Lastschriften des Telefonanbieters gingen ins Leere: DSL-Kunde war nie flüssig – Anklage

von Andreas Milk
Im Sommer vorigen Jahres wollte die Firma Telefonica (O2) rund 50 Euro vom Konto ihres Bergkamener DSL-Neukunden Paul B. (Name geändert) abbuchen. Aber sie hatte keine Chance. Kaum war ein größerer Betrag auf dem Konto gutgeschrieben worden, räumte B. das Guthaben bis auf ein, zwei Euro ab. Die Lastschriften der Telefonfirma platzten. Folge war eine Anzeige wegen Betrugs.

Beim Termin im Kamener Amtsgericht verteidigte sich Paul B. wortreich. Es gab nie eine Betrugsabsicht, versicherte er – wohl aber Probleme mit seiner Exfrau. Die habe von jetzt auf gleich die gemeinsamen Kinder bei ihm gelassen. Für deren Ernährung habe er das Geld gebraucht. Seine Ex habe er aufgefordert, im Gegenzug wenigstens die Telefonrechnung zu übernehmen. Sie habe sich aber nicht drum gekümmert.
Paul B. lebt inzwischen mit einer anderen Frau zusammen. Sie ist schwanger. Er sagt: „Ich möchte ein glückliches, ordentliches Leben mit meiner Familie führen“ – unbelastet von der Verflossenen, die ihm so viel Stress bereitet habe. „Es wäre falsch, mich zu verurteilen.“

Aber der Richter tat es: Hartz-IV-Empfänger B. muss eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 10 Euro zahlen. Dazu kommt: B. ist wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft – er hat den Teil einer Haftstrafe verbüßt, der Rest wurde zur Bewährung ausgesetzt. B. muss damit rechnen, dass die Bewährung widerrufen und die Reststrafe „fällig“ wird.




Verlorener Führerschein plötzlich wieder da – und die Polizei auch

von Andreas Milk
Kemal M. (Name geändert) und der Führerschein – das ist eine komplizierte Geschichte. Der 24-Jährige aus Bergkamen stand wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor dem Kamener Amtsrichter. Weiterer Anklagepunkt: Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Denn im Februar 2018 hätte M. seinen Führerschein wegen eines Verkehrsdelikts für sechs Monate abgeben müssen – tat es aber nicht, sondern erklärte gegenüber dem Kreis Unna, den „Lappen“ verloren zu haben. Dreizehn Monate danach erwischte ihn die Polizei am Steuer eines Wagens. Zu dem Zeitpunkt besaß M. wohl einen Führerschein. Besitzen dürfen hätte er ihn nicht: Er war ja für verloren erklärt worden.

Vor Gericht erklärte M. jetzt, der verlorene Führerschein sei nach einem Umzug wieder aufgetaucht: Seine Mutter habe ihn in einer Jackentasche entdeckt. „Ich hatte aber Stress und hab‘ nicht dran gedacht, dass ich ihn abgeben sollte.“ Von der Polizei sei er dann eines Tages kontrolliert worden, als er gerade einen Kollegen mit gebrochenem Arm chauffierte.

Er wolle sich nicht rausreden und wisse, dass er einen Fehler gemacht habe, sagte der junge Mann. Von einer Führerscheinsperre bat er den Richter abzusehen: Im Job bekomme er sonst Probleme.

Der Richter ließ sich darauf ein: Vier Monate Haft auf Bewährung lautete das Urteil, dazu eine Zahlung von 300 Euro an die Gerichtskasse. Kemal M. zeige „eine gewisse Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit“ – mit einer bloßen Geldstrafe sei es da nicht mehr getan.
Eine Führerscheinsperre aus einem früheren Verfahren läuft sowieso noch bis Anfang 2020. Danach prüft das Straßenverkehrsamt, wie es um die „Führerscheintauglichkeit“ M.s steht. Das heißt: Automatisch bekommt er seine Fahrerlaubnis so oder so nicht zurück.




„Du Scheißkind“: Prügelnden Grundschüler beschimpft – Anklage bekommen

von Andreas Milk
Was Carlos H. (alle Namen geändert) am Morgen des 21. Februar vor der Pfalzschule erlebte, brachte ihn in Rage – und nun als Angeklagten vor den Kamener Amtsrichter. Es war kurz vor 8 Uhr. H. brachte mit dem Auto seinen Sohn zum Unterricht. Er sah, wie auf der Straße der zehnjährige Marvin dem zwei Jahre jüngeren Julian zwei Mal auf den Kopf schlug. Carlos H. stoppte. Er ließ seinen Sohn aussteigen und sprach mit dem kleinen Julian. Der soll ihm erzählt haben, Marvin schlage ihn jeden Tag. H. schnappte sich Marvin – um, wie er sagt, mit ihm zur Schulleitung zu gehen: Die müsse doch etwas tun. Marvin sträubte sich. Und dann passierte es: Dem 30-jährigen Carlos H. rutschte gegenüber dem zehnjährigen Schüler eine strafbare Beleidigung heraus. „Du Scheißkind!“ – so stand es in der Anklage. Und so gab es H. auch im Gerichtssaal zu.

