann-Straße fiel den Beamten auch noch der 35-jährige Peter E. (Name geändert) auf. Mehrfach rief er „Sieg Heil!“, gerichtet wohl an eine Gruppe von Leuten, in der sich ein Mann arabischer Herkunft aufhielt.
Die Staatsanwaltschaft klagte E. wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen an“ – heute saß er im Kamener Amtsgericht. „Voll dumm von mir“ sei die Brüllerei gewesen. Ein Nazi sei er nicht. Die Sache tue ihm leid.

Für die Justiz ist Peter E. Stammkunde. Er verbüßte vor rund 15 Jahren eine Jugendstrafe wegen versuchten Totschlags; später saß er wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz in Haft. Er stand und steht unter Führungsaufsicht. Sein Bewährungshelfer wusste durchaus auch Positives zu berichten: E. besuche inzwischen die Abendschule, um den Realschulabschluss zu machen, die jüngsten Alkohol- und Drogentests hätten nichts Auffälliges ergeben, und mit der rechten Szene habe er tatsächlich nichts zu schaffen. E. ist verheiratet, hat drei Kinder, ist Hartz-IV-Bezieher.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 10 Euro. Wenn E. es will, kann die Staatsanwaltschaft diese Strafe in gemeinnützige Arbeit umwandeln. Das hätte laut Bewährungshelfer den Vorteil, dass etwas Struktur in seinen Alltag käme.

Hinten im Zuschauerraum saß während der Verhandlung E.s Frau. Beim Rausgehen sagte der Richter zu ihr: „Passen Sie auf ihn auf!“ – Antwort: „Ich geb‘ mir Mühe.“