Angesichts der Umstände hielt der Richter eine Verfahrenseinstellung für angebracht – einen „Freispruch zweiter Klasse“. H.s Verteidiger fand, es hätte gar nicht erst zu einer Anklage kommen dürfen. H. selbst sah ein, dass die Beleidigung wohl daneben war – aber: „Ich wollte nur helfen.“ Die Staatsanwältin allerdings wollte den Fall nicht einfach abhaken – sondern eine Verurteilung. Der Grund: H. hat Vorstrafen wegen Körperverletzung und Beleidigung. Das „Scheißkind“ wollte sie deshalb mit drei Monaten Haft auf Bewährung geahndet sehen.
Es kam anders. Der Richter verwarnte Carlos H. und verhängte eine Geldstrafe von 200 Euro auf Bewährung. Der herzkranke Frührentner braucht also nicht zu zahlen – es sei denn, es passiert wieder etwas.

Die Mutter des geschlagenen Julian hatte seinerzeit den mutmaßlichen Prügler Marvin strafrechtlich belangen wollen. Aber Marvin hat Glück. Zehnjährige sind nicht strafmündig.




Hanftee aus dem Internet: Knapp an Haft vorbei

von Andreas Milk
Dass ein Angeklagter einen Anwalt mitbringt, ist im Kamener Amtsgericht nicht ungewöhnlich. Dass eine Zeugin auch einen dabei hat, ist die Ausnahme. Und die gab es heute im Prozess gegen den 31-jährigen Oberadener Tobias H. (Name geändert). Es ging um unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln. Bei einem Online-Versand im Münsterland hatte H. Hanftee gekauft. Gegen die Betreiberin des Versandes ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Münster – Grund genug für die Frau, sich ebenfalls juristischen Beistand zu holen.

Am 9. Januar, nachmittags gegen 16 Uhr, war die Polizei an einer Bergkamener Bushaltestelle auf Tobias H. aufmerksam geworden. In der Anklage stand nun: H. habe 14,4 Gramm Marihuana bei sich gehabt. „Ich dachte, ich bin auf der sicheren Seite“, sagte H. vor Gericht. Auf der Homepage des Versandes ist zu lesen, das Warenangebot sei „100 % legal“, das verwendete Saatgut sei EU-zertifiziert, der strafrechtlich bedeutsame THC-Gehalt liege unter der relevanten Grenze von 0,2 Prozent.

Der Fall des Oberadeners hat inzwischen auch das Landeskriminalamt beschäftigt. Dessen Labor stellte allerdings einen THC-Gehalt von fast 0,3 Prozent fest. Das, was Tobias H. seinerzeit mit sich herum trug, sei für bis zu drei Rauschzustände gut gewesen, befanden die Fachleute.
Tobias H. hat seit seiner Jugend rund ein Dutzend Vorstrafen gesammelt. Es laufen aus früheren Verurteilungen noch drei Bewährungen. Er war auch schon im Gefängnis. Mittlerweile hat er eine kleine Familie. Unter Tränen versicherte er, nicht gewusst zu haben, dass ihn der Hanftee in Schwierigkeiten bringen könnte. Schließlich habe er den Tee nicht heimlich aus dem Ausland eingeschmuggelt, sondern bei einem deutschen Versand ordentlich gegen Rechnung erworben.

Dieses Bemühen um Legalität rettete ihn vor einer neuen Haft. Der Richter verurteilte Tobias H. zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 20 Euro. Objektiv, so der Richter, sei der gekaufte Stoff „rauschmittelfähig“ gewesen – ganz egal, was die Anbieterin auf ihrer Internetseite schrieb. Tobias H. habe zwar Ärger vermeiden wollen, aber nicht näher hingesehen, ob der Hanfkauf wirklich in Ordnung sei – trotz seines Vorlebens und der schwebenden Bewährung.

H.s Verteidiger hatte Freispruch beantragt – der Staatsanwalt zwei Monate Haft. Eine Woche ist für beide Seiten Zeit, Berufung einzulegen.




Pistole im Handschuhfach: Geldstrafe für Waffenfreund

von Andreas Milk
Die SEK-Beamten wurden fündig bei ihrem Einsatz am 12. Dezember vorigen Jahres in Bergkamen-Oberaden: Drei Pistolen stellten sie sicher, dazu reichlich Munition – fast 1.500 Patronen. Fundorte waren Wohnung, Firmenräume und das Auto von Murat M. (Name geändert). Wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz stand der 33-Jährige jetzt in Kamen vor dem Amtsrichter.

Polizei, Steuerfahndung und Zoll hatten sich im vergangenen Jahr für den Geschäftsmann interessiert. M. verhielt sich in dem gesamten Verfahren vorbildlich. Schon bei der Razzia sei er „sehr kooperativ“ gewesen, bestätigte ein Kripomann. Später sagte M. bereitwillig aus, machte Angaben zu dem Mann, von dem er die Waffen bekommen hatte, und zeigte sich „selbstverständlich einverstanden“ mit der Einziehung und Vernichtung des Materials.

Murat M. ist ein Waffennarr; er gehörte einem Großkaliber-Schützenverein an. Es war seine Absicht, einen Waffenschein zu erwerben. Und: Er war laut seinem Verteidiger vor einiger Zeit Bedrohungen ausgesetzt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Pistolen zu kriminellen Zwecken hätten dienen sollen. Aber: „Sie durften die Waffen nicht haben“, so der Richter. Und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft fand es „schon heftig“, dass Murat M. eine der Pistolen im Handschuhfach seines Wagens liegen hatte. Die beiden übrigen hatte er zwar weniger riskant verwahrt, aber auch sie waren nicht fachgerecht gesichert.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 65 Euro. Die Höhe der Tagessätze entspricht dem bisherigen Einkommen Murat M.s. Auch nach der Verkündung des Strafmaßes blieb er kooperativ: Er akzeptierte den Richterspruch.




Zwei Mal „schwarz“ mit der VKU – macht 450 Euro

von Andreas Milk
Einmal war es die Linie R 13, einmal war es die R 82: In Kamen und in Bergkamen war der Azubi Timo F. (Name geändert) in VKU-Bussen beim Schwarzfahren erwischt worden. Jetzt saß er als Angeklagter in Kamen vor dem Amtsrichter – und wunderte sich: Das geforderte Geld habe er doch überwiesen – wozu also noch ein Prozess? Der Richter erklärte ihm, das Erschleichen von Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln sei nun mal eine Straftat. Daran ändere die Zahlung eines „erhöhten Beförderungsentgelts“ nichts.

Im Fall von Timo F. ging es sogar um versuchten Betrug. Er soll einem Busfahrer beim Einsteigen ein Ticket gezeigt und so den Eindruck erweckt haben, alles sei in Ordnung. Bloß: Ein Kontrolleur im Bus stellte später fest, das Ticket war gar nicht entwertet. Der Busfahrer war also gezielt getäuscht worden.

Timo F. hatte schon als Heranwachsender – das heißt, vor dem 21. Geburtstag – drei Vorstrafen gesammelt, allesamt wegen kleinerer Delikte. Fürs doppelte Schwarzfahren bekam er jetzt eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 15 Euro. Dazu gab es den Rat des Richters, keinen Mist mehr zu bauen. Jetzt, als „richtiger“ Erwachsener, müsse er damit rechnen, dass Strafen gegen ihn rasch härter ausfallen können.




Streit in Flüchtlingsunterkunft: Verfahren eingestellt

von Andreas Milk
Es hatte Streit gegeben in der Unterkunft für Flüchtlinge an der Erich-Ollenhauer-Straße. Am Nachmittag des 10. Juli 2018 fuhr deshalb eine Polizeistreife los. Louis P. (alle Namen geändert) hatte eine stark blutende Verletzung am Oberschenkel. Adam H. soll sie ihm mit einem Messer zugefügt haben. Deshalb saß H. jetzt als Angeklagter im Kamener Amtsgericht.

Beide Männer sind Mitte 20, stammen aus Kenia, leben seit 2017 in Deutschland. Der angeklagte Adam H. machte keine Angaben – das ist sein Recht. Louis P. – als Zeuge geladen – hätte ebenfalls schweigen können: Auch er soll seinem Widersacher bei dem Streit eine Verletzung zugefügt haben, und es braucht sich kein Zeuge selbst vor Gericht zu belasten. P. war trotzdem zu einer Aussage bereit. Bloß: Er könne sich nicht erinnern, sagte er. Das habe mit einer Verletzung zu tun, die ihm vor sechs Jahren in seiner Heimat zugefügt worden sei. „Ich wurde gezwungen, meine Religion zu ändern“, sagte P. – und: „Sie haben mich auf den Boden geworfen.“

Die Männer haben sich anscheinend vertragen. Vor Verhandlungsstart saßen sie im Gericht friedlich zusammen auf dem Flur. Es ist nicht sicher, dass Adam H. ein Messer benutzt hatte: Das ärztliche Attest spricht von einem „spitzen Gegenstand“. Die Sache bleibt letztlich ungeklärt: Das Verfahren wurde eingestellt.




Konto von Pflegebedürftigem geräumt: Schwestern verurteilt

von Andreas Milk
Zwei Schwestern räumen das Konto eines alten, pflegebedürftigen Bergkameners, der ihnen vertraut hat: Dass es so war, davon waren am Ende Staatsanwalt und Amtsrichter in Kamen überzeugt. Das Urteil: jeweils eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 10 Euro wegen gemeinschaftlicher Unterschlagung. Sara und Nadine M. (Namen geändert) sollen außerdem das ergaunerte Geld an Heinrich K. zurückzahlen: 1130 Euro. Das entspricht dem wöchentlichen Heim-Taschengeld K.s für zehn Monate, rechnete der Richter vor. Das Sozialamt hatte schon Probleme gemacht, weil Heinrich K. das Geld vermeintlich verschludert hatte.

Abgehoben hatte es Nadine M. am 30. November 2018 an einem Geldautomaten in Bergkamener. Belegt ist das durch ein Foto. Ihre ältere Schwester Sara habe sie geschickt, erklärte sie später bei der Polizei. Sara M. wiederum kannte Heinrich K. schon acht Jahre. Sie kümmerte sich um Haushalt, Einkäufe, Geldgeschäfte – und hatte deshalb Zugriff auf Kontokarte und PIN. Sie erklärte seinerzeit bei der Polizei: „Er war wie ein Opa zu mir.“ An jenem 30. November allerdings war Heinrich K. schon nicht mehr in seiner Wohnung, sondern im „Haus am Nordberg“ untergebracht; ein bestellter Betreuer der Diakonie war für sein Konto verantwortlich. Sara M. hielt keinen Kontakt mehr zu Heinrich K.. Sie hatte bloß noch seine Kontokarte.

Im Prozess schwiegen die beiden Schwestern. Auch ein als Zeuge geladener Schwager hielt den Mund. Dem Gericht genügte, was ein Kripobeamter und ein Mitarbeiter der Diakonie sagten.

Der Staatsanwalt war am Ende gar „überzeugt, dass noch mehr passiert ist“ – also vor dem 30. November. Bloß: Nachweisen lässt sich da nichts. Der Verteidiger von einer der Schwestern dagegen forderte Freispruch: Es sei nicht auszuschließen, dass Heinrich K. selbst die Geldabhebung beauftragt habe.
Heinrich K. ist dement. Eine brauchbare Aussage kann er nicht mehr machen. Der Richter ist sicher: Sara und Nadine M. haben eine Quelle auszunutzen versucht, die zu versiegen drohte.




„Tatort“ Ikea-Kasse: Freundinnen auf Diebestour

von Andreas Milk
Seit Ikea im Kamen Karree die SB-Kassen in Betrieb genommen hat, kriegt es das Kamener Amtsgericht immer mal wieder mit Leuten zu tun, die Ware an der Kasse vorbei mogeln wollten. Diesmal nahm eine junge Frau aus Münster auf der Anklagebank Platz: Saskia W. (Name geändert) war am 6. November vorigen Jahres mit einer Freundin zum Shoppen gefahren. Die beiden hatten laut Anklage ein ganz besonderes Schnäppchen im Sinn: Von 16 Billig-Artikeln – der Großteil davon waren Gläser zu 99 Cent – lösten sie die Preisetiketten und klebten sie auf 16 Nicht-ganz-so-billig-Artikel. Diese 16 Artikel und einen weiteren zogen sie über den SB-Scanner. Zwei weitere Artikel „vergaßen“ sie zu scannen. Unterm Strich: Ware, die regulär 250 Euro kosten sollte, hätte das Duo für knapp 63 Euro bekommen – wenn die Sache nicht aufgeflogen wäre.

Saskia W. saß nun allein vor dem Richter. Ihre Komplizin, bisher nicht vorbestraft, war mit einer Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Buße davon gekommen. Saskia W. dagegen hatte vor ein paar Jahren schon wegen drei Diebstählen vor dem Jugendrichter gestanden. Inzwischen hat sie das 21. Lebensjahr vollendet. Das bedeutet zwingend: Erwachsenenstrafrecht.

Ihre Freundin und sie seien nicht mit der Absicht zu klauen nach Kamen gefahren, erzählte sie. Das Ganze habe sich vielmehr aus der Situation ergeben: Bummeln, schöne Sachen sehen, sich seines knappen Budgets bewusst werden… – und letztlich auf eine doofe Idee kommen. Seit sie geschnappt worden sei, habe sie viel nachgedacht – und sei sich sicher: „Das war das letzte Mal.“

Der Richter gewann „einen ganz positiven Eindruck“ von ihr – zumal sie alles zugegeben und nicht den Versuch gemacht habe, alles auf die (abwesende) Freundin zu schieben. Das Urteil: 1.200 Euro Geldstrafe – was einem satten Netto-Monatseinkommen der Münsteranerin entspricht. Sie und ihre Mittäterin hatten außerdem je 100 Euro „Fangprämie“ an Ikea gezahlt.




Frisiert ist frisiert – und ein Roller keine Stereoanlage

von Andreas Milk
Seine Verteidigungsrede klang zwar ganz einleuchtend. Aber vor dem Kamener Amtsgericht hatte der 62-jährige Günter K. (Name geändert) aus Bergkamen damit keinen Erfolg. Angeklagt war er, weil er im Juni mit einem frisisierten Motorroller durch die Stadt gekurvt war, ohne im Besitz eines Führerscheins zu sein. Er sei niemals schneller als 25 km/h gefahren, vesicherte er. Er verglich den Roller mit seiner Stereoanlage: Die drehe er auch nicht bis zum Anschlag auf.

Der Richter belehrte ihn: So ein motorisiertes Gefährt, das in der Lage sei, schnell zu fahren, sei entsprechend führerscheinpflichtig – völlig egal, ob derjenige, der gerade drauf oder drin sitzt, das Höchsttempo ausreizt oder nicht. Günter K., der 2017 schon wegen Trunkenheit im Verkehr aufgefallen war, muss für die Rollerfahrt eine Geldstrafe von 1.200 Euro zahlen. Eine Führerscheinsperre verhängte der Richter nicht. Er vertraue darauf, dass das Straßenverkehrsamt im Fall des Falles schon angemessen entscheiden werde. K. hatte erklärt, am Erwerb einer Fahrerlaubnis sowieso kein Interesse zu haben.




Verwaltungsgericht Gelsenkirchen soll jetzt die Räumungsverfügung für die beiden Hochhäuser an der Töddinghauser Straße überprüfen

Mithilfe einer Klage vor dem Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wollen jetzt Eigentümer und Mieter der beiden Hochhäuser Töddinghauser Straße 135/137 erreichen, dass sie wieder ihre Wohnungen nutzen dürfen. Bekanntlich hatte die Stadt Bergkamen am 15. Mai die Räumung des Gebäudes wegen erheblicher Brandschutzmängel verfügt.

Dabei wollen der Krisenstab der Bewohner und Eigentümer, aber auch der WEG-Verwalter, der Gutachter und die Anwälte die Räumungsverfügung auf einen „schwerwiegenden Fehler“ durch die Verwaltungsrichter überprüfen lassen. Außerdem sind sie überzeugt, dass durch die Räumungsverfügung der Stadt gegen die Paragrafen 13 und 14 des Grundgesetzes verstoßen wurde.

Der Paragraf 13 sichert den Bürgerinnen und Bürger die Unverletzlichkeit ihrer Wohnung zu. Allerdings lässt der Absatz 7 dieses Paragrafen Eingriffe und Beschränkungen zu, wenn eine Lebensgefahr für einzelne Personen besteht. Zu diesem Schluss sind unter anderem die Feuerwehr und der Brandschutzbeauftragte des Kreises Unna nach dem Brand in den benachbarten Turmarkaden am 10. Mai gekommen, Messungen haben eine hohe Konzentration des lebensgefährlichen Kohlenmonoxid in den beiden benachbarten Hochhäusern ergeben.

Der Paragraf 14 des Grundgesetzes sichert das Recht auf Eigentum zu. Im Absatz 2 heißt es aber auch: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Damit sich jeder selbst ein Bild von den beiden Paragrafen des Grundgesetzes machen kann, geben wir sie hier in ihrer aktuellen Version wider:

Art 13
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im Übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

Art 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.